aus Kradblatt 4/21 von Konstantin Winkler

Mit dem Oldie-Gespann über die Ringstraße …

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann
Weites Land – die Ringstraße lockt …

Island. Kaum eine Insel weckt so viele Assoziationen und ist so weit von Resteuropa entfernt. Die unmittelbaren Nachbarn sind die Färöer-Inseln und Grönland. Für mich persönlich eines der wenigen Länder Europas, die ich noch nicht mit dem Motorrad bereist habe.

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann
Geschwindigkeit ist mit dem Oldie-Gespann kein Thema

Ganz spontan wie immer ging es los. Die Wahl des geeigneten Fahrzeugs war schnell getroffen. Hohe Gepäckkapazität und leicht reparierbar im Falle eines Falles abseits der Zivilisation waren die Voraussetzungen: die BMW R 27.

Mit meinem BMW-Gespann aus dem Baujahr 1967 ging es zur Fähre ins dänische Hirtshals. Bestens reiseerprobt ist sie schon seit Jahrzehnten auf Europas Straßen unterwegs – von Norwegen bis zum Großglockner. Die letzte 250er Einzylinder-BMW besticht allerdings mehr durch optische Schönheit als durch Höchstleistung. 18 PS bei 7.400 Umdrehungen pro Minute waren damals noch akzeptabel, heute ist man damit eher ein rollendes Verkehrshindernis.

36 Stunden auf See standen uns bevor. Nicht bis Island, sondern zum Zwischenstopp auf den legendären Färöer-Inseln im Nordatlantik. Ich hatte Glück und durfte die Fähre mit dem Gespann für fünf Stunden verlassen und diese einzigartige Inselwelt auf drei Rädern erkunden. Aus 18 Inseln, mit zusammen 1.400 Quadratkilometern, bestehen die bis zu 882 Metern hohen Eilande. 

Das Wetter war bescheiden. Nebel, Sturm, Regen und ein paar zaghafte Sonnenstrahlen ließen uns nicht viel von der Landschaft sehen.

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann
Nach weiteren 19 Stunden Fahrt legte die Fähre der Smyril im Hafen von Seyđisfjörđur an.

Island – auf englisch Iceland –machte seinem Namen alle Ehre. Das erste Fahrzeug, das uns begegnete, war ein Schneeräumfahrzeug. Es hatte einen in diesen nördlichen Breitengraden nicht unüblichen Wintereinbruch gegeben. Es schnei­te bei -1 °C. Zudem ging es mit 10 % Steigung im 1. und 2. Gang auf über 500 Meter Seehöhe. Der 3. und der 4. Gang hatten Pause. Die erste Bewährungsprobe für die alte BMW und den Steib S 250 Beiwagen aus den 1950er Jahren.

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann Die ersten 75 Kilometer fuhren wir auf Islands verschneiten Straßen und durch den ersten langen Tunnel, den 5.900 Meter langen Fáskrúđsfjarđurgöng. Dann ging der Schnee in Regen über und hörte zum Glück bald ganz auf.

Nach Großbritannien ist Island die zweitgrößte Insel Europas und die größte Vulkaninsel der Welt. Über die Hälfte besteht aus Ödland, Lava- und Schotterwüsten. Trotzdem bietet diese urzeitliche Landschaft, die geprägt ist von den Kräften des Feuers und des Eises, viel Abwechslung. 11 % der 103.000 Quadratkilometer großen Insel sind vergletschert. Und unter den Eiskappen schlummern aktive Vulkane. 

Wir fahren die traumhafte Küstenstraße entlang und stehen vor dem Vatnajökull, mit einer Fläche von 8.300 Quadratkilometern Europas größter Gletscher. Auch die höchste Erhebung Islands liegt dort mit 2.119 Metern.

Bei Fjallsarlön sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben Eisberge. Durch das Abschmelzen des Gletschers haben sich Lagunen gebildet und auf dem See und im Meer treiben Eisberge.

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann
Leichter Schneefall im Frühjahr

In Vik erwartet uns ein pechschwarzer Lavastrand mit spitzen Felsen, die aus dem Meer ragen. Und ein unvorstellbarer Wind, der jeden möglichen Gedanken an ein längeres Verweilen schon im Keim ersticken lässt. 

Halbzeit. Wir erreichen eine der kleinste Hauptstädte Europas. Trotzdem wohnt hier über die Hälfte der rund 350.000 Isländer. Unser Quartier ist das zentral gelegene Grand-Hotel. Es ist erstaunlicherweise auch nicht teurer als die anderen Hotels auf unserer Reise. 

Das alte BMW-Gespann hat ohne irgendwelche Probleme mitgemacht und scharrt schon mit Hufen … Wir verlassen Reykjavik und fahren durch den 5.770 Meter langen Hvalfjarđargöng unter dem Meer hindurch Richtung Norden.

In Hvammstangi sind wir am Europäischen Nordmeer. Wir spüren Kälte und Wind und übernachten auf einem wunderschön gelegenen Reiterhof. Der Hinterreifen ist inzwischen fast abgefahren, die mittlere Rille nur noch schemenhaft zu erkennen.

Das nächste Etappenziel ist Akureyi. Die mit 18.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Islands liegt nur einhundert Kilometer südlich des Polarkreises am Fuße einer beeindruckenden Bergwelt. Sogar ein Motorradmuseum gibt es hier. Neuschnee hat es ein paar Tage vorher auch wieder gegeben. 

Wir fahren durch den längsten Tunnel auf der Ringstraße 1. Der 7,5 Kilometer lange Gjaldskylda ist für Autos und LKW mautpflichtig, für Motorräder nicht.

Motorradreise Island mit BMW R27 GespannNach nur 50 Kilometern das nächste Highlight: Der hufeisenförmige Godafoss, einer der imposantesten Wasserfälle des Landes.

Und wieder geht es in, für isländische Straßenverhältnisse, luftige Höhen. Die 14 Kilometer lange Hochebene Öxnadalsheiđi liegt in 540 Metern Höhe.

Die vulkanischen Formationen rund um den drittgrößten See Islands Myvatn gleichen einer Marslandschaft. Hier wurde jahrhundertelang Schwefel abgebaut. Und danach riecht es heute noch. Die Erde lebt! Es zischt, dampft und brodelt aus dem Boden und den bis zu 100 Grad heißen Schlammbecken.

Der BMW R 27 Motor schlägt sich tapfer mit seinen 18 PS
Der BMW R 27 Motor schlägt sich tapfer mit seinen 18 PS

Das Gespann muss Schwerstarbeit leisten. Lange Steigungen sind oft nur im ersten oder zweiten Gang zu schaffen. Die weit über 400 Kilogramm Kampfgewicht machen sich bemerkbar.

Es folgen 150 Kilometer auf der Ringstraße ohne jegliche Zivilisation. Dazwischen liegt Möđrudalur, einer der abgelegensten bewirtschafteten Höfe Islands mit einer kleinen rustikalen Hotelanlage. Im Hintergrund sieht man einen schneebedeckten, über 1.700 Meter hohen erloschenen Vulkan. Eine Schotterpiste auf über 500 Metern Seehöhe führt dorthin durch eine atemberaubende Bergwelt. Man hat das Gefühl in Zentralasien und nicht im hohen Norden Europas zu sein. 

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann Auch auf schlechten Straßen fährt die betagte R 27, dank Vollschwingenfahrwerk und gut gefedertem Sattel, äußerst komfortabel. Auf den schmalen 18-Zoll-Rädern läuft der Oldie dorthin, wo der Fahrer es wünscht. Der gefühlvoll angezogene Lenkungsdämpfer verhindert dabei wirkungsvoll das Flattern der Vorderradschwinge. Die einzylindertypischen Vibrationen gelangen nicht zum Fahrer, da der Motor in Gummilagern ruht.

In Egilstađir schließt sich der Kreis. Über 1.500 pannenfreie Kilometer sind wir mit maximal 80 km/h – meistens waren es deutlich unter 50 km/h – einmal auf der Ringstraße in acht Tagen um Island herum gefahren. Lediglich der Hinterreifen ist soweit abgefahren, wie ich noch nie einen Reifen runtergeritten habe. Nur wenige Millimeter trennen den Schlauch vom Asphalt. Dem Triebwerk sieht man den harten Ritt auch an. Total verdreckt und leicht inkontinent. 

Mit dem Wetter hatten wir auch Glück. Die Reisezeit war mit Ende April/Anfang Mai gut gewählt. Nur zwei halbe Tage hat es geregnet bzw. geschneit. Dafür war es ständig sehr windig und kalt. Meist im einstelligen Temperaturbereich.

In Seđisfjörđur wartet schon unsere Fähre. Vorher wird dem betagten Einzylinder nochmal alles abverlangt. Die Passstraße liegt im Nebel und es ist mit +4 Grad Celsius spürbar wärmer als neun Tage zuvor.

Wir verlassen Island und genießen die letzten Blicke auf diese fantastische Insel. Die See war stürmisch und die Nacht hatte es in sich. Sechs Meter hohe Wellen sorgen dafür, dass sich viele Passagiere das Dinner noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Wieder stoppt die Fähre ein paar Stunden in Thørshavn und ich darf nochmal die Färöer-Inseln unter die Räder nehmen. Wieder ist es sehr stürmisch und es fängt sogar an zu schneien. Trotzdem bin ich von dieser Inselkette so sehr fasziniert, dass ich auf jeden Fall für länger wiederkommen werde. Das gleiche gilt übrigens auch für Island.

Motorradreise Island mit BMW R27 Gespann
Island? Absolut sehenswert – wir kommen gerne wieder!

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