aus Kradblatt 10/13

”Nur der Lärm ist noch ein bisschen zu leise…”

AuspuffDas Thema Motorradlärm geht uns alle an. Erst im Sommer hatten wir einen sehr schönen Artikel zu dem Thema von Matthias Binder der uns daran erinnerte, dass wir Motorradfahrer uns auch ruhig mal an die eigene Nase fassen dürfen. Den könnt ihr <hier> nachlesen und kommentieren.

In der Ausgabe 9/13 mussten wir leider einen Zeugenaufruf der Polizei Rinteln bringen, nachdem Unbekannte auf der beliebten Motorradstrecke K 74 zwischen Stolzenegge und Westendorf in einem Kurvenbereich Öl auf der Fahrbahn verteilt hatten. Ganz offensichtlich ein Anschlag auf Motorradfahrer.
Die zuständigen Behörden haben daraufhin nichts besseres zu tun, als die Strecke für Motorradfahrer voll zu sperren! Zitat aus den Schaumburger Nachrichten vom 16.08.13: „Es gibt kein milderes Mittel, um Eskalationen zu verhindern“, sagt Rintelns Erster Stadtrat Jörg Schröder zu der geplanten Sperrung. „Wir sind den Motorradlärm einfach leid“. Das gesteigerte Renngeschehen und gestiegene Unfallzahlen seien Gründe gewesen, aus denen alle beteiligten Behörden einstimmig beschlossen haben, etwas zu unternehmen. Ortsbürgermeister Eckhard Hülm bedauert, dass auch die sinnig fahrenden Motorradfahrer unter dem Verbot leiden müssen, aber „Die Chaoten haben in der Vergangenheit einfach überhand genommen“.

Mit einem offener Brief antwortet Motorradfahrer Roi Danton darauf:

An die verantwortlichen kommunalen Entscheider, der zuständigen Polizeibehörde und die Anwohner von Westendorf und umliegende Orte.
Über das Internet habe ich von Vorfällen bezüglich Motorradfahrern auf der K 74 gelesen. Es wird beschrieben, dass es in wiederholten Fällen zu gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr im Bereich von Westendorf und umliegenden Orten gekommen ist. Mal wurden Glasscherben in Kurvenbereichen der K 74 mutwillig verteilt, dann gefährlicher Gestein-Splitt und auch rutschige Öl-Spuren aufgebracht.
Statt dass die Polizeibehörde diesen Straftaten vehement entgegen wirkt und die Kommune durch straßenbauliche Maßnahmen (Geschwindigkeitsbegrenzung, Huckelstreifen, Radarmessungen usw.) versucht, das übermäßige Befahren der K 74 durch diese kleine Gruppe an rücksichtslosen Motorradfahrern einzuschränken, wird einfach die Straße für alle Motorräder gesperrt.
Dem Ersten Stadtrat Jörg Schröder, der „…kein milderes Mittel, um Eskalationen zu verhindern“ als die einer Sperrung sieht, kann man nur typische Ideenlosigkeit und Bequemlichkeit eines Bürokraten vorwerfen. Er geht der Konfrontation einfach aus dem Weg. Bezüglich „…gestiegener Unfallzahlen…“ geht er auch bewußt nicht auf die Straßenmanipulationen ein und erwähnt diese geschickt nicht einmal.
Auch dem Oberbürgermeister Eckhard Hülm (SPD) kann man nur Polemisierung und Opportunismus bescheinigen, da er mit Aussagen wie „…Diese Gruppe schrecke auch nicht davor zurück, normale Straßennutzer zu bedrohen…“ regelrecht die Stimmung der Anwohner aufheizt, aber selbst offensichtlich die vielen gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr und somit Straftaten lieber unter den Tisch kehrt.
Somit erteilen diese beiden Herren und die Behörden einem Straftäter ihre Anerkennung, machen sich zu Komplizen und beflügeln durch ihre absolut unverständliche Handlung potentielle Nachahmer in Sachen gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach dem Motto: „Machen wir’s wie bei den Westendorfern!“
DLzG, Roi Danton

P.S. Die „Unabhängigkeitsstraße“ (Anmerk. d. Red.: die K 74 bei Westendorf, übrigens eine ehemalige Bergrennstrecke) sollte vielleicht gleich mit umbenannt werden, denn der Name ist nun eine Farce.

Doch damit nicht genug!

Weiter geht es mit einem Leserbrief, den die Bergedorfer Zeitung am 23.08.13 veröffentlicht hat. Hintergrund ist der Motorradverkehr im „Spadenland“ bei Hamburg. Wir zitieren den Leserbrief an dieser Stelle komplett:

Betr.: „Diverse Artikel zu Motorräder im Spadenland“
Es gab Bürgerinitiativen gegen den Freizeit-Motorradlärm. Es gab Polizeikontrollen gegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Aber dieses Jahr ist wieder Raserei und Lärm.
Was sollen wir Anwohner nur tun? Bleibt wirklich nur die Möglichkeit, Öl auf die Straße zu kippen? Oder müssen wir wegziehen? Das wäre zu viel Zugeständnis für eine Freizeitbeschäftigung, die sich gegen die Anwohner der Vierlande richtet. Politiker, nehmt endlich Partei für Menschen, die im Landgebiet wohnen.
Jürgen Cohn, Hamburg

Der Bikerstammtisch Stelle, nahm daraufhin in einem offenen Brief Stellung dazu:

Offener Brief an die verantwortlichen kommunalen Reporter der Bergedorfer Zeitung, die zuständige Polizeibehörde und die Anwohner von Spadenland und den umliegenden Ortschaften.
Über das Internet haben wir von Vorfällen bezüglich Motorradfahrern im Spadenland gelesen. Der Aufruf in diesem Leserbrief stößt bei uns Motorradfahrern auf tiefstes Unverständnis!
Herr Cohn beschreibt hier eine Möglichkeit, Motorradfahrer vorsätzlich zu verletzten oder sogar zu töten – oder eine Verletzung oder Tötung in Kauf zu nehmen. Diesen potentiellen Aufruf zum Mord können und wollen wir nicht hinnehmen, denn im Laufe der letzten Jahre ist es leider vorgekommen, dass Menschen sich durch solch einen Aufruf bestätigt gefühlt und dies- oder anders­artige Fallen gelegt haben. Mal wurden Glasscherben oder Geröll in Kurvenbereichen mutwillig verteilt, auch gefährlicher Roll-Splitt und rutschige Öl-Spuren wurden schon gesichtet.
Alle diese Straftaten sind offensichtlich von einem oder mehreren Anwohnern begangen worden, um so zu erreichen, dass eine Lärmbelästigung – verursacht von einer Handvoll undisziplinierter Motorradfahrer – abgestellt wird.
Leider mit bitterem Erfolg: Durch diese begangenen Straftaten sind Motorradfahrer verunglückt, haben Verletzungen davon getragen, hohen Sachschaden erlitten – und es hat an anderen Orten durch solche Manipulation einer Straße bereits Tote gegeben: am 21.10.2012 z.B. starb ein Familienvater bei solch einem Anschlag. Er hinterlässt eine Frau und einen Sohn!
Durch die wissentlich und bewusst in Kauf genommene eventuelle Tötung eines Menschen, wurde dieser Straftäter zum Mörder.
In unseren Augen ist der Briefschreiber Herr Cohn sowie der Reporter/Redakteur eine Gefahr für alle gewissenhaften Menschen. Sie machen sich zu Komplizen und beflügeln durch ihre absolut unverständlichen Aufrufe bzw. die durch Veröffentlichung dieses Leserbriefes faktische Unterstützung des Aufrufes zu einer Straftat potentielle Nachahmer in Sachen gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach dem Motto: „Machen wir’s wie in den anderen Orten!“
Was kommt dann als Nächstes? Nagelbretter für zu laute Autos, Steinschleudern gegen Fahrradfahrer, Fallgruben für Spaziergänger – und was machen wir mit den lauten Kindern? Haben manche Menschen denn gar nichts gelernt? Es sind immer nur einige Wenige, die alles für viele schwierig machen.
Den Anwohnern der Ortschaften, die diese Straftaten vielleicht sogar unterstützt haben, sprechen wir vom Biker Stammtisch Stelle unsere tiefste Miss­achtung aus! Sie haben jetzt vielleicht etwas mehr Ruhe in ihrem Ort, aber vergessen Sie nie, dass Sie diese nur durch Straftaten und vorsätzliche Körperverletzung unschuldiger Menschen erzwungen haben.
Die beste Lösung wäre doch für alle eine vernünftige und dauerhafte Lösung. Wir, als Stammtisch von Motorradfahrern, setzen uns dafür ein. Wir kämpfen für ein rücksichts- und verständnisvolles Miteinander und für eine Lösung von Dauer. Das geht aber nur mit Gesprächen aller Parteien. Ein Aufruf zur Selbstjustiz oder gar Schlimmerem dagegen ist keine Lösung! Zudem: eine Streckensperrung verlagert das Problem nur um einige Straßen weiter in die eine oder andere Richtung.
Alarmiert durch den Leserbrief kündigen wir an, dass, sollte es in der Region zu einem wie im Leserbrief vorgeschlagenen oder ähnlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr kommen, wir sofort Strafanzeige gegen Herrn Cohn stellen werden.
Die Vertreter des Biker Stammtisch Stelle

Pikant bei der Geschichte: Nachdem es online zu ersten Protesten kam, hat die Bergedorfer Zeitung den Leserbrief kurzerhand von ihrer Website verband. Leider war der Google-Bot beim crawlen schneller und hat den Artikel samt Kommentaren im weltweiten Google-Speicher abgelegt, wo man ihn (noch) problemlos findet. Außerdem findet man auch die eingescannte Version in diversen Internetforen. Merke: wer sich öffentlich äußert, kann es nicht einfach zurücknehmen.
Wir haben Herrn Cohn, dessen Kontaktdaten Google ebenso problemlos ausspuckt, daraufhin um eine Stellungnahme gebeten:

Sehr geehrter Herr Lacroix. Ich lege Wert auf die Tatsache, dass ich in meinem Leserbrief an die Bergedorfer Zeitung nicht zur Gewalt aufgerufen habe. Ich habe vielmehr eine Gefühlslage von mir beschrieben die auf der unglücklichen Tatsache beruht, dass ich am Ende eines langen geraden Straßenstückes vor einer scharfen Kurve wohne. Da wird häufig von gefühlten 120 km/h heruntergebremst oder hochgefahren (erlaubt sind 60 km(h). An schönen Tagen handelt es sich um viele hundert Motorräder, ein nicht kleiner Teil sind Harleys.
Ich habe von meiner Arbeit ein Dezibelmessgerät mit nach Hause genommen und an solchen Tagen bis zu 110 db in meinem Garten gemessen. Da stirbt jede Möglichkeit einer Gartennutzung.
Ich lade Sie gerne ein, an einem schönen Tag im nächsten Sommer mit uns ein paar Stunden Kaffee im Garten zu trinken (ernst gemeint). Vielleicht können Sie dann die andere Seite besser verstehen. Niemand hier hat etwas gegen 2, 20 oder 50 Motorräder. Aber 8 Stunden pausenloser Lärm…
Im Moment etwas ruhigere Grüße, Jürgen Cohn

Wir sind uns sicher, dass sich jeder Motorradfahrer auch diese Seite der Medaille vorstellen kann. Letztendlich wäre mit der von Matthias geforderten gegenseitigen Rücksichtnahme eigentlich alles klar. Wer tut aber den ersten Schritt? Ich denke, wir Motorradfahrer sollten mit gutem Beispiel vorangehen denn mal ehrlich: unter einem modernen Helm hört man auch eine laute Auspuffanlage kaum noch. Abschließend noch ein Leserbrief zum eingangs erwähnten Artikel:

Lieber Matthias Binder, wie du in dem Artikel „Nur der Lärm ist noch ein bisschen zu leise“ schon selbst schreibst: Wer seine Freiheit liebt, soll auch dafür eintreten.
Ich nehme mir die Freiheit, dafür einzutreten und mit zugelassenem und TÜV-geprüftem Motorrad sowie dessen per e-Prüfzeichen und KBA-gestempeltem Zubehör ganz normal und ziemlich vorschriftsmäßig durch die Gegend zu fahren. Auch wenn das vielen Gutbürgern nicht passt. Genau jenen, die sich am Wochenende (wenn ich in Ruhe meine Tasse Kaffee genießen will) ihre Freiheit nehmen und nach dem genüsslich singenden Kantentrimmer einen durchschnittlich über 98 dB(A) lauten Rasenmäher stundenlang betreiben, um anschließend mit dem Laubbläser in gleicher Lautstärke die Umwelt zu vernebeln. Während ihre Kinder mit dem bassangetriebenen, 3000 Watt soundgetunten Uraltauto mit vorsätzlich verbasteltem Auspuff die Gegend unsicher machen.
Nachdem wir nun alle Klischees bedient haben, grüße ich dich, wie unter Motorradfahrern üblich, mit der LINKEN Hand von meinem mit geprüftem und zugelassenen Zubehörauspuff ausgestatteten Motorrad und hoffe auf ein wenig mehr Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme. Denn du sprichst nicht von Lärmgegnern, sondern von Motorradgegnern! Und übrigens: die RECHTE hebt man bei uns schon seit fast 70 Jahren nicht mehr zum Gruß.
Bernd Herrmann