aus Kradblatt 8/23 von Guido Schmidt, www.bmm-magazin.de

Allgäuer Königstour …

Eine Tour auf den Spuren König Ludwigs II. von Bayern quer durch das Allgäu überzeugt mit geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten, fantastischen Strecken, zahlreichen Kurven und atemberaubend schöner Natur. Viel zu schade, um die Strecke zügig zu durchfahren. 

Des Königs Sänfte - mit der Rocket durch das Allgäu
Des Königs Sänfte – mit der Rocket durch das Allgäu

Ob Mitte Juni die beste Reisezeit für die geplante Tour durchs Allgäu mit dem Highlight Schloss Neuschwanstein ist, kann ich nicht beurteilen. Ich habe jedenfalls allerschönstes Motorradwetter, azurblauer
Himmel, hier und da ein paar weiße Wolken und fast durchgehend aalglatter Asphalt unter den Rädern. Einziger Nachteil für Pollenallergiker wie mich: mein Heuschnupfen scheint gerade zu dieser Zeit in dieser Gegend äußerst aktiv zu sein. Die auf den saftigen Almen frisch gemähten Gräser tun ihr Übriges. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, entschädigt doch die einmalige Landschaft, die im satten Grün daherkommt, für alles. 

Die St. Peter und Paul Kirche in Lindenberg wird auch als der Westallgäuer Dom bezeichnet.
Der „Westallgäuer Dom“, die St. Peter und Paul Kirche in Lindenberg.

Ich reise schon am Vortag meiner geplanten Königstour beim Hotel Bergblick in Scheidegg an. Ein mit vier Helmen klassifiziertes moho-Hotel, welches ruhig und fernab des Massentourismus auf einer Anhöhe oberhalb von Scheidegg liegt. Scheidegg liegt in Schlagweite des Bodensees und der Allgäuer Alpen und im Dreiländereck von Deutschland, der Schweiz und Österreich. Die nächstgrößere Ortschaft heißt Lindenberg – das kennt man, wenn man gerne Käse isst. Idealer Ausgangspunkt also, um am nächsten Tag die rund 220 Kilometer lange Allgäuer Königstour zu starten. 

Ich werde herzlich von Helga Tronsberg, der Chefin des Hauses, empfangen und bekomme ein stilvoll eingerichtetes Zimmer mit Blick auf die Allgäuer Alpen. MeinMotorrad stelle ich sicher in der hauseigenen Garage ab. 

Nach einem gemütlichen, reichhaltigen Frühstück am nächsten Morgen starte ich zur geplanten Tour. Josef, Chef des Hauses und geprüfter Tourguide, hat mir die Route in digitaler Form als GPX-File zur Verfügung gestellt. Dann kann ja nichts mehr schief gehen. 

Ich fahre auf sehr gut asphaltierten Nebenstrecken in stetigem Bergauf und Bergab und schön geschwungenen Kurven Richtung Immenstadt im Allgäu zum ersten größeren Highlight. Das Allgäu ist nicht nur für seine märchenhaften Schlösser und Burgen bekannt, sondern punktet auch in Sachen Seen. Ein größerer davon ist der Große Alpsee. Er wird im Westen vom kleinen Teufelssee und im Osten vom kleinen Alpsee eingerahmt. 

Wahrhaft legendär: Schloss Neuschwanstein
Wahrhaft legendär: Schloss Neuschwanstein

Doch bevor ich den Großen Alpsee erreiche, zwingt mich in Missen-Wilhams ein besonders schönes Exemplar eines Maibaums zum Stopp. Fast in jeder Ortschaft gibt es die teils prächtig ausgeschmückten Maibäume zu sehen. Traditionell bringen die Maibäume symbolisch in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai den Wohlstand und den Zusammenhalt der jeweiligen Gemeinde zum Ausdruck. Geschmückt werden die Maibäume mit bemalten Schildern von ortsansässigen Handwerkern und Vereinen. 

Ich erreiche den Großen Alpsee. Auf einem wahrscheinlich extra dafür angelegten Parkplatz habe ich einen herrlichen Blick auf den im satten Blau schimmernden See. Ich lege einen Foto- und Trinkstopp ein und genieße die Aussicht.

Bei Immenstadt im Allgäu überquere ich die Iller, die hier noch ganz jung und ursprünglich ist. Der Ursprung der Iller liegt nördlich von Oberstdorf und sie mündet schließlich nach 147 Kilometern bei Ulm in die Donau. 

Am Grüntensee vorbei erreiche ich Nesselwang. Die kleine Ortschaft mit nur rund 4.000 Einwohnern präsentiert sich mir von oben mit ihrem markanten Kirchturm der St. Andreas Kirche. Die zwiebelartige Kirchturmspitze sehe ich auf meiner Tour noch öfter. 

Das Hohe Schloss in Füssen
Das Hohe Schloss in Füssen

Auf meiner Fahrt Richtung Tour-Highlight, dem Schloss Neuschwanstein, erreiche ich Füssen. Über Füssen thront das Hohe Schloss im gotischen Baustil auf einem Hügel über der Altstadt. Die Burganlage gilt als eine der am besten erhaltenen Anlagen Bayerns. Zeit, mir wieder eine kleine Trinkpause zu gönnen. Vom großen Parkplatz am Fuße der Burg habe ich einen fabelhaften Blick auf das beeindruckende Gebäude.

Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Schloss Neuschwanstein und in unmittelbarer Nähe zum Schloss Hohenschwangau.

Das Schloss Neuschwanstein wurde im 19. Jahrhundert von König Ludwig II. von Bayern in Auftrag gegeben und war als privater Rückzugsort für den König gedacht. Erbaut ist das Schloss im Stil der Neugotik. Das Schloss ist bis heute nicht vollständig fertigestellt. Der Bauherr König Ludwig II., auch bekannt als der „Märchenkönig“ lebte nur wenige Monate im Schloss, bevor er im Jahr 1886 für geisteskrank erklärt und entmündigt wurde. Er starb im selben Jahr unter mysteriösen, bis heute nicht geklärten, Umständen. 

Der Forggensee speichert Wasser für die lechabwärts gelegenen Wasserkraftwerke.
Der Forggensee speichert Wasser für die lechabwärts gelegenen Wasserkraftwerke.

In nächster Nähe des Schloss Neuschwanstein liegen viele kleine und große Seen. Einer davon und der größte ist der Forggensee. Der flächenmäßig größte Stausee Deutschlands wird vom Lech durchflossen. Er dient in erster Linie der Stromgewinnung durch die lechabwärts gelegenen Wasserkraftwerke. Den Forggensee umrunde ich zur Hälfte von der Ostseite und fahre durch einen Ort, dessen Namen mir irgendwie bekannt vorkommt: Kniebis. Kniebis Alexanderschanze ist bei einigen Lesern sicherlich ein Begriff. So kann ich mich rühmen, beide Ortschaften mit dem Namen Kniebis schon einmal besucht zu haben. 

Wie eine Schlange windet sich die Straße um die Seenplatte. Hier ein See, dort ein See, deren Namen ich mir nicht alle merken kann. An einem idyllischen Kiosk direkt am Ufer des Forggensees mache ich eine etwas längere Rast und genieße die Aussicht bei einer Allgäuer Bratwurst und einem Johannisspritzer (Johannisbeerschorle).

Tradition verpflichtet: Fast in jeder Ortschaft steht ein Maibaum, wie hier in Missen-Wilhams ein besonders schönes Exemplar.
Tradition verpflichtet: Fast in jeder Ortschaft steht ein Maibaum, wie hier in Missen-Wilhams ein besonders schönes Exemplar.

Über die Hälfte meiner Tagestour habe ich hier absolviert. Mich erwarten sicherlich weitere genussvolle Landschaften und schwungvolle Kurven. 

Die zweite Halbzeit steht landschaftlich der ersten in nichts nach. Kleine, idyllische Dörfer, jedes mit teils markanten, von weitem sichtbaren Kirchturmspitzen buhlen um Aufmerksamkeit. Die 30er-Zonen haben auch hier in den meisten Ortschaften schon Einzug erhalten. Meist unter der Prämisse Lärmschutz. Kleiner Exkurs: Studien belegen, dass Tempo 30 in Ortschaften zu mehr CO2-Emission führt, als Tempo 50, da der Spritverbrauch bei Tempo 30 höher ist. Aus diesem Grund versuche ich immer, mit dem größtmöglichen Gang eine Ortschaft zu durchfahren – egal ob aus Lärmschutz- oder Emissionsgründen.

An dieser Stelle fand 1460 die Schlacht von Buchenberg statt.
An dieser Stelle fand 1460 die Schlacht von Buchenberg statt.

Ich umfahre Kempten, die Hauptstadt des Allgäus mit etwas über 70.000 Einwohnern, südlich. In Buchenberg, einer kleinen Ortschaft mit rund 4.200 Einwohnern, steht eine geschichtsträchtige Kapelle, die Sankt-Georgs-Kapelle. Wo die Kapelle steht, siegten am 17. März 1460 – 334 Eidgenossen über 1.300 Mann des Fürstabtes Gerwig von Kempten in der Schlacht von Buchenberg. Wobei deren Hauptmann Walther von Hohenegg mit den Worten fiel: „Heut’ Walther und nimmer mehr“.

Das Thermometer an meinem Motorrad zeigt 28 °C Lufttemperatur, also nochmal ein Trinkstopp. Zwar laden mich auch die beiden Holzbänke vor der Kapelle zum Verweilen ein, ich bevorzuge aber lieber den schattigen Platz unter dem Baum neben der Kapelle.

Endspurt. Zwei Sightseeingobjekte stehen noch auf dem Plan: die St. Peter und Paul Kirche in Lindenberg und zum Schluss noch ein Besuch bei den Scheidegger Wasserfällen. 

Naturschauspiel: Tosend stürzen sich die Wassermassen aus dem Rickenbach in die Rohrachschlucht.
Naturschauspiel: Tosend stürzen sich die Wassermassen aus dem Rickenbach in die Rohrachschlucht.

Die St. Peter und Paul Kirche steht unter Denkmalschutz. Sie wird auch als Westallgäuer Dom bezeichnet und macht diesem Namen alle Ehre. Eingebettet im Stadtkern von Lindenberg sticht sie schon von weitem hervor. Erbaut wurde die Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein architektonisches Meisterwerk, wie ich finde.

Jetzt wird es Zeit, mir noch etwas Abkühlung zu verschaffen. Ich bin fast wieder am Startpunkt angekommen. Den gebührenden Abschluss meiner ereignisreichen Tour bildet ein Besuch der Scheidegger Wasserfälle. Bei der Eingangspforte komme ich mit einer Mitarbeiterin ins Gespräch. Vier Euro fünfzig kostet der Eintritt. Ein wirklich annehmbarer Preis für das, was in diesem „Wasserpark“ geboten wird. Sie beklagt sich aber darüber, dass viele Leute sich darüber beschweren, dass dieses Naturschauspiel Eintritt kostet und dementsprechend wieder umkehren. So eine liebevoll gepflegte Anlage verursacht jede Menge Kosten und ich kann manche Leute nicht verstehen, warum sie das nicht mit einem kleinen Obulus unterstützen.

Die Scheidegger Wasserfälle werden vom Rickenbach gespeist. Die Fallhöhe liegt beim ersten großen Wasserfall bei 20 Meter, beim zweiten bei 18 Meter. Beide Wasserfälle sind durch steile Treppen direkt von vorne zu besichtigen. Ich dachte eigentlich an Abkühlung, komme aber beim Hinab- und wieder Hinaufsteigen ganz schön ins Schwitzen, schließlich habe ich ja auch noch die Motorradklamotten an. Etwas kühler wird es beim dritten, dem kleinen Wasserfall. Der Ort ist schön durch das Laubwerk der Bäume beschattet. Am Ende eines kurzen Panoramaweges blicke ich auf die beiden großen Wasserfälle. Ich setze mich auf eine im Schatten stehende Holzbank und gucke noch eine Weile dem imposanten Naturschauspiel zu.

Meine Tour ist hier zu Ende und ich freue mich, gleich wieder im Hotel zu sein und einen kühlenden Wasserfall unter der Dusche zu simulieren. 

Daten zur Tour:

  • Länge: 215 Kilometer
  • Kalkulierte Fahrtzeit ohne Pausen und Besichtigungen: 3,5 Stunden
  • Calimoto-Kurvenlevel: 51
  • Tankstellen & Infra­struktur: Sehr gut. Kioske und 
  • Wirtshäuser: gibt es jede Menge
  • Anzahl der Seen: nicht gezählt
  • Empfohlene Reisezeit: Mai bis September
Ausgangspunkt der Tour: Hotel Bergblick
Ausgangspunkt der Tour: Hotel Bergblick

Übernachtungstipp:

Hotel Bergblick, Am Brunnenbühl 12, 88175 Scheidegg. Telefon: 08381-7291, Website: www.gaestehaus-bergblick.de 

Familiär geführtes Motorradhotel mit Top-Service in Sachen Motorrad & Erholung; moho-klassifiziert mit 4 Helmen; Übernachtung mit reichhaltigem Frühstück; keine Halbpension möglich, aber hervorragende Speiselokale in fußläufiger Nähe; Getränkeautomat vor Ort; Garage für Motorräder, abschließbar; moho-Tourenkarte inklusive Merchandising bei Buchung über moho (www.moho.info).