aus bma 7/12
von Felix Hasselbrink  (www.motalia.de)

Moto-Guzzi-V7-Racer_2012Seit 1977 bietet Moto Guzzi eine Baureihe mit kleineren V2-Motoren an. Der Aufbau ist ähnlich wie bei den großen Modellen mit luftgekühltem Motor, separatem Getriebe und rechtsseitigem Kardanantrieb zum Hinterrad, trotzdem gibt es technisch ein paar interessante Unterschiede. Früher existierten verschiedene Modelle mit 350, 500 und 650 Kubikzentimetern, seit ein paar Jahren wird die kleine Baureihe durch die Typen V7 und Nevada 750 vertreten. Für das Jahr 2012 hat man in Mandello del Lario den kleinen Motor und die V7-Typen kräftig überarbeitet. Kernpunkt der Überarbeitung war der Motor, der ja nun seit 1977 fast unverändert gebaut wird, während es bei den großen Guzzis im Laufe der Jahre mehrere Evolutionsstufen gegeben hat.

Jetzt haben sich die Ingenieure den Small Block vorgeknöpft und so 70 Prozent aller Komponenten – also über 200 Teile – neu konstruiert und überarbeitet. Diese Konstruktion aus den siebziger Jahren zeichnet sich gegenüber den großen Modellen durch ein horizontal teilbares Motorgehäuse und Zylinderköpfe nach dem Heron-Prinzip aus. Hier befinden sich die Brennräume in den Kolben, die Zylinderköpfe sind völlig plan. Die zwei Ventile pro Seite stehen parallel zueinander in Verlängerung der Zylinderlaufbahn. Und genau hier setzen die wichtigsten Modifikationen der neuen Generation an.

Das Heron-Prinzip wurde zwar beibehalten, aber auf der Suche nach mehr Leistung und Drehmoment schufen die Entwickler neue Kolben mit anders geformten Brennräumen, veränderten die Quetschkanten für eine bessere Verwirbelung des Gemischs und erhöhten die Verdichtung von 9,2:1 auf 10,2:1. Komplett neue Zylinderköpfe mit größerer Verrippung sorgen für bessere Kühlung und ein freieres Durchatmen des Motors, denn die Einlass- und Auslass­kanäle erhielten eine strömungsgünstigere Gestaltung. Eine kleinere Zündkerze als bisher konnte zentraler im Kopf positioniert werden, was die Entflammung und Verbrennung des Gemischs optimiert. Darüber hinausgehend wurde die komplette Ansaugseite völlig neu gestaltet. Eine zentrale Drosselklappe mit integriertem Motormanagement versorgt nun über einen langen, ypsilonförmigen Ansaugstutzen die Brennräume mit dem zündfähigen Gemisch. Diese Anordnung soll das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen anheben. Zu den Neuerungen gehören zwei Lambdasonden, für jeden Zylinder eine, welche nun die Motorelektronik mit Informationen versorgen. Damit will Moto Guzzi unter anderem einen geringeren Verbrauch sowie eine bessere Gasannahme erreichen. Die Schadstoffwerte sollen dank der diversen Änderungen und der effektiveren Verbrennung jetzt um zwölf Prozent geringer als bisher ausfallen. Damit dürfte der alte V2 gut gerüstet sein für künftige Emissionsvorschriften. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben war vielleicht auch der Hauptgrund für die Renovierung des bewährten Motors.

Moto Guzzi V7 SpezialDer Leistungszuwachs fiel angesichts der kompletten Neugestaltung von Zylindern und Köpfen mit zwei PS überschaubar aus. Dafür verspricht Guzzi bereits bei niedrigen Drehzahlen ein deutlich höheres Drehmoment als beim Vorgängermodell. Der Maximalwert soll 60 Nm bei 2.800 U/min betragen. Die Höchstleistung von 50 PS liegt jetzt bei 6.200 U/min an. Doch bei dieser Drehzahl nervt der Twin mit deutlichen Vibrationen in Lenker und Fußrasten. Dank der Drehmomentsteigerung ist es jedoch nicht nötig, den Motor bis zum Letzten auszuwringen. Der Kraftzuwachs im unteren Bereich ist deutlich zu spüren. Bereits ab niedrigen Drehzahlen hängt der Motor sauber am Gas und lässt sich durchaus schaltfaul fahren. Man kommt auch flott vorwärts, aber ein paar PS mehr würden sicher Prestige und Verkaufserfolg erhöhen können. Die Konkurrenz erzielt aus dem gleichen Hubraum teilweise zwanzig zusätzliche Pferde.

Andersrum ist die V7 ein absolut stressfreies Motorrad, genau das Richtige, um das Hobby auf zwei Rädern entspannt zu genießen. Die kleine Guzzi bietet unkomplizierten Fahrspaß, beherrschbare Leistung und kein unberechenbares Verhalten.

Die Kraftübertragung erfolgt über Trockenkupplung und Fünfganggetriebe. Dieses erhielt einen neuen Schaltautomaten und lässt sich nun butterweich betätigen. Der Endantrieb verfügt über keine Momentabstützung, so wie sie mittlerweile bei fast allen großen Guzzi-Modellen zu finden ist. Dementsprechend macht sich der Kardan mit Lastwechselreaktionen beim Schalten bemerkbar.

Das Fahrwerk entspricht im Wesentlichen noch dem Urmodell der kleinen Baureihe. Das Rückgrat bildet ein Stahlrohrrahmen mit abschraubbaren Unterzügen für die leichtere Motordemontage. Die Vorderradführung übernimmt eine konventionelle Telegabel mit einem Standrohrdurchmesser von 40 Millimetern. Das Hinterrad wird von einer konventionellen, leichten Zweiarmschwinge aus Aluminium gehalten. Diese ist nicht im Rahmen sondern direkt im Getriebegehäuse gelagert. Das war 1977 eine sehr fortschrittliche Konstruktion, als fast alle Motorräder noch Stahlschwingen hatten.

Moto Guzzi V7 StoneDie kleinen Guzzis fahren sich dank der schmalen Bereifung sehr handlich. Das Vorderrad mit dem klassischen Durchmesser von 18 Zoll ist 100 Millimeter breit, der Pneu am Hinterrad fiel mit 130 Millimetern ebenfalls recht schmal aus, misst aber 17 Zoll im Durchmesser. Leichtfüßig und mit geringem Kraftaufwand durcheilt die V7 Kurvenkombinationen und gefällt mit gutem Einlenkverhalten. Moto Guzzi hat durch leichtere Felgen die Kreiselkräfte deutlich verringert, was der Handlichkeit zugute kommt. Nur das Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage ist etwas stärker ausgeprägt als bei ähnlichen Motorrädern. Vielleicht liegt das am größeren Durchmesser des Vorderrades oder an dem 90er-Querschnitt des Frontgummis.

Die Bremse selbst ist nicht schlecht und liefert ordentliche Verzögerungswerte. Dafür muss man aber kräftig zupacken. Anfänger und Wiedereinsteiger werden von dem Frontstopper nicht überfordert sein, und die Hinterradbremse liefert gute Unterstützungsarbeit. Ein ABS ist nicht lieferbar, bei dieser Auslegung der Bremsanlage aber auch nicht unbedingt erforderlich.

Eine neue Abstimmung erhielten die Federelemente. Diese sollen auch beim Betrieb mit zwei Personen und Gepäck ihre Aufgabe gut erfüllen können, so war die Vorgabe vom Werk. Ich persönlich fand die Stoßdämpfer hinten im Solobetrieb etwas zu straff.

Nachdem das Vorgängermodell einen Kunststofftank hatte, erhält der 2012er-Jahrgang ein Benzingefäß aus Stahl, dessen Volumen um fünf Liter auf nun 22 Liter anstieg. Damit sollen jetzt Reichweiten von fast 500 Kilometer möglich sein. Alle drei Motorräder, die ich gefahren bin, hatten eine unterschiedliche Gasannahme. Vielleicht lag es daran, dass es sich noch um Vorserienmodelle handelte. Mit einer exakten Einstellung der Gasbowdenzüge sollte das jedoch regelbar sein.

Moto Guzzi V7 RacerBei Moto Guzzi möchte man die aktuellen V7-Modelle gerne als komplett neue Motorräder verstanden wissen. Sehr viele Bauteile sind zwar neu oder überarbeitet, aber nüchtern betrachtet sind die neuen 750er eine Weiterentwicklung der kleinen Baureihe, die zwar seit 35 Jahren stetig verändert wurde, aber so Manches entspricht in groben Zügen immer noch dem Urmodell. So betrachtet sind die V7-Twins alles andere als Retro-Bikes, das sind keine neuen Maschinen, die auf alt machen, sondern das sind bodenständige Klassiker, über die Jahre gereift wie ein Wein.

2008 stellte Moto Guzzi die V7 Classic vor. Die 750er fand schnell Anklang unter den Motorradfahrern und erzielte auf Anhieb gute Verkaufszahlen. Also wurden auf Basis dieser Maschine weitere Modelle kreiert. Die V7-Baureihe für die kommende Saison umfaßt die Modelle V7 Stone, V7 Special und V7 Racer. Die Stone ist sozusagen das Einsteigermodell für 7.990 Euro. Als einzige der drei V7 verfügt sie über Gussräder, die aber sehr leicht sein sollen. Als Lackierungen stehen Weiß oder Mattschwarz zur Auswahl.

Die V7 Special ist leicht erkennbar an der Zweitonlackierung in Weiß/Rot oder Gelb/Schwarz. Außerdem rollt das Modell auf klassischen Drahtspeichenrädern mit polierten Alufelgen. Der Aufpreis gegenüber der Stone beträgt moderate 500 Euro, technisch sind die beiden Modelle identisch.

Den sportlicher orientierten Fahrer, der den Reiz des besonderen liebt, soll die V7 Racer ansprechen. Anstelle des halbhohen Lenkers sorgen flache Stummel und zurückverlegte Fußrasten für eine sportliche aber nicht extreme Sitzposition. Die minimale Cockpitverkleidung dient wohl mehr der Optik, als dass sie nennenswerten Windschutz bieten kann. Solositzbank und Bitubo-Stoßdämpfer mit Ausgleichsbehältern unterstreichen die Sportlichkeit. Dazu überzeugt die Optik im Stil klassischer Café Racer mit verchromtem Tank und gebürstetem Aluminium. Der rot lackierte Rahmen erinnert an die erste V7 Sport, die von den Fans Telaio Rosso genannt wird. Für die Maschine muss das Bankkonto um 9.690 Euro erleichtert werden.

Die V7 Racer wurde ursprünglich als Sondermodell vorgestellt, und bei Moto Guzzi hatten die Verantwortlichen gedacht, dass man vielleicht für ein paar hundert Exemplare dieses Modells Käufer finden würde. Doch die Maschine verkauft sich viel besser als erwartet. Mittlerweile wurden knapp 1.500 Racer mit dem verchromten Tank produziert. Dazu kommen noch einmal um die 700 Stück mit schwarzem Tank für den amerikanischen Markt. Für die V7-Baureihe bietet Moto Guzzi ein umfangreiches Zubehörprogramm an.