aus bma 01/06

von Alfred de Groot

Moto Guzzi California 3Nach 20 Jahren motorradloser Zeit bekam ich 1994 ein Wochenende mit einer Harley geschenkt. Nun hatte ich wieder Blut geleckt und wollte unbedingt wieder Motorrad fahren. Angetan vom Harley-Wochenende sollte die neue eine Harley sein. Nach eingehenden Studium der Neu- und Gebrauchtpreise für eine Harley kam ich schnell auf den Boden der Realität zurück. Bei der Suche nach einer Alternative fiel die Wahl auf Moto Guzzi. Ich sah mich auf dem Motorradmarkt um und wurde in Bremerhaven fündig. Da stand sie nun, noch unter einem weißen Bettlaken verhüllt. Meine neue Geliebte, eine schwarze Moto Guzzi Cali 3. Es war Liebe auf dem ersten Blick. Sie hatte 28000 km gelaufen, hatte einen Vorbesitzer, der mit ihr seine Hochzeitsreise unternommen hatte. Auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause lernte ich ihr Italienisches Temperament kennen und lieben.
In der folgenden Zeit unternahmen wir schöne Touren in der näheren Umgebung. Als ich mir sicher war, daß sie sehr zuverlässig war, unternahm ich auch die ersten Reisen mit ihr. Wir fuhren zu verschieden Motorradtreffen. Auf dem Weg zu einem Treffen in Holland passierte es dann, ein lauter Knall und sehr lautes Bollern zwang mich zum anhalten. Zuerst dachte ich, daß die Zylinderkopfdichtung durchgebrannt war. Nach Begutachtung des Schadens stellte ich fest, daß sie bei einer Fehlzündung den rechten Vergaser weggehustet hatte. Das gleiche Problem hatte ich trotz neuer Ansauggummis und festangezogener Schelle ein Jahr später noch einmal. Dann erfolgte eine Zeit, ohne daß etwas kaputt ging. Ich machte bei ihr die regelmäßigen Wartungsarbeiten wie Öl-, Kerzen-. Luftfilter-, Bremsbelagswechsel, ab und an einen neuen Reifen. Nachdem wir nun schon drei Jahre zusammen waren, und die vordere Sitzbank durchgescheuert war, bekam sie zu Weihnachten einen neuen Sitzbankbezug.

 

Moto Guzzi California 3Im folgenden Sommer stand eine wunderschöne Reise nach Norwegen/Schweden bevor. Deshalb bekam sie eine neue Batterie und neue Benzinschläuche. Es war Ende August, die Ferienzeit war vorbei, und wir hatten, was ja selten ist in Norwegen, sehr schönes Wetter. Auf kleinen Nebenstrecken, die zumeist aus Schotterpisten bestanden, hatte ich mit der Guzzi keine Probleme. Sie zog einsam ihre Spur und war gut zu lenken. Über 5.000 km durch Norwegen und Schweden hat sie mich klaglos und zuverlässig begleitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie 60.000 km gelaufen, und ich war sehr zufrieden. Als ich eines Tages von einem Motorradtreffen nach Hause fuhr passierte etwas Gravierendes. Ein Kugellager der Getriebehauptwelle zerbrach und dadurch tropfte der Simmerring des Getriebes, ich hatte in kürzester Zeit einen riesigen Ölfleck unter meiner Guzzi. Das Glück im Unglück war, daß es 200 Meter vor ihrer Garage passierte, und ich sie den Rest des Weges schieben konnte. Nun hieß es Motor und Getriebe ausbauen zum Reparieren. Das Ausbauen des Motors mit Getriebe ist für Schrauber, die ein Schlosserhandwerk gelernt haben, kein Problem. Beim Zerlegen des Getriebes braucht man allerdings Spezialwerkzeug. Da dies alles zum Saisonende passierte, brauchte ich auf keine Ausfahrt verzichten. Die neue Saison bekann nach erfolgreicher Reparatur mit verschiedenen Motorradtreffen und als Höhepunkt sollte meine Geliebte ihre Heimat Italien wiedersehen. In Italien angekommen hatte ich den Eindruck, daß sich die jüngeren Leute nicht so für Moto Guzzi interessieren. Die ältere Generation konnte sich dagegen mehr begeistern. Nach einer Woche Kurven- und Bergfahren in den Dolomiten wurde meine Nachlässigkeit in Sachen Bremsflüssigkeit bestraft. Die Bremsflüssigkeit der Guzzi wurde wahrscheinlich noch nie gewechselt, deshalb hatte sie viel Wasser aufgenommen, und die Bremsen funktionierten nicht mehr. Der Austausch der Bremsflüssigkeit bewirkte Wunder. Auf den Rückweg von Italien zeigte ich meiner Geliebten noch das Oltimerrennen in Schotten. Meine Guzzi hat mittlerweile 80.000 km runter, und ich mußte vor kurzem das Kupplungsseil ersetzen. Sie verbraucht so gut wie kein Öl, ca.1/2 Liter auf 3000 km. Die Zylinderkopfdichtung schwitzt ein bißchen, aber sonst bin ich glücklich mit ihr. Von Umbauarbeiten habe ich abgesehen, da ich der Ansicht bin, daß sie so, wie sie aus dem Werk kam, perfekt ist.
Fazit: Die Moto Guzzi Cali 3 ist ein ideales Reisemotorrad. Der Urlaub beginnt schon auf der Garagenausfahrt. Man sieht ihr nicht an, daß sie auch sehr zügig in Kurven unterwegs sein kann. Mancher Verfolger hat vergeblich versucht uns auf flotten Paßstraßen zu überholen. Für schnelle Autobahnetappen ist sie nicht geeignet, schon eher für lange. Bei einem Verbrauch von 5,2 Litern reicht der Tankinhalt von 24 Litern ca. 400 km. Hinter der leicht getönten Scheibe sitzt man praktisch bis 120 km/h windstill. An heißen Sommertagen wünscht man sich allerdingst keine Scheibe. Ihre Paradedisziplin bleibt jedoch zügiges Gleiten über die Landstraße, ob mit Gepäck oder ohne. Das Gepäck läßt sich gut im Koffer unterbringen. Ein letzter Tip noch: Wenn man die Guzzi wäscht und putzt, sollte man auf losgerüttelte Schrauben achten. So, Leute jetzt muß ich Schluß machen, meine Geliebte ruft, ich habe ihr versprochen, noch eine kleine Tour zu machen.