aus Kradblatt 6/15 von Hermann Folke
Moto Guzzi California II – Erinnerungen an eine abgerauchte Zündung
In den unendlichen Weiten meines Computers stoße ich auf dieses vor mehr als einundeinhalb Jahrzehnten niedergeschriebene Urlaubserlebnis. Nie ausgedruckt, geriet die Datei dann in Vergessenheit. Aber ich finde die Geschichte auch heute nach Wiederauffinden immer noch interessant. Vielleicht ihr ja auch …
Zurück ins Jahr 1998:
Urlaub. Endlich Urlaub! Ganze drei Wochen liegen vor uns, und die Wochenenden dazu. Als Reiseziel haben wir den westlichen Teil Südtirols im Auge (im übertragenen Sinne natürlich, nicht wirklich), genau gesagt: Sankt Leonhardt/Passer. Motorradfahren kreuz und quer durch Südtirol und wandern in den Alpen, so haben wir Drei es geplant. Wir, das sind Waltraut, meine Vollzeit-Angetraute und Teilzeit-Sozia, Torsten, mein Bruder mit Yamaha 600 Diversion, und ich mit Moto Guzzi California II. Das Wandern ist selbstverständlich ein Zugeständnis an meine Frau, damit sie mitmacht. Aber es kommt immer anders als man denkt …
Waltraut ist mit der Bahn von Oldenburg nach Utting am Ammersee vorausgefahren. Sie will sich mit Bekannten treffen, die sie während ihrer Kur vor zwei Jahren kennengelernt hat und die sie ganz geheimnisvoll ihre „Kurschatten“ nennt. Torsten und ich düsen am nächsten Tag mit unseren Mopeds hinterher. Aber das „Düsen“ stellt sich ganz schnell als Schleichen heraus. Nach unserer Routenplanung wollten wir kein Stückchen Autobahn fahren. Landstraße pur sollte es sein und nur, wenn nicht vermeidbar, auch mal eine Bundesstraße. Ortschaften, Ampeln, voll beladene Lkws, Baustellen und so manche Umleitung machen uns das Leben schwer und den Schnitt kaputt. Nach zwei anstrengenden Tagen und unzähligen Überholmanövern kommen wir zwar unbeschadet von anderen Verkehrsteilnehmern, aber nicht vom Regen, in Utting am Ammersee an.
Meine Frau ist nicht da, wo ich sie anzutreffen gehofft habe. Während Torsten und ich noch überlegen, was wir jetzt tun, kommt einer ihrer „Kurschatten“ mit seinem Opel Corsa angeschlichen. Er erkennt uns, dreht sofort um, und nach wenigen Minuten steigt meine Frau ganz aufgedreht aus demselben Corsa aus, um uns mitzuteilen, dass alle „Kurschatten“ bei einem Dorffest in der Gemeinschaftshalle des Dorfes seien. Es sei der Bär los, und wir sollten schleunigst dorthin kommen, um nichts zu versäumen. Also ziehen wir in aller Eile Räuberzivil an, zwängen uns in den Corsa und gehen mit auf Schleichfahrt. Als wir in der Festhalle Platz nehmen, werden gerade Reisen nach Südtirol amerikanisch versteigert. Zu dumm, dass wir schon gebucht haben …
Vor die Sonne hat jemand die Alpen gestellt. Also müssen wir am nächsten Tag durch sie hindurch. Glücklicherweise gibt es ja Pässe und Jochs. So überwinden wir zunächst den Fernpass. Den langen Tunnel bei Leermoos umgehen wir, indem wir durch das idyllische Dörfchen Biberwier fahren. Direkt hinterm Tunnel treffen wir wieder auf die Hauptstrecke. In Österreich haben wir zunächst Schwierigkeiten, den Weg nach Imst zu finden. Anscheinend sind wir nicht die einzigen Herumirrenden, denn direkt hinter uns hält ein Paar mit seiner BMW und schaut ebenfalls intensiv in die Karte. Wir entschließen uns, einfach unserer Nase nach zu fahren und den nächsten Wegweisern besondere Bedeutung beizumessen.
Mit Ausdauer und vielleicht auch Glück finden wir schließlich den Eingang zum Ötztal. Auf einer Tafel ist zu lesen: „Timmelsjoch offen“. Also hin. In Hintergurgl machen wir auf dem Parkplatz eines Hotels eine kurze Pause. Sonne!!! Nach zweieinhalb Tagen Kälte und etlichen Stunden Nieselregen endlich wärmende Sonne! Wir sitzen eine Zeitlang auf einer Bank und genießen die wohlige Wärme als Vorgeschmack auf das milde Klima im Süden.
Voll beladen mit Gepäck erklimmen wir die Kehren des über 2.500 m hoch gelegenen Timmelsjochs. Bitterkalt wird es hier. An den Straßenrändern liegen noch Schneereste. Oben angekommen, machen wir eine kurze Verschnauf- und Fotopause. Schließlich sehen wir als Nordlichter nie Schnee im Juli, jedenfalls nicht in all den vergangenen Jahren, an die ich mich erinnern kann. Meine Frau mault mich an, weil ihr die Lage meines Mopeds manchmal etwas zu schräg erscheint. Nach Entrichten der Maut-Gebühr auf österreichischer Seite stürzen wir uns hinab in Richtung Italien. Jede Menge Kurven und Kehren. Herrlich! Ich genieße es – trotz Gepäck und Ehefrau, die mir ab und zu in die Rippen stößt. Moos, St. Leonhardt … wir sind am Ziel. Nein, nicht so ganz; denn wir haben den Ortsplan vergessen und fahren auch prompt an unserer Pension vorbei. In der Touristinformation erfragen wir den richtigen Weg. Nach freundlicher Auskunft sowie einigen Kurven und Steigungen schalten wir die Motoren auf dem Parkplatz vor unserer Pension ab. Von der Terrasse aus haben wir einen herrlichen Blick über das Passeiertal, fast bis Meran. An diesem schönen Ort werden wir es bestimmt aushalten. Nach dem Verstauen des Gepäcks gönnen wir uns in Ruhe – und endlich auch in kurzen Hosen – ein frisches kühles Forst Bier.
Der nächste Tag ist motorradfrei. Da sind wir uns einig. Programm: Erforschen der näheren Umgebung, Anzapfen der dortigen Geldquellen mittels überall herumstehender Geldautomaten und ein Ausflug nach Meran. Mehr tun wir uns nicht an. Der Bus zwischen St. Leonhardt und Meran verkehrt halbstündlich und sehr preiswert. Es ist richtig heiß. Die Umstellung zwischen der Kälte der letzten Tage und dem mediterranen Klima ist recht krass. Deshalb spazieren wir in Meran nur etwas herum und genießen einen Eisbecher auf der Terrasse des Kurhotels. Wir treffen Bruno, einen Italiener im fortgeschrittenen Rentenalter. Oder besser: Er trifft uns, als wir uns gegenseitig fotografieren und bietet uns an, ein Foto gemeinsam von uns Dreien zu machen. Anschließend versucht er in hervorragendem Deutsch und einem nicht enden wollendem Redeschwall, gute Christen aus uns zu machen. Nach vielen vergeblichen Versuchen, seinen unermüdlichen Redeschwall durch höfliches „Ja, aber …“ zu stoppen, suchen wir entnervt das Weite. Für heute reicht’s. Zurück nach St. Leonhardt und erst einmal richtig erholen.
Die nächsten Tage gestalten wir abwechslungsreich. An einem Tag wird gewandert, am anderen eine Mopedtour gemacht. So lernen wir die nähere Umgebung kennen, wie Pfandlerhof, Pfandleralm, Seebersee, Seeberalm; Wannsertal, Jägersteig, Sailertal, Seeberglsee, St. Martin, Saltaus und anderes, aber auch die weitere Umgebung, wie Jaufenpass, Ridnauntal, Sterzing, Gampenpass, Mendelpass, Kalterer See, Bozen und Meran. Mir persönlich gefallen die Tage mit den Mopedtouren besser.
Und dann am Sonntagmittag passiert’s! Torsten und ich fahren von unserer Pension aus nochmals den Jaufenpass hinauf, weil wir ins Pustertal und ins Alta Badia wollen. An meiner California II fällt etwa 500 m unterhalb der Passhöhe plötzlich auf einem Topf die Zündung aus. Nun, das ist nicht weiter problematisch. Habe ja zwei Töpfe und derartige Ausfälle in der Vergangenheit noch immer in den Griff gekriegt. Deshalb versuche ich, nicht weiter beunruhigt, mit langsamer Fahrt den Parkplatz auf der Passhöhe zu erreichen. Fast dort angelangt, gibt es einen Knall wie den Schuss aus einer Elefantenbüchse, und das Motorgeräusch meiner California II erstirbt. Torsten hält neben mir und schwärmt: „Boooo eh, Flammen aus beiden Schalldämpfern. Wie hast’n das gemacht?“ Das Publikum auf dem Parkplatz schaut mein Moped und mich erwartungsvoll an. Unter den neugierigen Blicken fühle ich mich etwas unsicher und fange erst einmal an zu schrauben. Das macht sich gut und vermittelt den Eindruck von fachlicher Kompetenz. Zündkerzen wechseln, Steckverbindungen überprüfen, deren einwandfreie Funktion für den Zündvorgang unentbehrlich ist, usw. Ein Fahrer eines Mopeds anderer Marke tröstet mich wissend, aber auch etwas spöttisch: „Eine Moto Guzzi geht nicht kaputt, die bleibt nur steh’n.“ Neben Spott, Trost und gutem Rat bekomme ich jedoch auch wirkliche Hilfe und passende Zündkerzen angeboten. Nach mehreren vergeblichen Startversuchen stehe ich inmitten eines Berges von Werkzeugen und mitgebrachter Verschleißteile neben meiner California II und kratze mich gerade am Kopf, als Torsten schreit: „Achtung! Sie qualmt!“ An beiden Seiten des Tanks kräuseln Rauchschwaden hervor. Dalli! Dalli! Ich werde Weltmeister im Demontieren von Tankrucksack und Tank. Zu groß ist die Angst, meine California II könne abbrennen. Nach der Demontage vorgenannter Teile ist auch für den Laien klar zu sehen, zu hören und auch zu riechen, dass das unter dem Tank am Rahmenzug angebrachte Steuergerät der elektronischen Zündanlage, die ich vor fünf Monaten anstelle der serienmäßigen Kontaktzündung installieren ließ, zischelnd vor sich hin schmort. Ich klemme das Teil ab und schwinge mich mit Torsten auf seine Yamaha, um beim Moto Guzzi Vertragshändler, den wir auf einer unserer letzten Touren mehr zufällig in Sterzing ausgemacht haben, passenden Ersatz zu besorgen.
Ungefähr zwei Kilometer vor Sterzing: Vollbremsung und mit der flachen Hand vor den Helm geklatscht: Sonntag! Es ist Sonntag! Da hat jedes Geschäft geschlossen. Also heißt es umdrehen und wieder rauf auf den Pass. Oben angekommen, stelle ich fest, dass die California II sogar in nicht fahrbereitem Zustand noch Zuschauer in ihren Bann zieht. Erst muss ich Neugierige zur Seite scheuchen, bevor ich an mein Moped ran kann. Ich lasse unsere Anfahrt von St. Leonhardt zur Passhöhe geistig Revue passieren und frage vorsorglich Torsten: „Wir sind den Jaufenpass doch nur bergauf gefahren, richtig?“ Als er bestätigt, überlege ich nicht lange. Das Lenkerschloss wird entriegelt und die Maschine in Position gebracht. Ohne Motorkraft geht es nun knapp zwanzig Kilometer bergab bis St. Leonhardt. Zunächst ist diese Art, Motorrad zu fahren, recht gewöhnungsbedürftig, vor allem sehr viel leiser. Und doch: Die Straßenlage und das Bremsverhalten sind wie gewohnt. Im Verlaufe der Fahrt werde ich mutig, schalte die Warnblinkanlage ab und überhole übermütig Pkw. Torsten klebt direkt an mir dran. Am Ortsschild von St. Leonhardt wünsche ich mir sehnlichst, keinen Gegenverkehr zu haben, um mit viel Schwung links abbiegen und den kleinen Hügel überwinden zu können, der mich vom Parkplatz unserer Pension trennt. Irgendwer hat etwas gegen mich, denn mein Vorhaben wird sofort durch nur einen einzigen entgegenkommenden Pkw zunichte gemacht. Die California II lasse ich den Hügel soweit hinaufrollen, wie es geht. Dann muss ich sie abstellen. Torsten und ich allein schaffen es nicht, das über 300 kg schwere Moped die starke Steigung hinaufzuschieben. Wir holen Waltraut zu Hilfe und versuchen es zu Dritt. Bei über 30° C im Schatten, mit letzter Kraft und heraushängenden Zungen, auf die wir fast drauftreten, bringen wir die California II vor unserer Pension in Ruhestellung. Jetzt erst mal ein Bier. Es verdunstet schon, während wir es noch trinken.
Klare Sache: Garantiefall. Am Montag telefoniere ich mit meiner heimischen Werkstatt, man möge mir ein Steuergerät zum Austausch schicken. Im Verlaufe des nächsten Tages erfahre ich, dass das leider nicht möglich ist, weil es dort vergriffen und über den Importeur kurzfristig nicht beschaffbar sei. Ich breche seelisch fast zusammen. Urlaub ade! Pässe ade! Man gibt mir den Rat, die Maschine von der elektronischen Zündung auf die serienmäßige Kontaktzündung zurückbauen zu lassen. An diese Möglichkeit als allerletzte Lösung hatte ich auch bereits gedacht. Also rufe ich meinen Automobilclub an, schildere die Situation, und man ordert für Mittwochmorgen einen Abschleppdienst. Noch einmal geht die California II auf die Reise über den Jaufenpass. Wieder ohne eigene Motorkraft auf der Ladefläche eines Abschleppwagens bis in die Motorradwerkstatt nach Sterzing. Ich darf als Beifahrer zusteigen, um für den anstehenden Umbau alles zu regeln. Obwohl ich meine California II am Vortag telefonisch in der Moto Guzzi Vertragswerkstatt angemeldet habe, ist man über ihr und mein Erscheinen offensichtlich nicht sehr erfreut. Und dann holt der Werkstattinhaber zum Keulenhieb aus: Er habe in der EDV im Ersatzteilkatalog nachgeschaut. Die Zündkontakte und Kondensatoren als Verschleißteile könne man ja besorgen, kein Problem. Aber die serienmäßige Grundplatte im Verteiler, auf der die Kontakte montiert sind, sei nur in Verbindung mit einem kompletten Verteiler erhältlich, nicht einzeln. Das muss ein Witz sein! Die Grundplatte ist nicht mehr als ein rundes Blech mit Gewindebohrungen für die Montage der Kontakte drin! Ich verstehe die Welt nicht mehr. Man gebe mir eine Grundplatte als Muster, eine Blechdose und eine Blechschere. Dann stelle ich das Teil selbst her. Aber es kommt noch dicker: Der Verteiler kostet rund 500.000 Lire zuzüglich Einbaukosten und würde, wenn man ihn sofort bestellt, in 10 bis 14 Tagen eintreffen. Ich bin plötzlich ganz ruhig. Weiß später nicht mehr, woher ich in diesem Augenblick die Kraft nehme. Vielleicht ist es die pure Verzweiflung. Auftrumpfend und mit klarem Blick direkt in die Augen meines Gegenübers höre ich mich sagen: „Bitte unternehmen Sie nichts. In drei Werktagen haben Sie alle für den Umbau erforderlichen Teile.“ Der Blick des Werkstattinhabers wechselt schlagartig auf mitleidig. Er schweigt höflich, aber seine Augen und der halboffene Mund rufen laut: „Unmöglich!“
Zurück in unserer Pension informiere ich meine Werkstatt und meinem Automobilclub über die aktuelle Situation. Beide reagieren sofort und organisieren den Teileversand an die italienische Werkstatt. Ich gehe in Ermangelung eines fahrbaren Untersatzes jetzt täglich mit Waltraut und Torsten wandern. Offensichtlich hat Torsten keine Lust, allein durch die Gegend zu fahren. Zwischendurch telefoniere ich von unserer Pension aus mehrmals nervös mit Werkstatt und Automobilclub, um nachzuhaken, ob auch wirklich alles getan werde. Ich mache mir Sorgen, ob wir rechtzeitig zum Arbeitsbeginn wieder zu Hause sein würden. Man versichert mir wieder und wieder, dass die Teile am Donnerstagmorgen per Päckchen und per Express auf die Reise gegangen seien und man vom Paketdienst die feste Zusage habe, das Päckchen sei spätestens am Montag in der Werkstatt in Sterzing.
Montagmorgen. Aufgewühlt greife ich zum Hörer. Der italienische Werkstattinhaber bewahrt Haltung, brüllt mich nicht an ob meiner zahlreichen Anrufe und Nachfragen und erklärt mir zum wiederholten Male ruhig und sachlich, die Teile seien zwar immer noch nicht eingetroffen, aber man werde sofort nach deren Eingang mit der Umrüstung beginnen. Als ich am späten Montagnachmittag nochmals anrufe, habe ich ein extrem schlechtes Gewissen, weil meine häufigen Anrufe schon an Telefonterror grenzen. Ich stelle mich auf erneut tröstende Worte meines Gesprächspartners ein, als dieser mir freundlich mitteilt: „Das Päckchen ist um 15:30 Uhr geliefert worden. Wir fangen sofort an.“ Diese zwei kurzen Sätze spricht er mit einem nicht zu überhörenden Unterton der Hochachtung aus. Der sofortige Reparaturbeginn unterstützt diesen Eindruck, hatte er mir doch vor wenigen Tagen zu verstehen gegeben: „Und wenn die bestellten Teile dann geliefert sind, dann dauert’s halt noch mit dem Einbau … Wir sind zurzeit gut ausgelastet … Es ist Saison …“ Egal. Ich bin froh, dass alles geklappt hat, dass der Umbau schnellstens vorgenommen und meine California II endlich wieder vor sich hin grummeln wird. Außerdem habe ich die letzten Tage genug Wanderungen gemacht. Das reicht erst einmal.
Wir verlängern unseren Pensionsaufenthalt um zwei Nächte. Nachdem wir die California II am Dienstagvormittag zum Erstaunen des Werkstattinhabers auch ohne kompletten Austausch des Verteilers und zu meinem Erstaunen unter Entgegennahme einer satten Reparaturrechnung in Empfang nehmen, machen wir eine schöne Tagestour als Probefahrt. Nochmals geht es den Gampenpass und Mendelpass hinauf und hinab. Sehr schnell vergessen sind der Stress der letzten Tage und die Reparaturrechnung. Auf der Rückfahrt nach St. Leonhardt wählen wir eine Route durch das wunderschöne Sarntal, über das Penserjoch und – selbstverständlich als Krönung des Ganzen – über den Jaufenpass. Aber dieses Mal bezwingen meine California II und ich ihn mit eigener Kraft … Bella Macchina!
Nach zwei weiteren Tagen wieder daheim, stelle ich mich auf langwierigen Schriftverkehr und Ärger mit dem deutschen Importeur der in Amerika produzierten Zündanlage wegen des Garantiefalles, der Lieferschwierigkeiten und des zwangsläufig daraus resultierenden Umbaus der Zündanlage ein. Meine heimische Werkstatt gibt mir die Adresse, will aber ansonsten nichts damit zu tun haben. Langes, ausführliches Schreiben am PC vorbereitet und verschickt, alle Belege über fast 1100 DM Mehrkosten beigefügt. Kopien an Automobilclub und heimische Werkstatt zur Kenntnis. Und jetzt heißt es warten und schon mal das Messer schleifen. Woher nehme ich ohne AdvoCard einen fähigen Advokaten? Was wird der noch wieder kosten? Unnötige Gedanken, denn plötzlich klappt alles wie in der Schlusssequenz eines guten amerikanischen Films, in der alle Filmfiguren sich anlächeln und schulterklopfend in den Armen liegen. Mein Automobilclub erkennt einen Teil meiner Ansprüche vertraglich an und fordert lediglich noch die Originalbelege nach. Aber noch vor Erhalt dieser Zusage ruft der Importeur der elektronischen Zündanlage an, entschuldigt sich für den Ärger, der aus ihrem Versagen erwuchs, und erklärt erst mündlich und anschließend schriftlich, alle meine Forderungen begleichen zu wollen, vorbehaltlich einer von mir abzugebenden Erklärung. Ich bin platt. Eine Woche nach Unterzeichnung der Erklärung liegt in meiner Werkstatt eine komplette, nagelneue Dyna III Zündanlage zum Austausch bereit, und die Entschädigung ist ohne Abzüge auf meinem Konto. Das ist alles viel zu einfach! Ich musste mich im Leben an ständigen Kampf gewöhnen und jetzt erreiche ich das Ziel ohne Gegenwehr? Am Ende freue ich mich jedoch über den guten Ausgang dieser Angelegenheit.
Zurück ins Jahr 2015:
Beim Lesen des alten Urlaubsberichtes wird mir bewusst, was sich seitdem alles verändert hat. Man kann heute billiger fliegen als regulär mit der Bahn zum Ammersee fahren, den Eingang zum Ötztal und unsere Pension in St. Leonhardt hätten wir heute mit einem Navigationsgerät spielend gefunden, die Deutsche Mark und Italienische Lire gibt es auch schon lange nicht mehr und mit einem Mobiltelefon hätte ich den Inhaber der Motorradwerkstatt in Sterzing von überall, viel öfter und besser terrorisieren können. Schnee im Sommer durfte ich auf meinen zahlreichen Reisen inzwischen öfters erleben, zweimal sogar in den Rocky Mountains. Und mit meiner gegenwärtigen Einstellung zum Motorradfahren würde ich mir heute auch ein Ersatzmotorrad ohne Moto Guzzi Emblem am Tank anmieten, was mir damals undenkbar erschien. Damals bin ich sogar lieber gewandert …
Meine Moto Guzzi California II, Erstzulassung im Mai 1987, fahre ich als erster und einziger eingetragener Halter im Kfz-Brief immer noch. Seit 2004 ist eine weitere Moto Guzzi, eine gebrauchte 1000 S, hinzugekommen ist. Sie ist ebenfalls mit einer Dyna III Zündung ausgestattet. Wegen des Urlaubserlebnisses bin ich viele Jahre vorsorglich mit einer Zündverteilergrundplatte mit montierten Zündkontakten sowie mit Kondensatoren im Bordwerkzeug beider Maschinen herumgefahren. Als ich mich dann traute, die Teile zu Hause zu lassen, tourte ich anfangs mit einem etwas mulmigen Gefühl durch die Gegend. Mit den beiden Dyna III Zündanlagen gab es aber keinerlei Probleme mehr. Aus anderen Überlegungen heraus habe ich bei meiner California II inzwischen eine Silent Hektik Zündanlage installiert. Nun ist der Zündverteiler mit allen mechanischen und elektronischen Teilen ganz weg. Die Silent Hektik Zündanlage wird direkt auf die Lichtmaschine montiert, und der Verteiler wird nicht mehr benötigt. Dafür kamen im fortgeschrittenen Alter meiner California II dann die sonstigen unter Guzzi-Treibern bekannten Elektrikprobl
Infos zu Kontaktzündung und elektronischer Zündung:
Bei einer Moto Guzzi älteren Baujahrs mit V-Motor und Kontaktzündung wird beim Umbau auf eine elektronische Dyna III Zündung die serienmäßige Grundplatte im Verteiler samt den beiden darauf befindlichen Zündkontakten entfernt. Die beiden Kondensatoren, die außen am Verteiler montiert sind, werden einfach abgeklemmt oder ebenfalls entfernt. Anstelle der entfernten Grundplatte der Kontaktzündung wird die Kunststoffplatte von Dyna III mit zwei darauf montierten Nehmern in den Verteiler eingesetzt. Auf den rotierenden Verteilernocken, der normalerweise die Kontakte öffnet, wird ein elektronischer Geber aufgesetzt. Die so im Verteiler erzeugten Signale werden an ein Steuergerät weitergeleitet, das den Impuls verarbeitet. Alle anderen Teile der Zündanlage, wie Verteiler mit Fliehkraftregler, Zündspulen, Zündkerzen usw. bleiben unverändert. Vorteil der elektronischen Zündung: Man muss nicht ständig den Kontaktabstand korrigieren und den Zündzeitpunkt neu einstellen. Mit zunehmendem Abrieb/Abbrand der Zündkontakte verändert sich der Kontaktabstand und Zündzeitpunkt. Typische Verletzungsmerkmale eines Moto Guzzi Fahrers sind Brandmale an den Unterarmen, die er sich beim Einstellen des Zündzeitpunktes an den heißen Auspuffkrümmern zuzieht. Außer mir selbst kenne ich da noch so einige Gebrandmarkte. Aber darüber könnte ich eine andere Geschichte erzählen …
—
Kommentare