aus bma 2/13
von Felix Hasselbrink, www.motalia.de

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013Mit der California 1400 öffnet Moto Guzzi ein neues Kapitel in der Geschichte der Touringmodelle aus Mandello del Lario. 1971 lief am Comer See die erste California vom Band, diese hatte damals noch 750 Kubikzentimeter. In den letzten 40 Jahren gab es diverse Modelle mit der Bezeichnung California, der Hubraum wuchs von 750 über 850 und 1.000 auf schließlich 1.100 Kubikzentimeter. Insgesamt wurden mehr als 100.000 Californias in die ganze Welt exportiert, nachdem die ersten Maschinen noch dem amerikanischen Markt vorbehalten waren.

Im Styling orientiert sich die neue Guzzi ganz klar an den klassischen Vorbildern und übernimmt eigentlich aus fast jeder California-Generation ein paar Stilelemente und mixt neue dazu. Das Motorrad ist aber auf den ersten Blick als Moto Guzzi California zu erkennen, auch wenn es doch anders aussieht, als die bisherigen Tourendampfer vom Comer See. Die langen Schalldämpfer reichen bis zum Abschluss des Hinterrades. Auf dem mächtigen Heckkotflügel befinden sich in flacher LED-Technik das Rücklicht und die beiden Blinker.

Die neue California hat nun 1,4 Liter Hubraum – oder genauer gesagt 1.380 Kubikzentimeter. Das ist nicht nur der voluminöseste Motor, den Guzzi je produziert hat – nein, laut Angabe des Werkes soll es sich hierbei auch um den größten V2-Motorradmotor handeln, der jemals in Europa in Serie gebaut wurde. Damit ist die Cali der europäische Big-Twin schlechthin.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013 LeistungskurveViel Hubraum wird im Allgemeinen gleichgesetzt mit viel Drehmoment, und das kann die neue Guzzi bieten: 120 Newtonmeter sind schon ein ordentlicher Wert, besonders wenn man bedenkt, dass die Spitze des Drehmomentgipfels bereits bei 2.750 U/min anliegt – einer Drehzahl, die bei manchen Motorrädern fast schon Standgasniveau entspricht. Wer es wissen will, kann dem V-Motor aber auch die Sporen geben und bei 6.500 U/min 96 PS entlocken.

In den mächtigen Zylindern mit hohen, polierten Kappen über den Ventildeckeln stampfen dicke Kolben mit einem Durchmesser von 104 Millimetern auf und ab. Der Hub beträgt 81,2 Millimeter, entspricht also den bisherigen Vierventilmotoren. Eine Nockenwelle pro Zylinderkopf betätigt über Kipphebel vier Ventile, und je zwei Zündkerzen pro Brennraum sorgen für eine effektive Verbrennung des Gemisches. Für dessen richtige Zusammensetzung sorgt selbstverständlich eine elektronische Einspritzanlage. Wie schon bei der aktuellen V7-Reihe setzen die Techniker auf eine zentrale Drosselklappe unter dem Fahrersitz. Von hier führen zwei lange Ansaugwege mit einer Ausdehnungskammer zu den Zylindern. Diese Bauweise soll mit verantwortlich sein für das hohe Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen.

Die technischen Daten versprechen einen satten Durchzug aus niedrigsten Drehzahlen – und dieses Versprechen wird gehalten. Anfahren mit Standgasdrehzahl ist möglich, einfach nur gefühlvoll die Kupplung kommen lassen und das Dickschiff setzt sich in Bewegung. Egal, bei welcher Drehzahl man Gas gibt, die Fuhre schiebt ohne Drehmomentloch nach vorne. Die lineare Leistungsentfaltung sorgt für eine gute Beherrschbarkeit der Maschine.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013 CockpitDie neue California ist die erste Guzzi mit modernster Ride-by-Wire-Technik. Das bedeutet zum einen, dass die Drosselklappe nicht mehr per Bowdenzug betätigt wird, sondern die Motorelektronik mittels Stellmotor ihren Öffnungswinkel bestimmt. Und zum anderen ist es nun möglich, dem Guzzista verschiedene Leistungsmappings anzubieten. Das heißt, die Gasgriffbefehle des Fahrers werden je nach gewähltem Modus unterschiedlich umgesetzt. In ein paar Jahren wird diese Option wohl bei allen Motorrädern Usus sein, aber heute ist das noch erwähnenswert.

Die meisten Hersteller wählen die Bezeichnungen Race, Sport und Regen für die unterschiedlichen Kennfelder. Bei Moto Guzzi heißt das auf besser klingendem italienisch Turismo, Veloce und Pioggia, was übersetzt ungefähr Reise, Schnell und Regen bedeutet. Je nach den äußeren Umständen kann der Fahrer eine Leistungsentfaltung wählen, die zur aktuellen Situation passt – also direkte Umsetzung der Gasbefehle bei sportlicher Fahrweise oder eine sanftere Leistungsabgabe auf nasser oder rutschiger Fahrbahn, was mehr Sicherheit bedeutet.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013 SchaltwippeWas heißt das im wirklichen Fahrbetrieb? In der sanftesten Stufe wird selbst der blutigste Anfänger nicht vom Motor überfordert, und nasse Straßen verlieren einen Teil ihres Schreckens. Gleichzeitig verliert der Twin aber auch einen Teil seines Charakters. Dann doch lieber auf Turismo umschalten. Hier zeigt der Motor, was er kann, setzt die Gasgriffbefehle aber nicht ganz so spontan um. Für die meisten vermutlich die richtige Einstellung zum Reisen und Cruisen zu zweit. So kann man schön entspannt die Landschaft genießen. Wer die sportlichen Gene der California erwecken will, der ist mit dem Modus Veloce am besten bedient. Da hängt der mächtige V2 direkt am Gas und setzt die Befehle der rechten Hand spontan um. Über den gesamten Drehzahlbereich von 2.000 bis 7.000 U/min zeigt sich der Motor lebensfroh und dreht zügig bis in den Begrenzer. Man wundert sich, wie agil der Reisedampfer vorwärts stürmt. Wenn man will, kann man sogar im sechsten Gang mit 1.500 U/min und 50 km/h durch die Ortschaften rollen, das ist aber wirklich die Untergrenze. Fünfter Gang und 65 km/h bei 2.500 U/min sind da schon eher zu empfehlen, und dann einfach am Ortsausgang das Gas aufreißen und mit einem fetten Grinsen den Ritt auf der Drehmomentwelle genießen. Nur ist das bei der Cali gar keine Welle, sondern das Drehmomentdiagramm zeigt eher eine leicht abfallende Gerade.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013 TrittbrettschleiferDie Kraftübertragung übernimmt eine hydraulisch betätigte Einscheibenkupplung, welche sich zwischen Motor und angeflanschtem Getriebe befindet. Endlich hat auch die California-Baureihe ein Sechsgang-Getriebe erhalten. Das lässt sich deutlich besser betätigen, als die alte Schaltbox mit fünf Fahrstufen. Der sechste Gang ist für längere Reise­etappen drehzahlmindernd als Overdrive ausgelegt.
Auch wenn manche vielleicht beim Anblick des großen Kühlers vor dem Motor denken könnten, dass der 1.400er-Twin flüssigkeitsgekühlt sein könnte, dem ist nicht so. Das ist bloß ein großer Ölkühler mit elektrischem Lüfter, der für einen gesunden thermischen Haushalt sorgt.

Auch auf eine Traktionskontrolle verzichtet die neue Guzzi nicht. Die Marke aus Mandello del Lario gehört genauso wie Aprilia zum Piaggio-Konzern, und daher konnte man auf das Know How der dortigen Techniker zurückgreifen. Die Antischlupfregelung der California 1400 lässt sich in drei Stufen einstellen und funktioniert erwartungsgemäß prima, wie sich am Morgen der Pressepräsentation auf noch etwas feuchter Straße feststellen ließ. Na ja, so viel Drehmoment will beherrscht werden, und da kann der breite Hinterradreifen auf einem nassen Zebrastreifen schon mal den Gripp verlieren, das regelt dann die Elektronik.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013Die California 1400 verfügt über ein komplett neues Fahrwerk, welches ein paar Besonderheiten aufweist. Erstmals in der Geschichte der großen V-Twins aus Norditalien ist der Motor nicht direkt mit dem Rahmen verschraubt. Ein neues Aufhängungssystem soll die Vibrationen des hubraumstarken Twins reduzieren. „Elastic Engine“ nennen die Ingenieure dieses Prinzip, bei dem der Motor in Gummielementen gelagert ist.
Aber – eine Guzzi ohne Vibrationen – will das überhaupt jemand? Ein V2-Motor soll vibrieren – ja, er muss vibrieren, sonst könnte man sich ja gleich ein vierzylindriges Bike kaufen. Doch keine Angst, man merkt schon noch, dass hier ein mächtiger Twin arbeitet, aber die Vibrationen werden nicht mehr direkt an das Fahrwerk weitergegeben. Das verwässert etwas das ursprüngliche Guzzi-Feeling, erhöht aber den Fahrkomfort. Im Stand kann man sehen, wie sich der Motor im Fahrwerk schüttelt, wie die von oben gut sichtbaren Ventildeckel in den Tankausbuchtungen vibrieren.

Californias haben sich noch nie durch besondere Leichtigkeit ausgezeichnet, ließen sich aber meist handlicher fahren, als die Gewichtsangabe vermuten ließ. Die neue California ist groß, schwer und mächtig – keine Frage. Hier wurde nicht darauf geachtet, irgendwie durch teure Materialien Gewicht zu sparen. Diese Maschine ist wuchtig, und das ist auch so gewollt. Das schlägt sich in Gewicht und Ausmaßen nieder. Für die vollausgestattete Touringversion der Guzzi gibt das Werk 337 Kilogramm an. Die Custom-Variante ist mit 300 kg etwas leichter. Der Radstand beträgt satte 1.685 Millimeter. Das sind immerhin 125 Millimeter mehr als beim Vorgängermodell, welches auch nicht gerade besonders kurz daher kam. Die traditionelle Guzzi-Bauweise mit separatem Motor und angeflanschtem Getriebe hat schon immer für einen langen Radstand gesorgt, aber fast 1,7 Meter sind schon eine Ansage. Dazu passt dann auch der fette Hinterradreifen, der 200 Millimeter Breite aufweist. Auch das ist ein neuer Rekord für eine Moto Guzzi und ungefähr doppelt so breit wie bei der allerersten Cali – aber die neue hat ja auch doppelt so viel Hubraum. Der Durchmesser des Antriebsrades beträgt 16 Zoll. Ebenfalls etwas ungewöhnlich ist die Größe des Vorderradreifens mit 130/70 – 18. Die Reifen liefert Dunlop.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013 BremseNachdem die letzten Modelle auf klassischen Drahtspeichenrädern rollten, erhielt die neue Cali leichte Gussräder aus Aluminium, das erschien den Entwicklern bei dem satten Drehmoment sicherer und stabiler.
Um den sportlichen Genen gerecht zu werden, verpasste Moto Guzzi der Cali eine Bremse, wie sie vor kurzer Zeit noch an Superbikes zu finden war: Zwei radial verschraubte Brembo-Bremssättel vorne mit jeweils vier Kolben verzögern zwei Scheiben mit einem Durchmesser von 320 Millimetern. Hinten nimmt ein schwimmender Zweikolbensattel eine 282 Millimeter messende Scheibe in die Zange. Da können andere Cruiser kaum mithalten. Zudem sorgt ein neues ABS für Sicherheit beim Verzögern.
Ebenfalls komplett neu ist der Endantrieb. Klar, Guzzi hält dem wartungsfreien Kardan die Treue, aber für die California 1400 wurde eine neue Kraftübertragung samt großem Winkeltrieb konstruiert. Auf eine Momentabstützung verzichteten die Entwickler aber, obwohl diese Technik ja in einigen Modellen mit Einarmschwinge bereits vorhanden ist. Doch die neue Cali erhielt eine U-Schwinge mit zwei Stoßdämpfern in konventioneller Bauweise. Das unterstreicht den klassischen Look. Ein Fahrstuhleffekt ist bei Lastwechseln nicht zu spüren, erkauft wird das mit einer straffen Dämpf­ung hinten. Beim schnellen Fahren passt die Fahrwerksabstimmung, aber beim Touren und Cruisen könnte sie ruhig komfortabler sein. So manches Schlagloch wird deutlich an den Fahrer weitergegeben.

Auch die verkleidete Gabel setzt auf eine klassische Optik und erinnert so an die allererste V7 California. Unter den Abde­ckungen verbirgt sich eine konventionelle Telegabel mit einem Durchmesser von 46 Millimetern und bietet 120 Millimeter Federweg.

Moto Guzzi California 1400 Modell 2013Guzzi hatte sich zum Ziel gesetzt, einen breiten Bereich vom Low-Glide-Cruiser bis zum sportlichen Power-Crusier abzudecken, das erfordert Kompromisse. Aber wer hätte gedacht, dass man mit diesem schweren Eisenhaufen so agil über die kurvigen Landstraßen flitzen kann? Trotz des fetten Hinterradreifens und des langen Radstandes lässt sich mehr als flott und ohne großen Kraftaufwand über die Pisten bügeln. Dabei thront man fast so bequem wie im Lehnstuhl zu Hause. Die niedrige und vorne schmale Sitzbank bietet genug Raum und eine ordentliche Abstützung. Der breite Bullhorn-Lenker liegt gut zu Hand, und die Füße finden viel Platz auf den Trittbrettern mit Gummidämpfung. Für ordentlichen Windschutz sorgt das große Schild, welches aber leicht und schnell demontiert werden kann. Auch bei höheren Geschwindigkeiten stören keine Verwirbelungen. Das runde Zentralcockpit liegt bestens im Blick, und in den Spiegeln ist der rückwärtige Verkehr gut zu erkennen. Die Schaltwippe lässt sich auch wie ein konventioneller Schalthebel benutzen, wer will, kann den hinteren Teil abschrauben. Um die Hinterradbremse betätigen zu können, muss der rechte Fuß angehoben werden.

Bei flotter Fahrweise setzen die Trittbretter mit den darunter montierten Schleifern aus Hartkunststoff relativ früh auf. Das macht erschreckende Geräusche, ist aber harmlos, weil die Trittbretter federnd hochklappen und so noch ein paar Grad mehr Schräglage möglich sind. Der so riesig wirkende Tank täuscht etwas, das Fassungsvermögen für Treibstoff beträgt „nur“ 20,5 Liter. Das sollte aber für ordentliche Reiseetappen ausreichend sein. Im Vergleich zu den 1.200er-Motoren verspricht Moto Guzzi einen um 15 bis 20 Prozent geringeren Verbrauch.

Erstmals verfügt mit der California 1400 eine Moto Guzzi über eine Cruise Control. Die neudeutsche Bezeichnung weist darauf hin, dass an dieser Maschine ein Tempomat verbaut ist. Einmal eingeschaltet, sorgt das Motormanagement dafür, dass die aktuelle Geschwindigkeit gehalten wird, egal ob es bergauf oder bergab geht. Ein kurzes Antippen von Bremse oder Kupplung schaltet die Funktion wieder aus.
Moto Guzzi bietet die California 1400 in zwei Varianten an. Da ist einmal die vollausgestattete Touring mit Windschild, Zusatzscheinwerfern, Sturzbügeln vorne und hinten sowie Koffern. Diese haben ein Volumen von 35 Litern, können aber leider keinen Helm aufnehmen. Da bietet sich das große Topcase aus dem Zubehörprogramm von Moto Guzzi an. Die Touring kostet 19.600 Euro, ist also 4.000 Euro teurer als das Vorgängermodell. Die weiße Variante trägt den Beinamen Bianco Eldorado. Die schwarze California nennt sich Nero Ambassador. Für 17.950 Euro ist die California Custom ab März erhältlich. Diese verzichtet auf die Reiseausstattung, hat einen flacheren Lenker sowie eine kleinere Sitzbank. Die Custom wird in den Farben grau und schwarz mit jeweils schwarzen Rädern ausgeliefert.

Als Sonderangebot kann man die neuen Guzzis also nicht bezeichnen. Aber sowohl auf der Messe in Mailand als auch bei der Pressepräsentation an der französischen Riviera stieß die Maschine auf reges Interesse. Wo immer wir Journalisten mit den Motorrädern anhielten, fanden wir viel Beachtung – egal ob vor dem Luxushotel in Cannes oder im Hafen von St. Tropez. Diese Guzzi wird sicher zahlreiche Käufer finden.