aus Kradblatt 5/21 von Dirk Heijmer

Vom Cruiser zum Racer …

Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer

Moto Guzzi Bellagio, das heißt abgekürzt: 224 kg trocken, V2 luftgekühlt, zwei Ventile, Kardan, 75 PS aus 936 Kubik. Randdaten, die heutzutage wirklich keinen vom Hocker reißen, besonders nicht die jüngeren Motorradfans. „Gucci?“ –Nein, es heißt Guzzi. „Noch nie von gehört.“ – Schade. 

Denkt man heute an sportliche Motorräder, so kommen viele Marken in den Sinn – doch Moto Guzzi wird eher nicht dabei sein, allen sportlichen Wurzeln zum Trotz. Warum also nicht eine Guzzi hernehmen und sie sportlich umbauen? 

Die Basis für den Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer
Die Basis: Moto Guzzi Bellagio

Dank meines Vaters war Moto Guzzi innerhalb meiner Familie schon immer präsent, doch als junger Erwachsener boten die Motorräder aus Japan doch mehr Motorrad fürs Geld und wussten mit extremen Leistungswerten zu begeistern. Im Fotoalbum der Familie sah ich jedoch auch die ehemaligen Guzzis meines Vaters: Le Mans, Magni-Guzzi, 850T3 California – Ikonen der damaligen Zeit. 

Als meine 600er CBR in einer Saison aufgrund eines Motorschadens länger ausfiel, lieh er mir seine California II für den gesamten Sommer. Natürlich ein starker Kontrast zur CBR, doch sie hatte irgendwie ihren Reiz. Vor allem der lebendig und archaisch wirkende Motor begeisterte mich. Das Guzzivirus war übergesprungen. 

Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer
Ein Zwischenschritt, der mattschwarze Zweisitzer

Als mir die vierzylindrige Honda später zu langweilig wurde, zog ich mit einer 1100 Sport erstmalig eine Moto Guzzi mit in die engere Auswahl. Am Ende setzte sich aber doch die Aprilia RSV Mille durch, die zu einem wesentlich günstigeren Kurs einfach alles besser konnte.

Doch der einmalige Guzzicharakter blieb im Gedächtnis. Zur Freude meines Onkels folgte auf die RSV Mille eine 1974er Moto Guzzi 850T, zugegeben eine wahrlich krasse Veränderung. Sie sollte zum Café Racer werden und sie hat mir viel Freude bereitet, doch von der Fahrdynamik war sie doch nicht das was ich suchte. 

Ich testete mich durch den Guzzi Fuhrpark meines Onkels und fand Gefallen an seiner Bellagio. 

Tatsächlich fährt sich die Bellagio ganz anders, als sie aussieht. Von der Optik her könnte sie als Softchopper durchgehen, doch der drehfreudige Motor und das leichtfüßige Handling suggerieren etwas völlig anderes. Sie lässt sich sportlich bewegen und stellte deshalb für mich eine ideale Umbaubasis dar, auch aufgrund ihrer Mehrleistung gegenüber der V7.  Wenig später stand dann auch in meiner Garage eine Bellagio. 

Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer
Der fertige Moto Guzzi Bellagio Café Racer

Zielsetzung war es, die Moto Guzzi zu einer funktionalen und sportlichen Maschine umzubauen. Einen Café Racer, der aber nicht nur vor der Eisdiele schön aussehen soll, sondern tatsächlich auch flott und auf Reisen bewegt werden kann. 

Die essenziellen Teile des neuen Erscheinungsbilds, Tank und Sitzbank, stammen allesamt von der Moto Guzzi V7. Die originale Benzinpumpe der Bellagio passte problemlos in den Tank der V7. Natürlich muss im Detail viel angepasst werden, damit die Einheit Tank und Sitzbank auf den Tonti-ähnlichen Rahmen passen. Der hochragende Rohrlenker wurde durch Stummellenker ersetzt. Zusammen mit der höheren Sitzposition entsteht so ein wesentlich besseres Gefühl für das Vorderrad. 

Heckansicht des Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer
Schlankes Heck

Aufwendig gestaltete sich damals die Suche nach einem Auspuff, welche nicht im Cruiser-Look daherkommt. Nach einiger Recherche im Netz fand ich eine kleine Auspuffmanufaktur aus Sizilien, welche mir eine 2-1 Komplettanlage aus Edelstahl anbot. Ein Schmuckstück samt ABE für einen fairen Kurs, wahrlich ein Glückstreffer. Durch die Montage ergab sich nicht nur eine gewaltige Gewichtsersparnis (die originalen Krümmer waren doppelwandig), sondern auch ein besserer Blick auf das schöne hintere Speichenrad. 

Die weiteren Umbaumaßnahmen wie kleinere Blinker, Spiegel und Kennzeichenträger gingen leicht von der Hand. 

Für den Sozius- und Gepäckbetrieb besorgte ich mir noch die Zweier-Sitzbank der V7, welche mit wenigen Handgriffen gewechselt werden kann. 

Nach einer erfolgreichen Erprobungssaison meines Umbaus inklusive Fahrt an die Ostsee und nach Mandello del Lario entschloss ich mich, die Guzzi weiter zu verändern. Der mattschwarze Tank gefiel mir nicht mehr und auch die Lösung der Seitendeckel war noch unbefriedigend. Zufällig stolperte ich irgendwann über gebrauchte Seitendeckel einer 850T3 California. Da mein Vater ja schon dieses Motorrad fuhr, erschien es mir sympathisch diese Deckel anzupassen und somit einen Teil einer seiner alten Guzzi mit dabei zu haben. Als die Deckel passgenau waren, kürzte ich noch den vorderen Kotflügel und bereite sämtliche Teile für den Lackierer vor. Das Ergebnis ist eine an die Moto Guzzi 750S angelehnte Farbgebung in glänzendem Schwarz mit diagonalen roten und weißen Zierstreifen. 

In der Folgesaison fuhr ich mit der Moto Guzzi in das gleiche österreichische Tal, in welchem meine Eltern schon Anfang der 1980er Jahre mit ihrer 850T3 California waren – ein tolles Gefühl. Dem Klang der Guzzi in den Bergen zu lauschen ist ein Erlebnis, vor allem das Brabbeln beim Gaswegnehmen. 

Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer
Fertiges Lackdesign, inspiriert von der 750 S

In diesem Jahr galt es dann, dem Namen Café Racer gerecht zu werden und die sportlichen Fähigkeiten meines Umbaus auszuloten. 

Ein anfängliches Kurventraining fiel besser aus als erwartet, nur der Seitenständer setzte früh auf. 

Um die Guzzi noch sportlicher bewegen zu können, buchte ich euphorisch ein Rennstreckentraining in Groß Dölln. Für ein besseres Handling ersetzte ich die alten Stummellenker durch breitere und demontierte den Seitenständer. Im Teilnehmerfeld von circa 160 Fahrern war ich der einzige mit einer Moto Guzzi und war zwischen den ganzen Ninjas und Gixxern ziemlich aufgeregt. 

Cockpit des Moto Guzzi Bellagio Cafe Racer
Übersichtliches Cockpit

Die Rennstrecke offenbarte ziemlich schnell die Schwächen meines umgebauten Softchoppers: Das Fahrwerk, insbesondere die Gabel, war viel zu weich und die Bremsen waren zu lasch. Die Schräglagenfreiheit war begrenzt, Rasten und Schalthebel touchierten oft den Asphalt. Die Grenzen meiner Tourensportreifen waren schnell erreicht, die Fuhre fing an zu rutschen und die Reifen drohten zu überhitzen. Und selbst auf den kurzen Geraden war ich ein gefundenes Fressen für leistungsstarke Vierzylinder. Der Spaßfaktor war dennoch sehr hoch und ich war begeistert.

Natürlich könnte ich die Schwächen zum Anlass nehmen um meine Guzzi weiter umzubauen: Etwa eine 17 Zoll Felge vorn, um Sportreifen fahren zu können. Oder eine höhere Fußrastenanlage und aufwendiges Motortuning. Doch derartige Maßnahmen würden den Rahmen, die Gesetzesbestimmungen und die Verhältnismäßigkeit sprengen. Deshalb lasse ich meine Guzzilla nun so wie sie ist und genieße sie auf der Landstraße. Schließlich zählen am Ende des Tages nicht die reinen technischen Daten auf dem Papier, sondern das, was man in der Praxis aus ihnen macht. Und wer weiß, vielleicht kreuzt ja nochmal eine günstige Griso oder V11 meinen Weg – für die Rennstrecke …


Die Guzzi Comune Grönegau 

Wer nun eine gewisse Affinität für die Marke Moto Guzzi spürt oder gar schon eine Guzzi besitzt, ist herzlich eingeladen beim Stammtisch der Guzzi Comune Grönegau in Melle vorbeizuschauen. Die Guzzi Comune zählt über 40 Guzzifahrer die sich neben dem Stammtisch auch gerne zu Ausfahrten und gemeinsamen Ausflügen zusammenfinden. Jedes Jahr im Juni findet im Automuseum Melle mit dem „Caffe Italiano“ ein Treffen für sämtliche Italo-Motorräder statt. Der Stammtisch selbst ist normalerweise an jedem zweiten Mittwoch im Monat ab 19:30 Uhr im Restaurant Akropolis in der Buersche Straße 74 in 49324 Melle. Da derzeit aber ja nichts wirklich normal ist, schaut auch auf der Website www.guzzi-comune.de und auf Facebook für mehr Infos vorbei.