aus Kradblatt 10/22 von Marcus Lacroix
Ich habe euch im (Kamera)Auge …
Eine Dashcam, also eine Kamera die das Geschehen während der Fahrt filmt, ist in manchen Ländern obligatorisch. Die Video-Zusammenschnitte von haarsträubenden Begegnungen auf Youtube & Co. kennt wohl jeder. Grundsätzlich sollen Dashcams aber die Aufklärung von Unfallverläufen erleichtern. Speziell für uns Motorradfahrer, die wir ja doch bisweilen übersehen werden, eine interessante Option.
In Deutschland ist das dauerhafte, nicht anlassbezogene Filmen aus datenschutzrechtlichen Gründen bisher nicht erlaubt (siehe §4 BDSG). Dashcams – so auch die hier vorgestellte MiVue M760D von Mio – müssten sich also kurz vor einem Unfall einschalten, was in der Praxis natürlich völlig unsinnig ist. Mittlerweile wurden daher auch schon Dashcam-Aufnahmen, die gegen das Datenschutzrecht verstießen, vor Gericht als Beweis anerkannt. Die Abwägung liegt aber beim Richter. Das „nicht anlassbezogene“umgehen Dashcams, indem sie kurze Videosequenzen erstellen, die noch dazu permanent und selbsttätig überschrieben werden – es bleibt aber rechtlich eine Grauzone, eine allgemeine Anerkennung wäre hier wünschenswert. Eine Zusammenfassung der Lage hat u.a. die AXA-Versicherung <hier> in ihrem Ratgeber.
Die MiVue M760D ist die erste Mio-Kamera speziell für Motorräder. Mio gehört zum taiwanesischen Computerunternehmen MiTAC (gegr. 1982) und produziert bereits seit 2002 Dashcams für Kraftfahrzeuge.
Das Set enthält, neben der Steuerbox und der Bedieneinheit, alle nötigen Kabel, Montagematerial und je eine Front- und Heckkamera. Eine handelsübliche 32 GB MicroSD Speicherkarte ist ebenfalls dabei, maximal werden 128 GB Karten unterstützt. Der UVP der MiVue M760D beträgt 399,99 €.
Der Einbau ist – auch wenn die Kabellage auf den ersten Blick etwas verwirrend aussieht – eigentlich recht einfach. Wer ein paar Heizgriffe oder anderes elektrisches Zubehör ohne Verletzungen oder Kollateralschäden montiert bekommt, wird auch mit der M760D kein Problem haben. Alle Teile machen einen hochwertigen und stabilen Eindruck. Lediglich die Ausrichtung der Kameras unseres Test-Systems war etwas fummelig. Aus welchen Gründen auch immer, mein Smartphone wollte einfach keine Liveansicht anzeigen. Also erfolgte die Ausrichtung der drei Achsen anhand kurzer Videoaufnahmen. Geht auch und das Ganze macht man ja i.d.R. nur ein Mal.
Während die Montageanleitung im „Quick Start Guide“ in vielen Sprachen verfügbar ist, gibts die eigentliche Bedienungsanleitung auf der Mio-Website aktuell leider nur in Englisch als pdf-Datei. Das wird die meisten Nutzer vor keine größeren Probleme stellen, ist in der Preisklasse aber etwas unschön.
Mit Einschalten der Zündung ist das System aktiv, sucht nach einer GPS-Verbindung und beginnt unabhängig davon direkt mit dem Filmen. Über ein Apple iOS oder Android Smartphone und die kostenlose MiVue Pro App (die nun wieder auch deutschsprachig) werden alle Einstellungen vorgenommen. Dazu verbindet sich die MiVue über ein eigenes Wlan mit der App. Neben der Videocliplänge lassen sich verschiedene Parameter zu- bzw. wegschalten, darunter die Tonaufnahme, GPS-Daten und die gefahrene Geschwindigkeit. Ebenfalls über die App lassen sich Videodateien der beiden Kameras herunterladen. Datum und Uhrzeit sind im Dateinamen hinterlegt, so dass eine Zuordnung leichtfällt.
Das Bedienteil am Lenker enthält den GPS-Empfänger, eine rote und blaue LED für Fehler- und Status-Anzeigen, ein Mikrofon und zwei Tasten. Über diese lässt die Dashcam sich deaktivieren und man kann kurze „Eventaufnahmen“ starten, die nicht automatisch überschrieben werden.
Wer nun meint, die Dashcam ließe sich als vollwertiger Ersatz für eine Actioncam (z. B. die beliebten GoPro)nutzen, der wird enttäuscht. Zwar enthalten die Kameras hochsensible Sony STARVIS-Sensoren und filmen in Full-HD-Qualität (1080P mit 30fps), die Objektive sind mit F1,6-Blende lichtstark und verfügen über einen 130°-Blickwinkel, moderne Actioncams bieten aber eine deutlich höhere Video-Qualität. Noch dazu sind Handhabung und Software für diesen Einsatzzweck nur bedingt geeignet.
Die Videoschnipsel der MiVue lassen sich per App herunterladen. Das ist recht umständlich und man macht es wohl nur, wenn tatsächlich etwas Aufseheneregendes passiert ist. Alternativ kann man die Speicherkarte ausbauen, was – je nach Montageort der Steuereinheit – noch umständlicher ist. Damit man die winzigen Schrauben nicht verliert, magnetisiert man am besten seinen Schraubendreher! Die SD-Karte lässt sich dann aber bequem an jedem Computer auslesen. Zur Weiterverarbeitung der Daten bietet Mio den MiVue Manager (auch deutschsprachig) für MacOS und Windows gratis zum Download an. Hier kann man die per App heruntergeladenen bzw. die auf der SD-Karte gespeichterten Datensätze einlesen. Der Manager zeigt nicht nur das Front-/Heck-Video, a.W. in Zeitlupe/Zeitraffer, sondern auch Koordinaten, Trackingdaten, G-Kräfte, Datum- und Zeitstempel usw. zur Auswertung an. Das Programm funktioniert intuitiv, im Zweifelsfall hilft die (englischsprachige) Anleitung. KML- und YouTube-Export sind integriert, wobei der direkte YouTube-Upload bei mir nicht funktionierte. Damit sollte man hierzulande aufgrund des Datenschutzes aber eh vorsichtig sein! Was dem Programm aktuell leider noch fehlt, ist ein zusammengefasster Export mehrerer Datensätze. So könnte man über das GPS-Modul z. B. seine Reiseroute aufzeichnen und als komplette KML-Datei statt in Schnipseln exportieren. Oder Videosequenzen zu Filmen verbinden. Auch das nachträgliche Ausblenden der Parameter ist nicht möglich. Die Hardware funktioniert gut, die Software hat bei Handhabung und Funktionsumfang aber durchaus Potential nach oben. Aber wie gesagt: eine Dashcam ist keine Actioncam.
Fazit: die MiVue M760D tut genau das, was sie soll – sie zeichnet das Verkehrsgeschehen vor und hinter dem Motorrad auf. Im Fall eines Unfalls können die Daten bei der Aufklärung helfen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Aufnahmen einen auch selbst belasten können. Drückt man die große Taste am Bedienmodul für 10 Sekunden, wird die Speicherkarte formatiert …
Das komplette Sortiment von Mio findet man im Fachhandel und online unter www.mio.com.
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Kommentare
2 Kommentare zu “MiVue M760D – Dashcam für Motorräder”
Hallo, ich verzweifle bei der Nutzung der mio m760 d. Ich habe alles eingebaut, alles dreimal kontrolliert. Leider bekomme ich kein Bild in der mio App oder am pc, wenn ich die so Karte auslese. Der Ton ist da. Ich habe den Support mio angefragt und bekam die Antwort, alles ausbauen und zur Reparatur einreichen. Eigentlich möchte ich nur wissen, warum ich kein Bild, nur den Ton habe. Das iPhone ist mit dem mio verbunden. Es wird darauf verwiesen, dass ich Bluetooth ausschalten soll,um einen besseren Empfang zu haben. Bluetooth muss ich jedoch eingeschaltet lassen, sonst gibt es keine Verbindung zu beiden Geräten. Was ja auch klappt, weil der Ton aufgenommen wird. Vielleicht könnten Sie mir einen Tipp geben.
Moin Walter.
Ich kann dir da leider nicht helfen.
Wenn du die Verkabelung korrekt vorgenommen hast, kann eigentlich nur ein technischer Defekt vorliegen.
Komplett zerlegen und als Versuchsaufbau noch mal auf der Werkbank testen wäre evtl. ein Versuch, den ich noch starten würde.
Ansonsten liegt wohl wirkich ein Defekt vor.
Meine MiVue funktioniert nach wie vor klaglos, mittlerweile mit einem iPhone 14.
Nur die Voransicht bei der Installation zur Ausrichtung der Kameras geht nach wie vor nicht.
Ob Bluetooth an ist oder nicht, hat bei mir keine Auswirkung. Hab ich gestern noch getestete, als ich einen Videoschnipsel runtergeladen habe.
VG, Marcus