aus Kradblatt 10/23 von Michaela Zimmer

Herausforderungen bewältigen und das Leben genießen

Manuela und ihr Goldwing-Gespann im Jahr 2023
Manuela und ihr Goldwing-Gespann im Jahr 2023

Eigentlich hatte ich immer schon den Wunsch nach einem motorisierten Zweirad. Ich habe daher schon in jungen Jahren mit Zeitung austragen angefangen Geld zu sparen, um mir meinen Wunsch zu erfüllen. Fast pünktlich mit 15 Jahren hatte ich dann endlich das Geld zusammen, um mir in einem großen Kaufhaus bei uns in der Stadt eine Demm Scout zu kaufen (Anmerk. d. Red./Wikipedia: Demm Motorcycles war ein Motorradhersteller aus Italien, der von 1953 bis circa 1988 existierte.).

Mit der Mofa fing alles an
Mit der Mofa fing alles an

Es blieb sogar noch etwas Geld über für einen Helm und ein paar Handschuhe. Durch meinen Bruder kam ich dann auch schnell mit einer Mofa-Clique zusammen, mit der ich auch öfters Ausfahrten gemacht habe. Irgendwann hat dann so ein Typ aus der Clique – der war erst kurz dabei – gesagt, dass der ADAC in unserer Stadt ein Mofa-Moped-Geschicklichkeits-Tunier veranstaltet. Alle haben gelacht und abgewunken, aber ich wollte doch wissen ob ich da eine Chance habe, als Mädchen unter Jungs, zu beweisen, dass es auch das schwache Geschlecht schafft, unter die ersten Drei zu kommen. Jedenfalls standen dann an einem Sonntag der Junge aus der Clique und ich am Start, um zu sehen wer denn nun der bessere Mofa-Fahrer von uns ist. Na ja, ich habe in meiner Klasse gewonnen und wollte es doch gleich am nächsten Sonntag in einer anderen Stadt wiederholen. 

Erste Erfolge …
Erste Erfolge …

So wurde ein regelrechtes Hobby daraus und ich bin Sonntags statt mit den Eltern spazieren zu gehen lieber auf diese Zweiradtuniere gefahren. In dem Jahr hatte ich dann meine ersten 7 Pokale zusammen bekommen. 

Ein Jahr später habe ich dann meinen Führerschein Klasse 4 gemacht und von meinem Vater ein Mokick Garelli Cross bekommen.

Der Junge aus der Mofa-Clique war mittlerweile mein Freund geworden und so fuhren wir von Turnier zu Turnier, wo ich jetzt in drei Klassen mitfahren durfte: Mofa, Mokick und Kleinkraftrad. Frank (so hieß mein Freund) war auch ziemlich erfolgreich aber heimste nicht so viele Pokale ein wie ich. Ich schaffte es jedenfalls erst zum Stadtmeister, dann Bezirksmeister und dann zum Landesmeister NRW zu werden – dadurch nahm ich im selben Jahr an der Bundesmeisterschaft in Heilbronn teil. Hier wurde ich unter insgesammt 18.000 Teilnehmern aus ganz Deutschland siebte in der Gesamtwertung.

Spaß im Club
Spaß im Club

Mit 18 haben Frank und ich geheiratet und unseren Motorradführerschein gemacht. Wir haben uns ein Motorrad gekauft und waren zu der Zeit dann in einem Rockerclub, da durfte ich auch als Frau eine Kutte tragen. 

Wir sind mit Auto und Motorrad auf verschiedenen Veranstaltungen mitgefahren, wo wir auch ziemlich erfolgreich waren. Zu Hause gab es kaum noch Regale, wo keine Pokale drauf standen. 

Leider habe ich dann gesundheitlich große Probleme bekommen, so dass das Motorradfahren erst mal vorbei war. Ich habe in wenigen Jahren viele Hüft-Operationen gehabt, wodurch ich nur noch mit Krücken laufen konnte. Wir haben uns dann ein Motorrad mit Seitenwagen gekauft, mit dem meine Lebenslust wieder anfing. 

Ein Hingucker: Franks Gildwing Gespann
Ein Hingucker: Franks Gildwing Gespann

Von einen Bekannten haben wir erfahren, dass der ADAC auch Turniere für Gespanne veranstaltet, da haben wir dann natürlich auch dran teilgenommen. Wir haben verschiedene Gespanne gefahren, eine Yamaha SR 500 mit Velorex, MZ 250 mit Superelastik und eine Jawa 350 mit Seitenwagen. 

Meine Hüft-OPs wurden immer mehr und irgenwann fing es auch noch mit der Schulter an. Mein Bizeps am linken Arm war abgerissen und nicht mehr zu retten. Das hat mich allerdings nicht davon abgehalten weiterhin Motorrad zu fahren. 

Wir haben uns Anfang 2008 eine Honda Goldwing GL 1500 mit Seitenwagen gekauft und sind damit auf unser erstes Goldwingtreffen gefahren. Der Hammer war, das es auch da Geschicklichkeitsfahren gab. Ich habe mich da natürlich angemeldet und mit dem Dickschiff in der Klasse „Goldwinggespanne“ bis kurz vor Schluss Bestzeit gefahren. Dann kam ein Goldwing-Gespannfahrer der 2 Sekunden schneller die Bestzeit fuhr. Er war auf den Goldwing Treffen dafür bekannt, dass er nur dahin kam, wo es auch Geschicklichkeitsfahren gibt, um Pokale abzuräumen. Bei der Siegesehrung fragte er mich, wie lange ich den schon Goldwing fahre, da ich das Gespann so gut beherrsche. Als ich ihm sagte, dass ich erst seit sechs Wochen Goldwing-Gespann fahre, bekam er den Mund nicht mehr zu. Wir sahen uns dann noch auf verschiedene andere Goldwingtreffen, wobei mein Mann und ich uns immer mit dem ersten und zweiten Platz abgewechselt haben, der Kollege musste sich meistens mit dem dritten Platz zufrieden geben. Später hat er seine Anmeldungen zurückgezogen wenn er gehört hat, dass ich mitfahre. Die Blöße wollte er sich nicht geben, gegen eine Frau zu verlieren (eine Frau mit Behinderung). 

Vor drei Jahren gingen alle Pokale in den Müll
Vor drei Jahren gingen alle Pokale in den Müll

Mein Mann und ich sind die letzten Jahre dann fast nur noch Ausfahrten mit behinderten Menschen mitgefahren. Mittlerweile hatten wir jeder ein Goldwing Gespann und es hat uns Spaß gemacht, mit andere Gespann- und Trike-Fahrern behinderte Menschen spazieren zu fahren. 

Wir sind dann vor drei Jahren von Baden Württemberg (wo wir 23 Jahre gewohnt haben) nach Aurich gezogen. Mein Mann hat sein Gespann verkauft und hat die Liebe zu Oldtimern gefunden. Ich fahre weiterhin mein Baby – meine GL1500 mit EML-Seitenwagen. 

Ich versuche, so lange wie möglich mein Gespann weiterhin zu fahren und zu behalten. Das mit meinem Mann hat ja auch bis jetzt funktioniert, wir sind mittlerweile 42 Jahre verheiratet. Wenn hier in Ostfriesland eine Behindertenausfahrt ist fahre ich auf jeden Fall mit, wenn es die Zeit zulässt. Ansonsten sieht man mich ja auch ab und zu am Biker Treff, bis zuletzt in Oldersum (leider jetzt geschlossen) oder beim Bikerhotel Zur Schanze. Wenn ihr mich seht, könnt ihr mich auch ruhig ansprechen, ich beiße nicht.

Die Linke zum Gruß,
Michaela

Prost - Michaela und Frank
Prost – Michaela und Frank