Mittendrin statt nur dabei!

aus Kradblatt 10/24
Das Mail-Interview mit Rollifahrer Ralf führte Lars Petersen von der Online-Plattform Bikes, Musik & More, wo es zuerst erschien.

Ralf - aka Shockwave Spyder
Ralf – aka Shockwave Spyder

Auf einem Herbsttreffen von Börjes, am Stand von „Der Bodensatz – Biker & Friends helfen Obdachlosen“, lernte ich Rollifahrer Ralf kennen. Es entwickelte sich direkt ein cooles Gespräch mit ihm. Irgendwie hinterließ dieses Gespräch nachhaltig Eindruck bei mir. Über das Fratzenbuch verfolgte ich dann immer mal wieder seine Aktivitäten (Shockwave Spyder). Irgendwann fragt er an, ob er bei einer Magazinausfahrt von Bikes, Music & More mitfahren könne. Selbstverständlich konnte er und war tatsächlich nicht der einzige Rollifahrer an diesem Tag auf der Tour.

Beim letzten „Meet & Eat“ war er dann einer der Gewinner. Zwar hatte ich den Gedanken zu diesem Beitrag bereits davor, wollte aber das Meeting noch abwarten, um einige Bildmotive mit ihm einzufangen. Fakt ist, er war mittendrin und belebte die Runde mit seinen Storys. Steigt nun bitte in das Mailinterview mit Ralf ein. Nachfolgend dürft ihr euch dann gerne noch meine Anmerkungen geben.

1. Hey Ralf, seit wann bist du in Sachen Bikes infiziert?

Als ich zirka 15 war, war ein Mitglied der schwarz-gelben Ghost­rider bei meinem Nachbarn, Harley-Manne Manfred Angster. Da der nicht da war, fragte er mich nach etwas Werkzeug, um die Zündung an seiner Ironhead-Sportster einzustellen. Als die wieder lief, war ich stolz wie Bolle. Bin mir sicher, das war die Initialzündung.

To be a man, ride a Pan
To be a man, ride a Pan

2. Wie entwickelte sich dein weiteres Bikerleben?

Mit 16–17 habe ich, neben der Schule, an einer Tankstelle in Sindelfingen gearbeitet, die neben Jahreswagen (Mercedes) auch Fantics, die GS und Trial-Modelle verkaufte. Mit 18 (und Motorradführerschein) dann ein kurzes Intermezzo mit einer Fantic Caballero 125, aber als ich zur Bundeswehr ging, musste etwas langstreckentaugliches her, eine 79er XT500. Dann kam noch kurz eine SR 500 und mit der Stationierung auf Sardinien eine 900er Bol d’Or. Wieder zurück in Sindelfingen kam ich in Kontakt mit Arbeitskollegen (Mercedeswerk) aus dem Emsland und Bremerhaven und war mit denen zusammen öfter am Wochenende nach Papenburg gefahren, u. a. zum Sons-of-Devil MC oder zu den Motorradfreunden Bremerhaven (die hatten gerade ihr 45-jähriges Jubiläum).

Motorradmäßig waren in der Zeit vornehmlich japanische 4-Zylinder aus den 70ern am Start, Suzuki GS750, Honda Four u.Ä. und eine starre Panhead, die nie richtig lief. Bei der hatte ich mich, unerfahren wie ich war, übern Tisch ziehen lassen. Kurz vor dem Umzug nach Schleswig-Holstein, in die ganz alte Heimat, wurde es noch eine 1972er Z1-900, mein absoluter Traum.

Wilde Jahre mit der Z
Wilde Jahre mit der Z

3. Dann kam Tag X. Was ist passiert?

Nachdem meine damalige Verlobte, es war so 1994, schwanger von ihrem Auslandssemester zurückkam, musste ich aus ihrem Elternhaus ausziehen und zog in den Kreis Rendsburg. Die Z1 war gerade zur Vollrestaurierung zerlegt, also holte ich mir, für den Winter, eine 1978er Z1-R. Da ich ja wieder „frei“ war, habe ich auch richtig Gas gegeben, jedes Wochenende auf irgendeiner Party, Mammuts-MC etc., feiern bis zum Anschlag, ohne Gnade, Alkohol und Amphetamine. Dieses, verbunden mit einer maßlosen Selbstüberschätzung, (mit 32 Jahren ist Mann ja unsterblich) führte dann im Mai (oder Juni?) 1996 zu dem selbstverschuldeten Sturz, den ich scheinbar nur knapp überlebte. Aufgewacht bin ich drei Wochen später im Querschnittgelähmten-Zentrum Boberg in Hamburg.

Während des 9-monatigen Krankenhausaufenthalts hatte ich Zeit genug zur Selbstreflexion und konnte/musste so einige Dinge ordnen wie z. B. mich von Menschen, die mir nicht guttaten, trennen etc. Da ich meine Situation ja selber verschuldet hatte, gab es für mich nur 2 Möglichkeiten, entweder in die Ecke stellen und in Selbstmitleid verfallen oder den Arsch hochzukriegen und zumindest versuchen, das Beste daraus zu machen. 

Die Entscheidung fiel leicht. Jemand, der durch fremdes Verschulden (Unfall) oder Krankheit (MS) im Rollstuhl landet, tut sich da natürlich schwerer. Ein Mitpatient, der damals schon auf Mallorca lebte und dort verunglückte, brachte mich dann auf die Idee, auf Rente zu gehen und nach Mallorca zu ziehen, was ich dann 1998 auch tat.

4. Hattest du direkt danach den Impuls wieder zu fahren oder kam das erst später?

Ich habe circa im Jahr 2000 Knut kennengelernt, der sich mit seinem Chevy-­Van voll mit Werkzeug und seiner Shovel zu der Zeit auf der Insel niederließ und seine kleine Werkstatt eröffnete. Es war auch die Zeit der beginnenden Digitalisierung, vor allem für das Büro. Über ein paar Stationen ging es dann 2010 bis zu KG Bikes-Mallorca, so wie es heute noch besteht.

Ralf als Schrauber bei KGB auf Mallorca
Ralf als Schrauber bei KGB auf Mallorca

5. Warum hast du dich für eine Can-Am Spyder und nicht für ein Trike entschieden?

Ein „herkömmliches“ Trike kam nie für mich in Frage, ob damals mit Käfer-Motor oder heute die modernen Rewacos etc., ich mag sie einfach nicht, weder das Fahrgefühl noch die Optik (denk da mal an Günther-den-Treckerfahrer in „verchromte Eier“) noch die Klientel, die diesen „Lifestyle“ zelebriert. Quads, egal ob Straße oder Gelände, waren auch nicht so das Wahre, es fehlte einfach das „Motorradfeeling“. Wir haben, vor KGB-Zeiten, mal eine Softail-Evo für mich durchgerechnet, gebrauchte Softail, Trike-Kit von Frankenstein, Handschaltung und Integralbremssystem, alles zum EK und nach Feierabend zusammenstecken waren wir schon bei 15.000 € (ohne, dass sie dann auch „schick“ war), nicht machbar damals für mich.

Ich hatte aber mal einen spanischen Rollstuhlfahrer am Palma-Flughafen getroffen, der fuhr eine der ersten Spyder mit seinem Rolli an der Seite dran. Fand ich sehr interessant, aber bei dem bevorstehenden Rückgang nach Deutschland 2012 verschwand das auch wieder aus meinem Fokus. 2020 sah ich dann, hier in Friesland, die neuen, kleinen Modelle, die Ryker, sehr interessant und habe mir die mal näher angeschaut. Beim Probesitzen sagte meine Frau dann „Du siehst da aber sehr behindert drauf aus mit deiner Größe (188 cm)“ und im gleichen Atemzug „und was ist mit der Schwarzen da (Spyder F3)“. 

Deutlich höher und breiter, aber das Aufsteigen klappte ganz gut und so wurde es das große Modell. Da die Spyder (und auch Ryker) nur über ein Fußpedal gebremst werden, konnte ich nicht mal eine Probefahrt machen. Nach zwei Tagen Bedenkzeit dann quasi blind gekauft (und nie bereut).

Der Spyder als Reisefahrzeug - auf eigener Achse nach Mallorca
Der Spyder als Reisefahrzeug – auf eigener Achse nach Mallorca

6. Ist das Feeling beim Cruisen mit dem auf einem Bike vergleichbar?

Auf alle Fälle! Sie ist laut, scheppert und ist ziemlich schnell (knapp 4 Sekunden auf 100 und hat 200 km/h im Brief), aber sie kann auch, dank der chopper-mäßigen Sitzposition, ganz entspannt cruisen. Zum Motorrad fehlen m. E. nur die Schräglagen.

Mit dem Rolli zum Spezialisten
Mit dem Rolli zum Spezialisten

7. Was waren denn so bisher die coolsten Touren mit Bike oder mit der Spyder?

Früher mit dem Bike sind wir oft nach Italien/Gardasee oder, sehr schön, nach LeVans, Harley-Treffen an der Ardèche, aber auch Dänemark, Schweden etc. Die für mich coolste Tour mit der Spyder war natürlich dieses Jahr die Fahrt nach Mallorca, alleine, mit zwei Übernachtungen nach Sète/Südfrankreich (1.400 km), dort mit der Fähre nach Alcudia/Mallorca. In den 7 Tagen auf der Insel habe ich dort 1.120 km abgespult, entweder mit Freunden oder auch alleine. Und: trocken geblieben, als ich nach 12 Tagen wieder daheim ankam, fing es 1 Stunde später für 3 Tage zu regnen an. Auch die Tour mit 8 Mann auf Motorrädern von 50 bis 140 PS drei Tage in den Harz letztes Jahr war auf den bisher 33.000 km mit der Spyder sicher ein Highlight.

8. Wird man als Rollifahrer von den Bikern angenommen oder gibt es da Vorbehalte?

Nein, keinerlei Vorbehalte, uns wird nur respektvoll begegnet, was ein „normaler Fußgänger“ auf einem 3-Rad wahrscheinlich nicht sagen kann.

9. Was ist dir noch wichtig zu erwähnen?

Wichtig ist mir noch mein 2. Paar Hände, Peter „Nobelschröder“ Schröder, Streetfighter der 1. Stunde, zu erwähnen. Seine Spondon und seine Martin, beide mit GSX-R-Motoren, standen beim Börjes-Frühlingstreff letztes Jahr mit in der Custombike-Show. Ohne ihn hätte ich wohl kaum alle Umbauten und Verfeinerungen, wie das amerikanische Abblendlicht, die progressiven Federn vorne oder nur einen simplen Reifenwechsel machen können. Sachen, die aus dem Rollstuhl heraus für mich nicht mehr gehen. Kleinkram wie Lenkertausch u.Ä. geht hingegen noch. Ist er mal nicht anwesend, vertritt ihn Patrik beim Wechsel der Bremsbeläge oder dem Reifen. 

Anmerkungen! Ab und an entdeckt man ja immer wieder diese saudummen Kommentare von Leuten im Netz, die Fahrern von Trikes oder auch Can-Am Spyder den Status des Bikers absprechen, offensichtlich unfähig zu reflektieren, dass es oftmals genau solche Schicksalsschläge sind, die überhaupt erst zu der Anschaffung eines solchen Vehikels führen, um sich die Art von Lifestyle zu erhalten, den man vor dem Schicksalsschlag noch auf zwei Rädern abgespult hat. Ich habe Ralf sehr gut zugehört und bin mir sicher, dass er noch weitaus mehr Szeneleben in sich trägt, als so mancher Internetposer, der es gerade mal bis zur nächsten Eisdiele schafft oder nach 200 km davon spricht, wie sehr ihm der Arsch brennt.

In Sachen Bikes, Music & More hat er jedenfalls einen Freibrief und ist jederzeit herzlich eingeladen, an meinen weiteren Aktivitäten teilzunehmen. 

Wer Ralf näher kennenlernen möchte, steigt über den Kontakt auf seiner Facebook-Seite „SpyderF3S“ ein. Auf YouTube findet ihr ihn unter Shockwave Spyder. Ich bedanke mich bei Ralf für das Vertrauen!

Füße und Beine sind fixiert - auf gehts!
Füße und Beine sind fixiert – auf gehts!

Infos zu Ralfs Can-Am:

Model: 

  • Can-Am Spyder F3-S Bj. 2020

Behindertengerechte Änderungen:

  • Handbremse
  • OEM-Fußbretter mit Abrutschschutz
  • Rollstuhlhalterung Eigenbau, TÜV-Eintrag nicht nötig, da keinerlei Änderungen am Rahmen und die
  • Grundfläche (mit Rollstuhl dran) in Länge und Breite nicht überschritten wird

Technische Änderungen:

  • FOX-Stoßdämpfer hinten
  • progressive Federn vorne von H&R
  • schwimmende Bremsscheiben vorne
  • Stabilisator & Koppelstangen von H&R
  • PedalBox (Gasgrifftuning)
  • Shiftlight (Schaltblitz)
  • Akrapovič-Endtopf mit ABE
  • K&N-Luftfilter

Optische Änderungen:

  • sämtlicher grauer Kunststoff mit echtem Carbon laminiert
  • Heckfender aus dem 3D-Drucker
  • Heckträger für Kennzeichen um 30 Grad angehoben
  • selbstleuchtendes Kennzeichen
  • Motogadget-Blinker hinten
  • Fahrer- & Sozius-Sitz angepasst und mit Carbon-Look-Leder bezogen (nimmt Alfa-Romeo für Armaturenbrett

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Shockwave unter Palmen - Die Mallorca-Tour gibts auf YouTube!
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