aus Kradblatt-Ausgabe 6/24, von Peter Obermayer
Lecker Fisch essen …
Das Nordkap, ein Symbol der unberührten Wildnis, thront majestätisch am nördlichsten Rand Europas. Von endlosen Weiten umgeben, bietet es einen atemberaubenden Blick auf das Nordmeer und den Himmel, der in den Mitternachtssonnenmonaten niemals dunkel wird. Peter Obermayer, 85 Jahre alt, aus Heubach/Ostalbkreis fuhr ganz alleine getreu dem Motto: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ ans Nordkap.
Als Profi-Rentner hat man ja schon so seine Probleme: Zum einen würde ich gerne mal wieder den besten Seelachs der Welt essen. Und den gibt es auf Magerøya, am Nordkap. Zum anderen kann ich meinen Garten nicht so lange alleine lassen. Der sollte ja schließlich ausreichend gegossen werden. Ein weiterer Punkt kommt dann auch noch dazu: das Alter. Schließlich fährt man mit 85 Jahren nicht einfach mal so an den nördlichsten Punkt Europas. Und schon gar nicht mit einer schweren BMW R 1100 RT, die schon weit über 100.000 Kilometer auf ihrem breiten Buckel hat.
Aber nach dem Motto: „Wenn nicht jetzt, wann dann“, siegen schließlich die Gelüste auf einen lecker zubereiteten Fisch!
Also los geht’s, ohne große vorherige Planung. Die Strecke habe ich grob festgelegt. Fixpunkte sind Kopenhagen, Stockholm, Rovaniemi und schließlich das Nordkap.
Da die „13“ schon immer meine Glückszahl war, starte ich am 13. Juni 2023 zu meiner bisher längsten und schnellsten
Reise. Ein kleiner Zwischenstopp in der Nähe von Hamburg und dann rollt die BMW in Richtung Dänemark über die große Storebælt-Brücke nach Kopenhagen. Der Besuch der kleinen Meerjungfrau ist natürlich obligatorisch. Für die Fähre Helsingør – Helsingborg braucht es keine Vorbuchung. Sie läuft alle 25 Minuten aus und ist wesentlich günstiger als die Fähre nach Malmö. Da lohnen sich die rund 100 Kilometer allemal. Und schon bin ich in Schweden. Bei Åstorp, in einer netten kleinen Bungalow-Siedlung, beziehe ich Quartier. Immer nach dem Frühstück lege ich meine ungefähre Tagesetappe fest und suche eine passende Unterkunft aus, die ich dann am Abend ansteuere.
Schloss Gripsholm bei Mariefred ist unbedingt sehenswert. Nicht nur wegen Tucholskys gleichnamigem Roman. Und nun freue ich mich auf Stockholm. Vor 66 Jahren habe ich hier ein Jahr lang gearbeitet. Mal sehen, was sich in der Zeit so alles verändert hat. Meine Enttäuschung ist groß. Bereits bei der Anfahrt zum Stadshuset komme ich in eine strenge Polizeikontrolle mit Alkoholtest. Die Straßen in der gesamten Innenstadt sind aufgegraben und das Königliche Schloss ist mit Bauplanen verhängt. Fluchtartig verlasse ich Schwedens Hauptstadt und finde erst wieder Ruhe im Dom zu Uppsala. Noch so eine Enttäuschung und ich fahre wieder nach Hause – nehme ich mir vor!
Um es kurz zu machen: auf der gesamten weiteren Strecke nur noch Freude pur! Entlang dem Bottnischen Meerbusen geht die Reise weiter. Kilometerweit säumen prachtvolle Lupinen die Straßen. Bald schon überquere ich die Grenze zu Finnland und finde mich in der unendlichen Weite von Wäldern, Wiesen und Seen wieder. Sieben Kilometer nördlich von Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands fahre ich im Weihnachtsmann-Dorf über den Polarkreis. Ab jetzt gibt es keine Wälder mehr. Nur noch mannshohe Kiefern und Birken, die beiderseits die Straße säumen. Immer wieder begegnen mir Rentiere in kleineren und größeren Herden. Nachdem ich einen der vielen malerischen Seen fotografiert habe, ist mir klar, weshalb die Viecher vorwiegend die Straße nutzen. Riesige Schwärme von fiesen Stechmücken sind überall an den feuchten Stellen im Gras und Unterholz zu sehen. Begegnungen der unangenehmen Art.
Entlang der finnisch-russischen Grenze geht die Fahrt weiter auf gut ausgebauten schnurgeraden Straßen. Nur alle vier bis fünf Kilometer darf ich meine BMW in eine Kurve legen. Vermutlich hat man diese „eingebaut“, damit es nicht zu langweilig wird. Westlich vom Ivalo See komme ich nach Karasjok (klingt russisch, ist aber bereits in Norwegen). Dort sind im Themenpark Sápmi, Sommer- und Winterwohnungen der Samen aufgebaut. Hier gilt meine Empfehlung: unbedingt anschauen!
Und nun wird mein Traum wahr! Die Nordkap-Insel Magerøya ist durch den sieben Kilometer langen und bis zu 212 Meter unter dem Wasserspiegel liegenden Tunnel erreicht. Eine Achterbahnfahrt unter dem Meeresboden. Ohne Voranmeldung erhalte ich im Arran Nordkap Hotel in Kamøyvær ein Zimmer. Welche Zimmernummer wohl? Natürlich – die 13! Am gleichen Nachmittag fahre ich noch an das eigentliche Nordkap. Es ist der nördlichste, auf einer Straße anfahrbare Punkt Europas. Auf einem über 300 Meter über dem Nordmeer liegenden Felsplateau. Die weltberühmte Erdkugel an der höchsten Stelle des Plateaus ist das Ziel unzähliger Touristen aus aller Welt. Neue Bekanntschaften werden geschlossen. Aber heute bin ich tatsächlich der einzige alleinreisende Biker und das auch noch mit 85 Jahren! Daraufhin schmeckt das Abendessen im Hotel, natürlich MEIN Seelachs, doppelt so gut. Mission erfüllt! Gegen 23 Uhr wird mein Streitross wieder gesattelt und nochmals geht es hoch zum Kap. Taghell ist es noch. Die Sonne scheint und dazu ist es verhältnismäßig warm. Als ich dann auf einem Felsen stehe und gegen 0 Uhr 30 sehe, wie die Sonne am Horizont das Meer berührt, als würde sie es küssen und dann langsam wieder aufsteigt, kann ich ein paar Tränen nicht unterdrücken, so überwältigend ist dieser Anblick.
Seelachs gegessen am Nordkap. Mein Vorhaben ist erfüllt. So kann es dann morgen wieder Richtung Heimat gehen.
Die beinahe kürzeste Strecke durch Schweden habe ich mir vorgenommen, aber an Alta kommt man nicht vorbei! Die 4000 Jahre alten Felszeichnungen im Alta-Freiluftmuseum sind ein absolutes Muss.
Riesige Wälder und viele Seen wechseln sich auf der Strecke gen Süden ab. Unzählige Rentiere sind auf und neben den Straßen unterwegs. Einen kleinen Umweg mache ich noch nach Vimmerby, der Heimat von Astrid Lindgren. Sie hat uns Pippi Langstrumpf und auch den „Michel aus Lönneberga“ geschenkt. Dieser heißt in Schweden allerdings Emil. Meine Reise durch Schweden geht in Malmö zu Ende. Über das riesige Brückenbau-Projekt Öresund gelange ich nach Dänemark. Von dort geht es über die Storebælt-Brücke wieder Richtung Deutschland, nach Flensburg. Den Rest der Strecke bis nach Schwäbisch Gmünd sitze ich auf einer A…backe ab.
Der allererste bekannte Besucher am Nordkap, Francesco Negri, ein Priester aus Ravenna, hat im Jahre 1664 notiert:
„Hier, wo die Welt zu Ende ist, hört meine Sehnsucht auf, und ich kehre zufrieden nach Hause zurück.“
So ähnlich geht es auch mir!
Fazit der Tour:
- Die beiden Alten (BMW und Peter) haben gut durchgehalten!
- Gesamtstrecke: 7.978 Kilometer – 6.304 in den skandinavischen Ländern Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen
- Tagesdurchschnitt: 532 Kilometer
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Kommentare
3 Kommentare zu “Mit 85 Jahren und einer BMW R 1100 RT ans Nordkap”
Ich bin noch 73 Jahre alt.Dieser Bericht gibt mir Mut.Alle Achtung,diese Leistung beeindruckt mich sehr.Da habe ich wieder Hoffnung noch ein paar Jahre fahren zu können.Alles Gute.
Toller Bericht, klasse Leistung! Chapeau!!! Weiterhin gute Fahrt und viel Gesundheit!
Danke Rainer,
Leider habe ich dann 8 Wochen später eine Hirninfarkt erlitten von dem ich mich immer noch nicht richtig erholt habe. Aber vor einer Woche bin ich zum ersten Mal wieder auf meiner BMW gesessen und bin 200 km über die Schwäbische Alb gefahren