Smartphone-Anbindung für iOS + Android

aus Kradblatt 11/24 von Marcus Lacroix

Lieferumfang des Bikeplay Guardian
Lieferumfang des Bikeplay Guardian

Connectivity – also die Anbindung des heutzutage omnipräsenten Smartphones an das eigene Fahrzeug – ist für manche eine überflüssige Spielerei und für andere eine tolle Ergänzung. Da ich mich zur zweiten Gruppe zähle, habe ich mich sehr darauf gefreut, das Bike­play Guardian der Firma Midland ausprobieren zu dürfen.

Einbau in die Energica - sieht schlimmer aus, als es ist
Einbau in die Energica – sieht schlimmer aus, als es ist

Das Gerät mit seinem 5-Zoll-Farb-TFT-Touchscreen bietet eine Funktion, die manche Motorräder (Autos sowieso) heutzutage schon serienmäßig haben: die Anbindung des Smartphones – je nach Betriebssystem – via Apple Carplay bzw. An­­droid Auto. Ich habe das System mit meinem Apple iPhone 14 pro ausprobiert, Android Auto sollte aber analog dazu laufen. Ich spreche im weiteren Verlauf allerdings nur von Carplay.

Neben der Connectivity bietet das Bikeplay Guardian zwei weitere interessante Funktionen, die manch einer evtl. schon einzeln nachgerüstet hat: ein Reifendruckkontrollsystem (auch als RDKS bzw. TPMS abgekürzt) sowie eine Dashcam mit Front und Heckkamera.

Das komplette Midland Bikeplay Guardian Set kostet im Fachhandel 299 €, was mir durchaus angemessen erscheint. Nicht im Lieferumfang enthalten ist eine handelsübliche Micro SD Speicherkarte (Class 10 oder besser, 32–256 GB), die für die Aufzeichnung des Verkehrs­geschehens per Dashcam benötigt wird. Der Betrieb des Bikeplay Guardian ist prinzipiell auch ohne Speicherkarte möglich.

Links original, rechts die liefergelegte Halterung
Links original, rechts die liefergelegte Halterung

Die Montageanleitung beschränkt sich auf zwei Verdrahtungsschemata, die den Anschluss an das 12 Volt Bordnetz oder an eine USB-Buchse darstellen. Für die Kameras und das Display liegt Montagematerial bei, hier darf sich der Nutzer aber selbst Gedanken machen, wie das alles zusammengehört. Wer keine zwei linken Hände hat, bekommt den Anbau aber recht gut hin. Trotzdem stößt man hier auf eine erste Schwäche: die Bedienungsanleitung ist – freundlich ausgedrückt – überarbeitungswürdig. 

Nach dem Einschalten und der Sprachauswahl ist das Smartphone schnell verbunden. Die Kopplung muss man nur einmal vornehmen, später verbinden sich die Geräte automatisch.

Acht ausgewählte Apps werden je Screen bei CarPlay angezeigt
Acht ausgewählte Apps werden je Screen bei CarPlay angezeigt

Im weiteren Verlauf der Nutzung lässt die Bedienungsanleitung einen ziemlich im Regen stehen. Das Herunterladen der kostenlosen App „Kycam2“ ist noch ein guter Tipp, damit hat man recht komfortablen Zugriff auf die Speicherkarte und das Dashcam-System. Eine ordentliche Beschreibung aller Funktionen vermisst man hingegen. Für Technik-Spielkinder wie mich, ist das kein großes Problem – wer allerdings eine intuitive Bedieneroberfläche erwartet, wird als nächstes von der – und das kann man nicht nett umschreiben – echt dämlichen Übersetzung der Software ausgebremst. Kein Problem, denkt sich das Spielkind, schalte ich halt auf Englisch um … Pustekuchen, englisch können die Chinesen auch nicht. 

Bei manchen Apps ist die Nutzung von CarPlay kostenpflichtig
Bei manchen Apps ist die Nutzung von CarPlay kostenpflichtig

Das Midland Bikeplay Guardian ist natürlich ein Standardgerät aus chinesischer Massenfertigung, wie fast alle Unterhaltungselektronik, Handys usw. Da Midland – die ja in Europa nicht ganz unbekannt sind – es aber unter seinem Namen vertreibt, hätte ich mir hier eine bessere Qualitätssicherung gewünscht. Es sollte doch wirklich kein Problem sein, jeweils einen „Native Speaker“, sprich einen Einheimischen, der sich mit der Materie auskennt, die jeweilige Übersetzung der Bedieneroberfläche Korrektur lesen zu lassen – auch bei einem 299 € Gerät. Das erspart einem dann z. B. ein „Binden Sie ab“ (gemeint ist „entkoppeln“) im RDKS-Menü. Die Bedienungsanleitung ist dabei – wie schon erwähnt – keine Hilfe. Und ehrlich gesagt haben sich auch mir als Spielkind, nicht alle Funktionen der Dashcam wirklich erschlossen. 

Praktisch: Dashcam Zugriff per App KYCAM2
Praktisch: Dashcam Zugriff per App KYCAM2

Ich pers. habe kein separates Navi sondern nutze zum Navigieren im Alltag und auf Touren gerne mein iPhone. Praktische Apps gibt es diverse, für Straßentouren ist Calimoto z. B. weit verbreitet. Zur Nutzung von Carplay braucht man hier allerdings die kostenpflichtige Premium-Version. Gleiches gilt für die Navi-App ABRP (A Better Route Planer), die vor allem EV-Fahrer zu schätzen wissen. Basis-Apps, wie z. B. Apple Karten, lassen sich ohne Mehrkosten nutzen. Ein Nachteil gegenüber dem Handy am Lenker ist, dass über Carplay nicht alle Funktionen einer App aufrufbar sind. Es findet also keine 1:1-Spiegelung des Handy-Displays statt. Im Alltag hat mich das bisher allerdings nicht gestört. Welche Apps via Carplay angezeigt werden, lässt sich auf dem Smartphone einstellen – man kann sich also auf die wesentlichen konzentrieren. 

Die Bedienung des Touchscreens funktioniert mit den meisten meiner Handschuhe recht gut. Bei kleinen Symbolen sind diese aber z. T. schwer zu treffen – hier sollte man aufpassen, dass man sich nicht während der Fahrt ablenken lässt. Lieber mal anhalten. Durch die Headset-Anbindung lässt sich Vieles auch über „Siri“ (Apples Alexa) per Sprachbefehl steuern. Das Bikeplay Guardian hat einen eingebauten Lautsprecher, die Navi-Ansagen sind darüber während der Fahrt unterm Helm aber kaum zu verstehen. Das Display überzeugt mit guter Ablesbarkeit. Idealerweise bringt man vor dem ersten Einsatz eine handyübliche Schutzfolie auf – an Handschuhen kleben immer irgendwelche Sandpartikel und zu schnell kommt es dann zu feinen Kratzern auf dem Display.

Statt des Carplay-Bildschirms kann man sich ein Tacho-Display anzeigen lassen. Dies zeigt neben Himmelsrichtung und Meereshöhe die per GPS gemessene Geschwindigkeit, Reifendruck und -temperatur an. Nachteil des RDKS: befindet man sich im Carplay-Modus, wird man bei Druckverlust nicht alarmiert, obwohl die Funktion in den Einstellungen ausgewählt ist: „Tyre warn öffnen“. Die Druckmessung selbst ist korrekt, wie Vergleichsmessungen ergaben. Die „Reifentemperaturanzeige“ hat eher symbolischen Charakter, da die Temperatur am Ventil gemessen wird, nicht die tatsächliche Reifenoberflächentemperatur – es ist also quasi eine Umgebungstemperaturanzeige. Als vollwertiger Tachoersatz eignet sich das Display nicht, die per GPS gemessene Geschwindigkeit hinkt beim Beschleunigen und Verzögern den tatsächlichen Tachowerten hinterher. Das kennt man so aber ja auch bei GPS-basierten Tacho- und HUD-Apps.

Der Touchscreen funktioniert auch mit Handschuhen
Der Touchscreen funktioniert auch mit Handschuhen

Das Dashcam-System dient im Kern nicht dem Erstellen von Filmen, wie man es mit einer Actioncam macht, sondern der permanenten Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens. So lässt sich z. B. im Falle eines Unfalls das Geschehene besser nachvollziehen. Aus rechtlichen Gründen werden nur kurze Clips (1, 3 oder 5 Minuten) aufgezeichnet und beim Erreichen des Speicherkartenlimits automatisch überschrieben. 

Ein Aufprallsensor soll das Überschreiben nach einem Unfall verhindern, was ich aber (zum Glück) nicht getestet habe. Die Bildqualität der Kameras in QFHD/2K ist ordentlich, Windgeräusche dominieren allerdings die Audiospur. Dass man sich mit einer Dashcam u. U. selbst belasten kann, sollte nicht unerwähnt bleiben. 

Alternativ: Anzeige von Geschwindigkeit und Reifendruck
Alternativ: Anzeige von Geschwindigkeit und Reifendruck

Das Display des Guardians kann übrigens auch als „Rückspiegel“ genutzt werden, indem man während der Fahrt einfach die hintere Kamera auswählt. Das funktioniert wirklich gut, blockiert dadurch aber natürlich dann andere Funktionen wie Carplay.

Dem Bikeplay Guardian liegt nur eine Halterung für einen Rohrlenker bei, die zudem nur bedingt flexibel einstellbar ist. Da sie geschraubt ist, kann man sich aber leicht etwas zurechtbasteln. Ich habe das Display so deutlich tiefer am Lenker platziert, als regulär vorgesehen. 

Die Übersetzung braucht ein Update
Die Übersetzung braucht ein Update

Manch geneigte Leser werden jetzt denken: „Alter, taugt das Ding überhaupt was?“ und hier kommt jetzt der Spagat: ja, für meinen Einsatzbereich ist das Midland Bikeplay Guardian eine echt coole Sache. Ansonsten hätte ich es längst demontiert. Ich bin bei der Bewertung des Produktes allerdings hin- und hergerissen. Funktionell bietet es alles, was ich mir bei Connectivity wünsche plus tollen Extras wie der Dashcam. Die Umsetzung von Software und Handbuch sind aber echte Kritikpunkte und machen das Gerät nicht für jeden zugänglich. 

Da das Bikeplay lt. Hersteller auf Linux basiert und zudem über einen nicht näher dokumentierten USB-C Anschluss verfügt ist zu hoffen, dass Midland sich der Kritik annimmt und ein Software-Update bereitstellt, um die Übersetzungsfehler auszubügeln und die Funktionen zu verfeinern
(z. B. den RDKS-Alarm). 

Das Midland Bikeplay Guardian ist im Fach- und Versandhandel zum UVP von 299 € erhältlich. Für die komplette Montage sollte man – je nach zu entfernenden Verkleidungsteilen – ca. 1 Std. einplanen.

Mehr Infos gibt es online bei Alan Electronics aus dem hessischen Dreieich, die schon seit vielen Jahren hierzulande Midland vertreiben, unter www.alan-electronics.de. Dort kann man den Guardian auch direkt bestellen.