aus Kradblatt 1/19, von Marie Mattiza (Motorradmieze)

Racing, Regen, Rennleitung#110
Mein erstes Mal auf der Rennstrecke …

 Motorradmieze Marie mit ihrer Yamaha MT07, Foto: Fokke Hassel Zusammen mit Fiona, Annika und Melli sowie Pit von der Rennleitung#110, welcher als unser Instruktor fungierte, durfte ich auf dem Lausitzring an einem freien Rennstreckentraining des MOTORRAD action teams teilnehmen. Mein erstes Mal auf der Rennstrecke.

Noch nie auf einer Rennstrecke gewesen hieß es im Vorfeld für mich, mich intensiv mit der Thematik auseinander zu setzen. Welche Umbauten sind am Motorrad erforderlich? Wie nehme ich diese vor? Was muss abgeklebt werden? Wie kommt man zur Startnummer? Welche Anforderungen gibt es an Helm, Kombi und Co? Wie verläuft die Strecke? Welche Flagge steht für was? Wann muss ich wo sein? Was muss ich alles mitnehmen? Welche Verhaltensregeln gelten auf der Strecke? Und und und …

Fragen, die eingefleischten Rennsportlern wahrscheinlich ein müdes Lächeln ins Gesicht rufen. Dinge, mit denen sie sich schon längst nicht mehr befassen. Für einen Neuling ist all das allerdings ein Buch mit sieben Siegeln. Also habe ich mich durchgefragt, belesen und mir hilfreiche Einsteigervideos auf YouTube angesehen. Mir eine Liste geschrieben, mit allen Dingen die wir brauchten und die nützlich sein könnten und ebenso versucht mich mental auf diese neue Welt einzustellen. Vielleicht bin in dieser Hinsicht etwas verkopft, aber nur das Gefühl vorbereitet zu sein, kann mir auch die nötige Gelassenheit geben unbekanntes Terrain zu betreten, oder viel besser: zu befahren.

Manches Mal war ich verzweifelt, weil ich nun mal so gar nicht auf Racing eingestellt bin und immer wieder auf Fragestellungen gestoßen bin, die mich entweder verunsicherten oder mir weitere Fragezeichen im Kopf bescherten. 

v.l.: Ich, Fiona, Pit, Annika und Melli Ankommen, Abschrauben, Abkleben: Am Vortag haben mein Freund und ich einen Testlauf bezüglich aller Umbauten gemacht, meine Originalsitzbank montiert und ich habe alles Notwendige zusammen gepackt und so vorbereitet, dass wir am nächsten Morgen nur alles schnell ins Auto verladen mussten. Die Wetterprognosen ließen bereits nichts Gutes verlauteten und somit haben wir uns für die Hin- und Rückfahrt auf viel Nass von oben eingerichtet. Leider konnten wir im Vorfeld keinen Transporter mehr organisieren, so dass wir mit Motorrad und Auto anreisen mussten.

Nachdem am nächsten Morgen um 4 Uhr früh der Wecker klingelte, kamen wir nach ca. 1,5 Stunden Fahrt gegen 7:30 Uhr im Fahrerlager an. Pit und die anderen Kandidatinnen waren aufgrund ihrer langen Anfahrt bereits einen Tag vorher angereist und empfingen uns mit viel guter Laune. Nach einer herzlichen Begrüßung bereiteten wir gemeinsam unsere Motorräder vor und nahmen im Anschluss an der Fahrerbesprechung teil.

Natürlich wurde ich bei der Anmeldung aufgrund meiner MT-07 belächelt, denn unter all den Rennmaschinen war sie eine der wenigen Naked Bikes vor Ort und natürlich auch nicht die Leistungsstärkste. Für mich persönlich gehört eine MT-07 auch einfach auf die Straße und nicht auf die Rennstrecke. Mich ihrer zu schämen fiele mir aber im Traum nicht ein. Was wir anfangen, das ziehen wir auch durch. Wenn das Unwetter die Fahrbahn nicht zu Schmierseife verwandelt hätte …

Mein Ortema-Rückenschutz Turn 1 – 9:40 Uhr hieß es für unsere Gruppe 3 den ersten Turn zu fahren. Nachdem Pit uns noch die letzten wichtigen Instruktionen gegeben hat, war ich erstaunlicherweise wenig aufgeregt, als wir dann in Reih und Glied vor der roten Ampel auf Grün warteten. Während der Wartezeit überprüfte Pit, ob wir unsere Helme verschlossen und an unsere Rückenprotektoren gedacht hatten.

Ich muss gestehen, dass ich lange Zeit nur mit einem Einsteckprotektor unterwegs gewesen bin, was ich niemandem anraten möchte. Deswegen habe ich mich vor einiger Zeit nach einem wirklich professionellen Rückenschutz umgeschaut und bin auf Ortema gestoßen, welche wie der Name schon sagt, angelehnt aus Erkenntnissen der Orthopädietechnik funktionelle und sehr sichere Protektoren entwickelt. 

Aber zurück zur Rennstrecke: Meine einzigen Bedenken bestanden von Anfang an eigentlich nur darin, dass ich über den Haufen gefahren werden könnte, weil ich zu langsam bin. Umso positiver überrascht war ich, mit welcher Fairness auf dem Ring gefahren wurde. Ich hatte kein einziges Mal das Gefühl, beim Überholvorgang eines anderen Fahrers gefährlich geschnitten worden zu sein und habe versucht eine absehbare Linie zu fahren, die anderen ausreichend die Chance lies, an mir vorbeizuziehen.

Aber es fühlte sich tatsächlich komisch für mich an, hier auf dem Ring sehr schnell sein zu müssen! Druck baute sich bei mir auf. Nicht nur vom fahrerischen her, sondern auch gedanklich. Motorrad fahren geschieht bei mir mit sehr viel Emotionalität und nicht, weil ich irgendetwas muss. Es gibt Tage, da liebe ich die Geschwindigkeit und die Beschleunigung und es gibt Tage, da genieße ich das entspannte Fahren. Aber auf einer Rennstrecke geht es nun mal nur um eines: schnell sein. Eigentlich logisch, oder? Darauf einstellen musste ich mich trotzdem erst.

Das notwendige zügige Runterschalten bereitete mir Probleme und führte nicht selten dazu, dass ich so manche Kurven viel zu untertourig nahm. In diesem Moment verlierst du nicht nur Stabilität in der Maschine, sondern es lässt dich auch beim Versuch, danach aus der Kurve rausbeschleunigen zu wollen, verdammt alt aussehen. Auch die extrem weit nach vorn gerichtete Blickführung war ungewohnt für mich, da man auf der Straße mit ganz anderen, meist viel kürzeren Entfernungen und weniger Sichtfreiheit arbeiten muss. Meine Körperhaltung war, wie ihr euch sicher denken könnt, angespannt und steif. Aber: kein Meister ist je vom Himmel gefallen!

Denn all die neuen Eindrücke musste ich erst mal auf mich wirken lassen. Ideallinie finden, an Blickrichtung und Körperhaltung denken, locker werden, die Kurven kennen lernen, Gas geben! All das setzt man nicht innerhalb der ersten 20 Minuten um. All das üben und verfeinern die Rennstreckenprofis wohl ihr Leben lang. Ich tastete mich ran, war aber nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Ich beendete den ersten Turn mit dem Gedanken: eine Rennfahrerin wird in diesem Leben nicht mehr aus dir!

Regen beim Renntraining Turn 2 – Nach einer vierzigminütigen Pause, in der wir gemeinsam unsere ersten Runden auf dem Lausitzring analysierten, machten wir uns auf dem Weg zum zweiten Turn. Pit gab Hinweise, worauf wir achten sollten und die Mädels gaben mir gute Tipps zum Lockerwerden. Das Verständnis und dieses: „Das haben wir alle am Anfang durchgemacht!“ gaben mir neuen Mut. Auf den Geraden ordentlich Gas geben, hohe Drehzahlen erreichen und entspannt bleiben war diesmal meine persönliche Mission.

Nach ein bis zwei Runden im zweiten Turn wusste ich dann in etwa, wie die Strecke verläuft. Ich bin ein Mensch, der Dinge erst lernt, während er sie macht. Auf ein Blatt mit dem Streckenverlauf zu starren brachte mich im Vorfeld also nicht wirklich weiter. Aktiv an diesem Kennenlernprozess beteiligt zu sein schon viel eher. Langsam freundete ich mich mit der einen oder anderen Kurve an, andere wiederum wollten mir noch nicht wirklich gut gelingen.

Fotoequipment ist ausbaubar... Schließlich traute ich mich im Verlauf des zweiten Turns auf den Geraden schneller zu fahren; auch auf die Gefahr hin nicht zügig genug runterschalten zu können und die Kurven nicht zu bekommen. Mit ein paar Tipps von meinem Freund klappte das zügigere Runterschalten aber schließlich schon sehr viel besser, so dass ich in den Linkskurven meinen Reifen schon fast bis an den Rand fuhr. Wieder ein müdes Lächeln der eingefleischten Rennsportler. Aber erstaunlicherweise fielen mir auf dem Ring die vielen Linkskurven sehr viel leichter, obwohl ich im öffentlichen Straßenverkehr lieber Rechtskurven fahre. Aber auf einer Rennstrecke gibt es nun mal auch keinen Gegenverkehr.

Im letzten Drittel des zweiten Turns setzte dann leider Regen ein, der wie sich wenig später rausstellte, das Training für fast alle von uns beendete. Fiona entschied sich nach einem Wegrutschen des Hinterrads wieder zurück in die Boxengasse zu fahren. Annika und ich folgten ihr, während Pit und Melli noch eine weitere Runde absolvierten.

Wieder im Fahrerlager angekommen stellten wir unsere Motorräder ab und zogen wegen der aufziehenden Regenfront natürlich lange Gesichter. Melli gesellte sich wenig später zu uns, auch sie hatte sich gegen ein Weiterfahren entschieden. Mich wunderte wo Pit blieb, da man kein Motorrad mehr auf der Strecke hören konnte. Scherzhaft meinte ich noch zu den Mädels, dass er sich wahrscheinlich wieder direkt mit jemandem in der Boxengasse verquatscht hat. Bis mit einem Mal das Safety Car an uns vorbeifuhr – mit seiner R1 im Gepäck. Im selben Augenblick bekam Pits Freundin eine Meldung auf ihr Handy: er ist gestürzt. In Momenten wie diesen rutscht einem erst mal komplett das Herz in die Hose.

Bei Regen macht ein Training nicht so viel Spaß... Sofort machten wir uns ins Medical Center auf, in dem es schnell Entwarnung gab: Pit ist nichts passiert und schon wenige Minuten später konnten wir ihn in unsere Arme schließen. Melli und mein Freund haben währenddessen die R1 zurück zu unserem Platz gebracht, welche dann wenig später von Annika auseinandergenommen wurde, um sie von dem eingesammelten Kies zu befreien. Außer einigen Kratzern haben Pit und seine Maschine nichts abbekommen. Glück gehabt!

Bis auf Melli entschieden wir uns alle gegen ein Weiterfahren. Der Lausitzring wird bei Regen einfach verdammt rutschig – als Anfänger habe ich mir das nicht zugetraut. Und auch während des gesamten Nachmittages mussten immer wieder weggerutschte Motorräder von der Strecke geholt werden. Es war ein Trauerspiel. Unsere taffe und rennstreckenerfahrene Melli hingegen zog die Regenreifen auf und absolvierte sturzfrei Runde um Runde. Der Regen schien ihr pure Freude zu bereiten. Eine tolle Leistung!

Gegen 15 Uhr begannen wir langsam die Motorräder wieder zurückzubauen, sie zu verladen und unsere Sachen zu packen. Viel zu früh hieß es Abschied nehmen, aber der anhaltende Regen lies uns keine andere Wahl. Es hat nicht sollen sein!

Pit im Kies, die Mädels machen die R1 wieder fit

Werde ich wieder auf die Rennstrecke gehen? Eine ganz klare Antwort: Jein!

Dass ich in nächster Zeit meine Leidenschaft für den hobbymäßigen Rennsport entdecke oder gar gänzlich die Landstraße gegen den Ring eintausche, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Erst recht nicht mit meiner Yamaha MT-07. Noch immer habe ich nicht den Drang die Schnellste sein zu wollen oder das Knie auf den Boden zu bekommen – dieses Gen fehlt mir wohl einfach. Der Reiz vom Motorradfahren liegt für mich vorrangig woanders.

Allerdings wird es dennoch nicht mein letztes Mal gewesen sein, da ich definitiv weitere Trainings absolvieren möchte. Ich sehe mich in einem Kurven-, Schräglagen- oder Fahrsicherheitstraining allerdings sehr viel besser aufgehoben, da die dort angesiedelten Trainingsinhalte viel besser zu meinen Bedürfnissen als Motorradfahrerin durch „Wald und Wiesen“ passen.

Ob ein freies Rennstreckentraining für einen Anfänger wirklich geeignet ist halte ich auch für fraglich. Natürlich gab es Instruktoren vor Ort, allerdings hätte ich mich ohne Pit im gesamten Ablauf wahrscheinlich sehr verloren gefühlt. Die Veranstaltung glich eher einem freien Fahren, als einem Trainingstag, was aber auch dem Regen und dem baldigen Auflösen der Gruppen geschuldet war, da sich eh nur noch sehr wenige Fahrer auf die Strecke trauten.

Natürlich ist es bedauerlich, dass wir nicht den kompletten Trainingstag absolvieren konnten und vielleicht konnte ich mir deswegen auch kein vollständiges Bild machen und habe vor allem einen viel zu geringen Entwicklungsprozess durchleben können. Dennoch habe ich einiges gelernt und nehme viel Positives mit. Allein durch die ca. 30 Minuten auf der Rennstrecke spüre ich nun eine deutliche Veränderung auf der Straße. Mein Blick ist noch offener nach vorn gerichtet und somit fällt mir das Einschätzen und Durchfahren von Kurven leichter. Außerdem ist da Vertrauen zu meiner Maschine nochmal deutlich gestärkt worden. Und dabei dachte ich schon immer, dass eine Menge Vertrauen da ist. Ich wurde eines Besseren belehrt. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass sich in der Kürze der Zeit so einiges verbessern kann.

Die komplette Vorbereitung für so einen Tag durchdacht und mitgemacht zu haben, lässt mich entspannter an zukünftige Trainings (auf der Rennstrecke) denken. Auch wenn es nicht überall gleich läuft, jede Strecke anders ist und man unterschiedliche Bedingungen auffindet, weiß ich nun, was auf mich zukommt und wie es sich anfühlt, auf einer Rennstrecke zu fahren. Gar nicht so beängstigend wie erwartet.

Trotz dessen, dass wir mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hatten, verbrachten wir einen tollen Tag zusammen, haben viel gelacht und uns ausgetauscht. Mittlerweile habe ich durch die Rennleitung#110 wirklich tolle Menschen kennen gelernt und bin dafür sehr dankbar. Wir Mädels haben uns super verstanden, uns gegenseitig unterstützt und Pit wahrscheinlich den einen oder anderen Nerv gekostet – aber ich bin mir sicher er verkraftet das. 

Mein erstes Mal auf der Rennstrecke verlief vielleicht nicht optimal, allerdings sehe ich genau das als Anreiz, mich intensiver mit der Materie Motorradtrainings auseinander zu setzen. Definitiv hat dieser Tag einige Hemmschwellen und Ängste bei mir abgebaut. Manchmal muss man eben erst ins kalte Wasser geschubst werden. Auch wenn mir nicht immer danach zu Mute war das Finale anzutreten, habe ich etwas angepackt – etwas zum ersten Mal gemacht – und kann nun mit einem positiven Gefühl sagen, dass es sich definitiv gelohnt hat.

Das Porträt mit meiner MT07 hat übrigens Fokker Hassen geschossen. Seine Arbeiten findet ihr unter www.fokke-hassel.de.

Besucht Marie doch auch mal Online auf Instagram, auf Facebook (@motorradmieze) und in ihrem Blog www.motorradmieze.de, wo der Artikel im Original erschienen ist. Fürs Kradblatt haben wir ihn ein wenig gekürzt.

Das Training hat Marie im Rahmen der Schutzengel-Aktion der Rennleitung#110 gefahren. Mehr Infos zu dem privat initiiertem Präventionsprojekt sportlich-motorradfahrender Polizeibeamter gibt es unter www.rennleitung-110.de. Von der MT-07 ist Marie inzwischen auf eine Honda Fireblade SP umgestiegen, aber das ist eine andere Geschichte …