Die ganz große Runde …
aus Kradblatt 11/24 von Jan Kreher
Nach einem herrlichen Flug von Frankfurt nach Malaga warten unsere Maschinen bereits unversehrt in der Abladestation. Wir hatten sie vor einer Woche in Frankfurt abgegeben. Im Konvoi geht’s zum Hotel.
Am nächsten Morgen steigt die Spannung, Afrika wartet. Die 140 km bis zum Fährhafen nach Algeciras sind auf der Autobahn in zwei Stunden schnell zurückgelegt, unsere Fähre nach Marokko steht bereit.
Die Fährfahrt über durch Straße von Gibraltar ist atemberaubend. Weniger als 20 km trennen Europa von Afrika. Auf der einen Seite Andalusien, auf der anderen das Rifgebirge, geologisch gleichen Ursprungs. Eine kleine Hürde taucht bei der Zollabfertigung auf: Zwei Motorräder sind nicht auf die fahrenden Tourteilnehmer zugelassen. Doch mit Geduld und ein wenig Papierkram wird das Problem gelöst.
Am Ausgang der Schranken wartete Jan, unser Tourguide von Lamgarda Motorradtouren Marokko. Nach einer herzlichen Begrüßung setzten wir uns auf unsere Motorräder und fuhren in Richtung des nächstgelegenen Ortes. Uns übermannten Hunger und Durst, in einem Restaurant griffen wir ordentlich zu. Bis zu unserer ersten Tourstation in Marokko, der zauberhaften blauen Stadt Chefchaouen, war es nur ein Katzensprung – gerade mal 110 km von der Küste bis in die Berge. Auf dem Weg legten wir eine Kaffeepause an einem wunderschönen Stausee ein, perfekt für die ersten Schnappschüsse in Marokko. Als wir bezahlten, wurde uns bewusst: Wir sind an einem anderen Ort. Für alle Kaffees und Colas für uns acht Fahrer und einer Fahrerin zahlten wir zusammen lediglich 15 €. Wir sind ja doch andere Preise gewohnt.
In Chefchaouen scheint alles in ein helles Blau getaucht zu sein. Fast jedes Haus erstrahlt in dieser beruhigenden Farbe, die der Stadt ihren einzigartigen Charme verleiht. Interessanterweise gibt sogar einen städtischen Fördertopf, der die Einwohner unterstützt, ihre Häuser blau zu streichen. Wir bezogen gemütliche Quartiere in typisch marokkanischen Gästehäusern, die uns mit ihrer traditionellen Architektur und Gastfreundschaft beeindruckten.
Am Abend schlenderten wir durch die verwinkelten Gassen der Medina. Die Atmosphäre war lebendig und pulsierend: Familien flanierten, Musik erfüllte die Luft und überall wurde getanzt. Kinder spielten und lachten, ihre Freude war ansteckend. Der Grund für dieses Fest lag auf der Hand: Ramadan war zu Ende und die ganze Stadt feierte das Fastenbrechen, wie es in der gesamten muslimischen Welt Brauch ist.
Tag 2: Panoramastrecke am Mittelmeer nach Al Hoceïma und Driouch
Das war eine grandiose Etappe. Zunächst 50 km über kurvige gute Straßen zum Mittelmeer, vorbei an Schluchten und hohen Bergen. Dann 100 km entlang des Meeres, rauf und runter bis El Jebha. Dort die Serpentinen hinauf zur Mittagsstation: Fisch und gegrilltes Fleisch in allen Variationen. Es war richtig viel los, wir waren nicht die einzigen Motorradfahrer on Tour. Weiter ging die Fahrt durch den Al Hoceïma Nationalpark, das ist schlichtweg der Hammer. Das Staunen hört gar nicht auf, so viele Farben der Berge, von gelb über braun bis rot. Alles dabei und fast menschenleer.
In Driouch warteten Jans Schwiegereltern, sie waren extra wegen uns aus Deutschland angereist. Es war alles vorbereitet, Kaffee, Tee, Gebäck, Suppe, Salat, Brot – einfach wunderbar. Auf Jans Hof wurde eine Harley repariert. Ismail, unser zweiter Guide, organisierte einen Mechaniker – Sonntag abends – drei Stunden schrauben, das Problem wurde beseitigt. Reiner war glücklich, dass seine Maschine wieder in Ordnung war.
Fortan hatten wir zwei Tourguides: Jan mit dem Motorrad vorneweg und Ismail im Caddy als „Besenwagen“ hinterher. Unser Gepäck-Verantwortlicher, einheimischer Restaurant-Guide, Kommunikator in den Hotels und unterwegs hat er noch eine Auspuffhalterung geschweißt.
Tag 3: Auf in die Königsstadt Fes
Das nächste Highlight, womit wir nicht gerechnet haben. Von Al Hoceïma nach Taza die N29. Zweispurig ausgebaut mit zwei Serpentinenpassagen und natürlich wieder runter in wunderschönen weiten Kurven – wie hingemalt für die Harleys. Boxenstopp in Taza und die Entscheidung, wir nehmen den Taza Nationalpark noch mit. 50 km Umweg, aber der lohnt wirklich. Traumhafter Blick auf dem Bou Iblane, immerhin 3400 Meter hoch und somit deutlich höher als unsere Zugspitze daheim. Dabei sind wir erst im mittleren Atlas. Die Marokkaner bauen wie verrückt neue Straßen. Die ersten 30 km im Park sind neu asphaltiert, die restlichen 20 km grenzwertig für unsere Motorräder. Aber bis nächstes oder übernächstes Jahr ist bestimmt alles fertig. Kurz vor Fes den Tank auffüllen und mit Google Maps Navigation ins Parkhaus. Jan hat uns eine Roadmap mit QR-Codes der Unterkünfte und der Parkmöglichkeiten erstellt. Gut gemacht.
Tag 4: Stadtführung in Fes und weiter in den Atlas nach Midelt
Da es nach Midelt nur 200 km sind, stand morgens eine kleine Stadtführung in Fes auf dem Programm. Wir schlenderten vorbei an zahllosen kleinen Geschäften, Gewürzständen, Schmuckläden, Obst, Gemüse gefolgt von Fleischereien. Traditionelle Handwerkskunst gehört in Fes dazu: Lederwaren, Töpfereien und Glaskunst. Es lassen sich viele
Künstler in Fes nieder. Wir besuchten die älteste heute noch lehrende Universität der Welt, die Kairaouine Mosque – übrigens von einer Frau gegründet. Beeindruckend. Ein Rundgang durch eine der größten Gerbereien in Fes beendete unseren Ausflug.
Über Ifrane – erstaunliche Häuser, gebaut wie bei uns zuhause mit Satteldach und roten Ziegeln – erreichten wir am späten Nachmittag Midelt. Zwischenstation auf dem Weg zur Wüste.
Tag 5 und 6: Ziz Canyon, Erfoud und Merzouga (Sahara)
Nach Erfoud entlang der R702 sehen wir Erstaunliches. Große Markierungen in der Landschaft weisen auf Fossilien hin. Wir machen Halt an einem der Wegweiser, eine kleine Hütte mit einer beachtlichen Ausstellung: Fossilien über Fossilien, 600 Mio. Jahre alt. Als Andenken darf man diese für kleines Geld erwerben und auch ausführen.
In Merzouga angekommen staunen wir über die gewaltigen Sanddünen und die für uns unwirkliche Umgebung. Wir parken am Café du Sud und wurden zum Camp abgeholt. Wir wählten die Version mit einem Pick-up, vier vorne im Auto und vier hinten auf der Ladefläche. Rustikal und abenteuerlich fuhren wir zum Camp. Schöne Zelte, toll und einfach eingerichtet, so verbrachten wir den Rest des Abends mit gutem Essen und Lagerfeuerromantik.
Am nächsten Morgen machten wir einen Ausflug zu den Nomaden. Klar, die freuen sich über Touristenbesuch, bleibt doch etwas hängen für deren Lebensgrundlage. Nachmittags war Quadfahren in der Sandwüste angesagt. Eine Stunde die Dünen rauf und runter, das macht richtig Spaß.
Tag 7: Zurück in den hohen Atlas nach Tinghir
Aufbruch aus der Wüste wieder Richtung Norden. 30 km/h Wind aus Osten, innerhalb weniger Minuten waren kleine Sandverwehungen auf der Straße. So was haben wir noch nicht erlebt. Nach 30 km war es mit dem Sand vorbei.
Weiter über Erfoud nach Goulmima. Hier teilte sich die Gruppe. Die einen wollten gemütlich die N10 nach Tinghir fahren, die anderen eine echt beeindruckende, sehr kurvige Atlasrunde bis auf über 2000 Meter über die Dörfer Taourirt und Tirga. In Tinghir angekommen wartete ein tolles Hotel auf uns. Leuchtend rötlich verabschiedete sich dieser Tag.
Tag 8: Abstecher in die Dadesschlucht auf dem Weg nach Aït-Ben-Haddou
Die zweite der drei Atlasetappen steht heute an. Leider ist die Fahrt über Agoudal in die Dadesschlucht mit den Harleys nicht möglich. 40 km Offroadstrecke ist nur was für Enduros. Den mit 3000 Meter höchsten Pass in Marokko können wir leider nicht mitnehmen. So fuhren wir bis Boulemane Dades und eroberten von da die berühmten Serpentinen der Dadesschlucht. Immer wieder machten wir Fotostopps um die alten Lehmburgen festzuhalten.
Kurz vor unserem Ziel besuchten wir noch die Atlas Filmstudios in Ouarzazate – Hollywood in Marokko. Kulissen sehr bekannter Filme konnten wir uns ansehen: Gladiator, Ben Hur, Cleopatra, die Mumie, auch ein James Bond (Hauch des Todes) sowie die Päpstin wurden hier gedreht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und natürlich Game of Thrones nicht zu vergessen.
Aït-Ben-Haddou ist Weltkulturerbe der Unesco. Ein Spaziergang vom Hotel aus ist unbedingt zu empfehlen.
Tag 9 und 10: Über den Tizi n’Tichkapass nach Marrakesch
Höhepunkt der Tour, über den 2260 Meter hohen Pass nach Marrakesch. Von Aït-Ben-Haddou fuhren wir nicht gleich die N9 sondern die P1506 Richtung Norden fast allein auf weiter Flur durch den Atlas. Auf der Passhöhe war ein Fotoshooting obligatorisch, hier waren wir nicht alleine: Jede Menge Motorradreisende aus aller Welt, eine Gruppe aus Dubai war auch dabei, und Touristenbusse aus Marrakesch. Vom Pass geht es geschwungen wieder runter, großartige Ausblicke in den hohen Atlas inklusiv.
Vor Marrakesch noch eine Pause und dann in das Getümmel der Stadt. Unsere Gruppe beschloss einen Sightseeing Tag in Marrakesch einzulegen und dafür den Badetag am Atlantik zu canceln. Mit dem Taxi zum Djeema el Fna und den Sehenswürdigkeiten drumherum, alle waren sehr zufrieden mit der Entscheidung.
Tag 11: Hohe Wellen, Sandstrand und Kitesurfer in Essaouira am Atlantik
Von Marrakesch nach Essaouira sind es nur 200 km. Einige machten einen Umweg in das ländliche Hinterland der Atlantikküste, um auf schönen kleinen Straßen durch das hügelige Land zu cruisen.
In Essaouira ging es nach der Ankunft zum Fischereihafen. Die ganz große Fischplatte kam auf den Tisch. Wir machten es wie immer beim Essen: Zusammen bestellt und durch 10 geteilt. In der Regel war jeder mit 100 Dirham (10 Euro) inkl. Getränke für die Mittagspause dabei.
Ein Spaziergang durch die alte Stadt mit Festungsmauer und zahlreichen Gassen rundete diesen schönen Tag am Meer ab.
Tag 12: Casablanca
Die mit 370 km längste Etappe der Tour erwartete uns heute. Die ersten 200 km waren echt traumhaft. Immer am Meer entlang, links auf den blauen, rauen Atlantik schauend. Ab mittags kam reichlich Wind von vorne, so entschlossen wir uns, die Autobahn bis Casablanca zu nehmen.
Vor der Stadt eine letzte Kaffeepause, ab hier musste sich nun jeder per Google Navigation selbst durch die Stadt kämpfen. Ein Zusammenbleiben in der Gruppe ist hier unmöglich. Alle schafften es ohne Probleme. Am Abend wartete Rick’s Cafe auf uns, Jan hatte vorbestellt. Einhellige Meinung zu dem doch etwas teuren Menü (50 €): einfach Klasse, wirklich selten so gut gespeist – das Lammkotelett war der Hammer.
Tag 13: Casablanca nach Meknès
Am Morgen nahmen wir uns in Casablanca noch die Zeit, die größte Moschee des Landes zu besuchen und den Boulevard am Meer entlang zu fahren. Wieder durch die Stadt Richtung Benslimane die N23 und weiter die R404 nach Rommani. Was für eine tolle Strecke. In Khémisset dann die N6 bis nach Meknès. Man fährt von oben aus dem Bergland kommend in die Stadt. Schön geschwungene Straßen, genau richtig für unsere Harleys.
Tag 14: Von Meknès wieder zum Mittelmeer nach Al Hoceïma
Heute wird es nochmal sportlich. Nicht die ersten 150 km bis Taounate, die waren gemütlich und chillig zu fahren. Dann ging’s aber los: Kurve an Kurve bis fast nach Al Hoceïma. Das war ein Ritt! Nebenbei gab es fantastische Ausblicke ins Rifgebirge, nach jeder Kurve ein anderes, atemberaubendes Panorama. Die etwas ruppigere Straße war es allemal wert.
Tag 15: Auf Wiedersehen Marokko
Nochmal eine Traumstraße zum Abschied. Von Al Hoceïma die Küstenstraße entlang über den Affenberg nach Nador. Was für eine Strecke. Links das Mittelmeer, rechts das Gebirge in krassen Farben, schön geschwungene Kurven, guter Asphalt und wenig Verkehr machte uns den Abschied schwer.
Am Hafen wurden wir mit einem Europa konfrontiert, das wir so nicht kennen. 6 Meter hohe Doppelzäune grenzen Europa von Marokko ab. Ohne Probleme fuhren wir nach Melilla, einer der beiden spanischen Enklaven auf marokkanischem Boden. Melilla und Nador haben einen gemeinsamen Hafen.
Es war noch Zeit um Melilla zu erkunden. Die Fähren nach Spanien sind Nachtfähren, um 23 Uhr ging es los. Mit Schlafplatz in der Kabine kamen wir morgens ausgeruht in Motril
an. Noch 100 km bis zum Aufladepunkt unserer Motorräder in Malaga.
Was für eine Reise. Wir haben so viel gesehen, erlebt und genossen – für Motorradfahrer ist Marokko ein Traumland. Gute Straßen, wenig Verkehr, grandiose Landschaft. Der hohe Atlas hat bei allen besonders bleibende Eindrücke hinterlassen. So ganz anders als die heimischen Alpen. Marokko gehört definitiv auf eine „Bucket List“!
Die Reise wurde organisiert von Lamgarda Motorradtouren Marokko.
Alle Infos, Reisetermine usw. gibt es online unter www.motorradtourenmarokko.com
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