aus bma 6/11 – Fahrbericht
von Marcus Lacroix
Warum in aller Welt sollte man sich das antun? Noch dazu als Motorradfahrer? Roller an sich sind ja noch so weit einigermaßen ok – praktisch im stadtnahen Bereich, platzsparend bei der Parkplatzsuche und teilweise auch ganz ordentlich motorisiert. Was soll man also mit einem Roller aus massivem Blech, der unterm Sitz keinen Stauraum besitzt, dessen magere 8,16 PS (6 kW) aus 125 Kubikzentimetern Hubraum mit einer knochigen Handschaltung abgerufen werden müssen und der noch dazu aussieht, als käme er direkt aus dem letzten Jahrtausend.
Tja, mit dem letzten Punkt haben wir den Nagel wohl auf den Kopf getroffen. Es soll ja Leute geben, die in der Garage neben ihrer modernen, voll ausgestatteten BMW-Limousine einen Fiat 500 stehen haben. Der kann rational auch nichts besser, macht aber viel Spaß, denn er berührt das Herz.
Der LML Star Deluxe 125 sieht original aus wie eine Vespa PX. Und das kommt nicht von ungefähr, denn die indische Firma LML (Lohia Machinery Limited) arbeitete schon vor vielen Jahren für Piaggio. Den Star-Roller produziert LML seit 1999 in Eigenregie. Die Form des Blechs ist einfach zeitlos und das dürfte den Erfolg des Rollers auch in Europa erklären. Die Vespen bringt man einfach mit dem Wirtschaftswunder in Verbindung. Petticoats, fliegende Haare, junge Menschen, Freude am Leben. Allein in Italien soll LML im Jahr 2010 rund 3000 Stück des Klassikers verkauft haben! Also muss ja was dran sein und wir wollten es wissen.
Unseren Probefahrt-Roller stellte uns die Firma Zweirad Denker aus Wüsting (Telefon 04484/945541, www.zweirad-denker.de) zur Verfügung. Kurze Einweisung durch Andreas: „Drehgriffschaltung kennst du?” – „Klar, zuletzt Anfang der 80er an einer Zündapp-Mofa gefahren”. „Vorsicht beim Bremsen, das Teil zieht nach rechts. Probier das in Ruhe aus” – „Klar, kein Problem”. „Tank ist unter der Sitzbank. Ist aber sehr sparsam und eine Tankuhr hast du auch” – „Ok, stell trotzdem lieber von Reserve auf Normal”. „Na dann, viel Spaß!”.
Kupplung ziehen, E-Starter drücken, der 125er Viertakt-Vergasermotor braucht nur kurze Chokeunterstützung und läuft dann rund. Ankicken geht auch – ganz wie früher, wo Vespen nur gekickt wurden. Mit deutlichem „Klongk” rastet der erste Gang ein, das Spiel zwischen Kupplung und Gas bereitet einem Motorradfahrer keine Mühe und los geht die Fahrt. Nicht rasant, aber durchaus flott, wenn man das Gewicht von immerhin 121 kg + Fahrer und die Leistung in Relation setzt. Als Höchstgeschwindigkeit versprechen die Papiere fette 83 km/h. Der cw-Wert einer Schrankwand, speziell mit dem senkrecht stehenden Windschild aus dem Zubehörprogramm, fordert seinen Tribut. Unter wirklich günstigen Windbedingungen kratzt die Tachonadel fast mal an der 100, auf Strecke liegt sie aber meist zwischen 80 und 90 km/h. Da fühlt sich auch das Motörchen wohl, das dank Kat die Euro 3 Abgashürde schafft.
Stadt, Land Fluss – pardon, Autobahn. Die Landschaft zieht vorbei, die Rapsfelder duften, das Windschild schützt exzellent. Hält man sich fein rechts, schlüpfen Autos locker vorbei. Bei Vechta gelingt es mir sogar, auf der Landstraße einen LKW zu überholen – Chacka! Auf der Autobahn erreiche ich den ziehenden Brummi-Windschatten nicht und schwups, verbläst mich ein 30-Tonner. Egal, der LML gehört eh auf kleinere Landstraßen. Dort hopst das Fahrwerk fröhlich vor sich hin, man sitzt kommod und das Motörchen schnurrt sein leises Lied. Die Tanknadel sinkt nur langsam.
Abseits des Verkehrs nehme ich ein paar Gefahrenbremsungen vor. Trommelbremse hinten, eine Scheibe mit Stahlflexleitung vorne. Langt man mit Gewalt in die Eisen, zieht der kleine Roller extrem nach rechts. Die einarmige gezogene Schwinge ist dafür verantwortlich. Ist man drauf eingestellt, bereitet das Bremsverhalten aber keine Probleme. Gewöhnungsbedürftiger – für einen Motorradfahrer – ist da das sonstige Fahrverhalten mit den kleinen 10-Zoll-Kullerrädchen. Die slovenische Sava-Bereifung macht einen guten Job, so kleine Räder finden aber jedes Schlagloch. Anfangs fällt es schwer, einen halbwegs sauberen Strich zu fahren, mit den Kilometern gewöhnt man sich aber dran. Genial, vor allem in der Stadt, ist der extrem kleine Wendekreis. Auch die beiden Gepäckträger aus dem Zubehör sind sehr praktisch. Welcher Biker schafft es schon, zwei Bierkisten fahrneutral auf den Bock zu schnallen?!
Nach 150 Kilometern, irgendwo in der Walachei zwischen Vechta und Wildeshausen Vechta, stirbt der Motor ab – ok, schalten wir auf Reserve. Die Tanknadel ist noch nicht auf Null. Wildeshausen – tanken? Nee, Vollgas geht’s weiter. Neerstedt? Kirchhatten? Ach was soll’s, gleich sind wir in Wüsting und dann wird vollgetankt. So ganz auf Null ist die Nadel ja irgendwie noch nicht – das aber auch schon seit 15 Kilometern. Egal – noch fünf Kilomater, vier, brr, brrr – der Motor stottert – hüpfen, wackeln und hoffen eine versteckte Reserve findet sich… noch 500 Meter läuft er, brrrrrrr, und dann… STILLE. Ich stehe drei Kilometer vor dem Ziel. Exakt bei 195 Kilometern mit ziemlich viel Vollgasanteil ist Ebbe im Tank. Handy raus, Andreas schickt Axel vorbei, wir füllen circa ein, zwei Kaffeebecher Sprit auf und weiter gehts zur Tanke. dort gluckern 3,83 Liter aus dem Zapfhahn in den Tank, der angeblich 5,5 Liter fassen soll. Fazit: LML-Fahrer/innen sollten nicht 45 Kilometer auf Reserve fahren! Runde 2 Liter auf 100 Kilometer hat sich der Star Deluxe genehmigt. Bei gemäßigterer Fahrweise dürfte es noch etwas weniger sein. Von 1,67 Liter/100km (60 km/ltr.) spricht LML im Prospekt.
Wer einen Roller oder ein Zweitfahrzeug braucht, nur um damit schnell mal zum Einkaufen zu fahren oder ihn als reines Nutzfahrzeug betrachtet, für den ist der LML Star Deluxe sicher nicht erste Wahl. Wer allerdings neben seiner perfekten Welt auch noch mal ein Fahzeug für’s Herz sucht, das sparsam im Unterhalt und günstig in der Anschaffung ist, ein Fahrzeug das Flair hat und nach dem sich auch andere mal umgucken, das vielfach bewährt ist und das es mit voller Garantie beim Fachhändler gibt, der sollte mal eine Probefahrt vereinbaren. Für 2799 Euro UVP ist der indische LML Star Deluxe 125 in den italienischen Farbtönen rosso, grafite, nero und avorio erhältlich. Infos gibt es auch unter www.lml-deutschland.com.
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Kommentare
2 Kommentare zu “LML Star Deluxe 125”
Hallo! habe etwa vor einem Jahr einen 150 ccm LML gekauft. Scheibe, Seitenständer und Gepäckträger montiert und seither 2000 km gefahren. Ohne Probleme. Farbe anthrazit metallic. Würde mir aber gerne einen 200ccm LML kaufen. Der Autobahn wegen. Wer möchte meinen 150ccm LML ggf. kaufen. Stelle mir so 1600.- EUR vor. Raum Regensburg
Hi Maus, ich bin nicht sicher ob sich dieses indische Modell wirklich lohnt. Die den genannten Preis gibt es da wirklich tolle Sachen. Fahr mal damit und dann können wir ja nochmals reden!!!