aus bma 7/99
von Volker Neumann
No problem, i know a man. He can help you”. Ungläubig schaue ich mein Gegenüber, dann meine Freunde an. Der will uns auf den Arm nehmen, denke ich. So einen Schaden kann man nicht flicken, schon gar nicht hier. NO PROBLEM.
Gut ein Jahr zuvor hatten wir mit den Vorbereitungen begonnen. Wir, das sind Robert (R 1100 GS) und Paul (XT 600) aus Nürnberg und ich (XL 500 R) aus Hamburg. Das Infomaterial über Libyen ist rar und die Meinungen über dieses Land auch nicht die besten. Um so mehr waren wir gespannt auf das, was uns erwarten würde.
Anfang Mai starten wir und setzen mit der bekannten HABBIB nach Tunesien über. Auf direktem Wege erreichen wir die libysche Grenze. Schon viele Kilometer zuvor sehen wir Schwarzhändler mit libyschen Geldbündeln wedeln. Für uns eine gute Gelegenheit, Geld zu tauschen, ist doch der offizielle Kurs um das zehnfache schlechter. Bei der Einreise müssen wir nochmals – offiziell – Geld tauschen. Eine Versicherung und diese und jene Gebühren werden bezahlt. Zum Schluß wird ein libysches Kennzeichen montiert. Bei der Vergabe ist es für die Grenzer egal, daß ein Autokennzeichen nicht an ein Motorrad paßt. Mit Anbruch der Dämmerung suchen wir unser erstes Nachtlager unter freiem Himmel.
Unser erstes Ziel heißt Ghadames – eine sagenumwobene Stadt im Südwesten von Libyen an der algerischen Grenze. Im recht spärlich besiedelten Land liegen auf dem Weg nach Ghadames nur einige kleine Orte. Da passiert es: am Ortsausgang eines solchen kleinen Ortes bleibt die XL mit einem unschönen Krachen stehen. Beim Startversuch schlägt etwas im Motor an. Dann bewegt sich nichts mehr. Schnell wird uns klar, das bedeutet nichts Gutes. Nachdem der Schaden gefunden (gebrochener Ventilsitz) und behoben ist (siehe oben), werden wir zum Essen eingeladen. Es entwickelt sich eine familiäre Atmosphäre und wir bleiben zwei ganze Tage. Dann müssen wir weiter.
In Ghadames erwartet uns eine großartige Altstadt mit vielen verwinkelten Gängen. Bis vor kurzem haben hier noch Menschen gelebt, die sich im Sommer hier vor der großen Hitze geschützt haben. Unweit von Ghadames ist für uns der erste Pisteneinstieg. Von Dari nach Idri führt eine circa 550 Kilometer lange Piste Richtung Süd-Osten. Unser GPS zeigt uns den genauen Weg; richtig brauchen tun wir es zwar nicht, zu deutlich ist der Pistenverlauf zu sehen, aber beruhigen tut es doch. Die Koordinaten haben wir aus „Pistenbeschreibung einer Libyenreise 1994-1995” von Frihjof Ohin.
Wir lassen uns Zeit und genießen die Weite der Wüste. Temperaturen zum fast nicht aushalten führen zu verwirrenden Luftspiegelungen. Es ist ein tolles Gefühl, in der endlosen Weite zu stehen, aber auch ein richtig unheimliches. Die Motorräder kochen. Wir auch. Unter der Schutzkleidung staut sich der Schweiß. Über die Mittagsstunden machen wir Rast im Schatten der Motorräder. Ich habe gar nicht gedacht, daß heißes Wasser so gut schmecken kann. Wir trinken viel. Zum Glück haben wir genug Wasser mit. So können wir uns dreieinhalb Tage Zeit lassen.
Ab Idri haben wir wieder Asphalt unter den Stollen. Über Sabah fahren wir bis Timsah. Hier im Süden herrschen schon Temperaturen um die 40 Grad im Schatten. Es ist wie ausgestorben in Timsah. Nur der Tankwart traut sich kurz aus seinem Haus. Wir tanken unsere dickbäuchigen Tanks voll und auch die 20 Liter-Reservekanister werden gefüllt. Nicht nur Benzin sondern auch Wasser verstauen wir sorgfältig auf den Motorrädern. Jeder überprüft nochmals sein Motorrad. So verbringen wir die Zeit bis zum Nachmittag, wo die Sonne ein wenig an Kraft verliert und wir den Einstieg in die Piste zum Waw an Namus wagen können. Es bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum Sonnenuntergang, geht das Licht doch fast schlagartig aus.
Nach unserer Pistenbeschreibung folgt schon wenige Kilometer, noch in Sichtweite zu Timsah, ein Weichsandfeld. Dieses wollen wir nicht mehr heute bezwingen und schlagen davor unser Nachtlager auf. Schnell ist die Sonne weg und es wird ein wenig schattig, dazu kommt der Wind, der die plötzliche Kühle noch verstärkt. Wir stärken uns mit einer guten Suppe, die alles in sich hat, was wir brauchen: Kraft.
Am nächsten Morgen wollen wir zeitig los, doch eine klamme Kälte läßt uns schwer aus dem Schlafsack kommen. Der Start im Weichsandfeld gestaltet sich äußerst schwierig. Wir sanden mehrmals ein, und nur mit vereinten Kräften buddeln wir uns wieder aus. Dabei ist der Trick beim Tiefsandfahren ganz einfach – erst einmal in Schwung gekommen darf man nicht wieder anhalten. So fliegen wir fast 30 Kilometer über den schweren und tiefen Sand dahin, bis wir wieder festeren Boden unter den Füßen haben.
Nach 316 Kilometern und zwei Tagen Fahrt liegt bei 24-55-26 N und 17-44-89 E der Waw an Namus vor uns. Ist die Wüste sonst hell bis golden, so ist die Welt jetzt um uns herum pechschwarz. Der Krater hat circa 3 – 4 km Durchmesser. Die Kraterwände fallen relativ steil zum Kraterboden ab. Im Zentrum des Kraters erhebt sich ein jüngerer Krater, der die äußeren Kraterwände überragt. Rund um den inneren Vulkan haben sich fünf Seen gebildet, die in den unterschiedlichsten Farben leuchten. Wir sind so begeistert von dem Anblick, daß es uns die Sprache verschlägt. Der Waw an Namus, zu deutsch der Mückenkrater, macht seinem Namen alle Ehre. Sobald die Sonne verschwindet steigen Millionen von Mücken auf und machen jedem das Leben zur Hölle. Ist die Sonne aber da, täuscht flimmernde Luft Wasser vor. Der Mund wird trocken und saugt gierig das heiße Wasser aus der Wasserflasche. Fahrtechnisch stellt der weiche Sand, bedeckt mit feiner Lava-Asche, hohe Ansprüche an uns. Viel zu spät merke ich, daß ich meine beiden Freunde bei der Abfahrt vom Krater verloren habe. Ich warte am Fuß des Kraters, leider außer Sichtweite. Doch als ich nach einer halben Stunde noch immer nichts höre oder sehe, werde ich unruhig. Ich fahre soweit es geht zurück, sande bis zur Schwinge ein, kämpfe mich frei und fahre wieder auf festem Boden. Viel Herumfahren kann ich nicht. Das Benzin ist knapp. Ich fahre zu unserem letzten GPS-Punkt und warte dort über zwei Stunden. Erleichtert höre ich schließlich ein Brummen. Ich sehe aber nur ein Motorrad und das hat kein Gepäck mehr. Da ist was faul, und zwar oberfaul.
Pauls XT ist nach einem harmlosen Umfaller nicht mehr angesprungen. Der E-Starter drehte durch, aber es kam kein Funke mehr. Alles Probieren und Schrauben nützte nichts. Sie haben die XT samt Gepäck von beiden Motorrädern zurückgelassen. Nur Benzin und Wasser haben sie dabei. Zu dritt auf zweit Motorrädern machen wir uns auf den Weg zurück. Auf halbem Weg liegt eine Bewässerungsstation mit Gästehaus. Hier hoffen wir, Hilfe zu finden, denn die XT wollen wir nicht aufgeben.
Zwei Tage später sitzen wir bei 35 Grad im Schatten in einem ehemaligen Fleischtransporter, der nur zweieinhalb Sitzplätze für vier Leute hat. Der arabisch sprechende Fahrer steuert zielgenau auf den Krater zu und wir finden ohne Probleme die XT wieder. Nach mehr als neun Stunden Fahrt sind wir wieder zurück.
Schnell wird klar, daß wir hier nichts reparieren können. Zum zweiten Mal wird der Truck gechartert und bringt die XT in die nächste größere Stadt. Zu aller Begeisterung werden im Truck noch zwanzig Ziegen mitgenommen, die fleißig auf unsere Sachen gek….t haben. Na toll! Wieder können wir den Schaden reparieren und unsere Reise fortsetzen. Doch wir fahren ab hier keine Piste mehr. Auf direktem Weg fahren wir nach Tunis und erreichen ohne weitere Probleme Anfang Juni wieder das kalte und verregnete Deutschland. Welch eine erlebnissreiche Abenteuertour! Wir haben vor allem eines gelernt: viele schlechte Geschichten über Libyen stimmen nicht.
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