aus bma 7/99

von Andreas Spata

LibyenMit dem Hinweis einer Zufallsbekanntschaft fing alles an. „Das is goil, ey, das mußt Du machen”. Ein dreiviertel Jahr später war fast alles, was der Veranstalter verlangt, gemanaged – Visa-Anträge, diverse Einkäufe und Umbauten waren erledigt und auch der Personenschutz (Protektoren etc.) war optimiert. Enduro-Erfahrung hatte ich nur wenig, wenn man mal von XT-Trips abseits der Straße absieht. Na ja, ich und meine Gummikuh werden es schon schaffen!?
Dick eingepackt ging es im März über München und Mailand nach Genua zum Hafen zur Einschiffung nach Tunesien. Hier am Hafen traf sich eine muntere Schar von zwölf Unerschrockenen, die sich laut Unterlagen des Veranstalters aus ebensovielen Berufen wie aus verschiedenen Motorrädern zusammensetzte. Größere Gepäckstücke wurden gleich in den Begleit-LKW geladen, wo sie auch die nächsten zwei Wochen blieben.
Tunesien durchfuhren wir an einem Tag, so daß wir morgens in Libyen einreisten. An der Grenze erwartete uns bereits ein libyscher Reiseführer; so kamen wir auch um die 200 Dollar Mindestumtausch herum. Unser erstes Camp schlugen wir wenige hundert Meter von der Hauptstraße nach Ghadames auf. Auf dem Weg durch den Sand war natürlich schon nach den ersten Metern Schluß. Wie geht es weiter fragt man sich an solcher Stelle, eingegraben bis zur Nabe und man riecht schon langsam die Kupplung. Erst mal laut um Hilfe gerufen. Einer der Mitreisenden – mit mehr Erfahrung – war gleich zur Stelle. Auf ebener Fläche Motorrad eingegraben, fast ein wenig lächerlich. Na ja, erstmal umschmeißen, den zweiten Gang rein, drei viertel Gas, Kupplung loslassen und kräftig schieben. Siehe da, meine 220 kg Motorrad bewegten sich wieder kontrolliert, wie schön.

 

LibyenWährenddessen hatte sich das Küchenteam bereits an den Benzinkochern zu schaffen gemacht, und die Biertheke hatte auch schon auf. Vor dem Essen mußte nur noch das Zelt aufgebaut werden, ich hatte gehört, es solle Gulasch mit Klößen geben. Ich muß sagen, trotz einiger anderer Unwegbarkeiten, das Essen aus dem LKW-Vorrat war immer hervorragend – und genau geplant, so daß auch im letzten Biwak noch genug Erdbeercreme für alle da war.
Die weiteren 300 Kilometer bis Ghadames bewältigten wir leicht auf ausgebauten Straßen, die wenigen Sandverwehungen konnten noch leicht umfahren werden. Gahdames ist für seine schöne noch bewohnte Altstadt bekannt, Silberschmiedearbeiten sind in angenehmer Atmosphäre besser in Ghat zu erhandeln.
Ab Gahdames führte die Route dicht an der libysch-algerischen Grenze entlang, manchmal überfuhren wir diese, wie uns später das Sateliten-Navigationssystem bestätigte. Nachdem wir unser Biwak in der Nähe eines kleinen Tals mit spärlichem Bewuchs (Wadi) aufgeschlagen hatten, wurde der Abend von immer stärker werdendem Regen vorschnell beendet. Unser Abendessen, das wir vorsorglich auf die Ladefläche des LKW’s verlegt hatten, wurde von sorgenvollen Blicken nach draußen begleitet. Es bildete sich ein größeres Rinnsal, das eins unserer Zelte umspülte; ein Umzug blieb unumgänglich. Der nächste Morgen war sehr feucht und der Schlamm klebte nicht nur an den Stiefeln; es ging weiter Richtung Süden. Nachdem wir in Ghat Souvenirs (im wesentlichen Silberschmuck) erstanden hatten, fuhren wir weitere 20 Kilometer nach Süden, um dann das Acacus Gebirge in östlicher Richtung zu durchqueren. Die Faszination dieses relativ kleinen Gebirges geht besonders von den direkt aus dem rötlichen Wüstensand aufragenden Felsformationen aus. Es gibt dort sehr schöne einzelne Monolithen sowie auch brückenförmige Felsen, ähnlich denen in Utah (USA). Dank unseres einheimischen Führers brauchten wir nach alten Felszeichnungen, die recht abgelegen zu finden sind, nicht lange zu suchen.
LibyenAuf einem Dünenfeld absolvierten einige von uns unter fachlich kompetenter Anleitung ihre erste Dünen-Fahrstunde. Nach Absenken des Reifenluftdrucks auf 0.5 – 1.0 bar hatte man ein traumhaftes Sand-Fahrverhalten, da sich die Auflagefläche und die Seitenführung erheblich verbesserten. Eine der wichtigsten Regeln: immer auf der Spitze anhalten, da man ja nicht über die Düne hinwegsehen kann, wo es unter Umständen 45° abwärts geht. Von oben kann man dann seine weitere Fahrlinie bestimmen. Wenn es wirklich 45° abwärts geht, hat man kaum eine Chance, einen Sturz zu verhindern, da das Vorderrad wahrscheinlich zuerst aufkommt. Ein Handstand über den Lenker ist dann leicht möglich. Die Schwierigkeit besteht nun darin, sich mit der richtigen Geschwindigkeit an den Dünenkamm heranzutasten, ohne sich vorher im weichen Sand einzugraben. Dann bleibt nur noch Umdrehen und neuen Anlauf nehmen.
Von Vorteil ist ein leichtes Motorrad – natürlich ohne Gepäck – mit ordentlich Drehmoment im unteren Drehzahlbereich. Damit hatte ich mich mit meiner GS definitiv für die schönsten und höchsten Dünen disqualifiziert (auch wenn das manche nicht hören wollen).
Nach dieser ersten Lehrstunde hatten wir noch öfters Gelegenheit, das gerade erlernte umzusetzten. Besonders schwierig erschien uns ein Dünenfeld südlich der Mandaraseen. Da der einheimische Führer verspätet eintraf, fuhren wir erst am späten Vormittag los. Dies führte dazu, daß durch die hoch stehende Sonne kein Schatten und somit auch nicht das Ende einer Düne zu erkennen war. Die wenigen noch vorhandenen Konturen verschwanden beim Aufsetzten einer Sonnenbrille fast vollständig. Also entweder mit Schlitzaugen fahren und einen Krampf im Gesicht riskieren, oder ganz langsam mit Brille. Einige, jedoch glimpflich verlaufende Stürze waren die Folge dieser erschwerten Umstände. Belohnt wurden wir mit dem ganz plötzlich vor uns auftauchenden Mandarasee, in dessen stark salzhaltigem, heißem Wasser wir uns von den Anstrengungen erholten. Unser Lager schlugen wir wegen der vielen Mücken auf einer Düne zehn Höhenmeter über dem See auf, wo wir in Ruhe den Sonnenuntergang genossen. Der Rückweg, immer Richtung Norden, fiel allen sichtlich schwer, da er im wesentlichen über Asphalt führte.Libyen
Was macht nun den Reiz des Dünenfahrens aus? Ist es die Angst, sich einen Meter vor dem Gipfel festzufahren oder mit zuviel Speed über die Kuppe zu fliegen? Ist es das Glücksgefühl, richtig (Vorderrad bergab) oben zu stehen, um dann wieder mit drei viertel Gas die Düne herabzurauschen, ohne das Ende des Gefälles zu sehen? Oder ist es das Gefühl, es zu beherrschen, durch gefühlvolles Gasgeben bei der Berg- und Talfahrt nicht im Sand zu versinken. Was es auch immer ist, es macht süchtig!
Vorteile einer Gruppenreise sind die relative Sicherheit – gerade für Einsteiger – durch komplette Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Benzin, reiner Fahrspaß (kein Gepäck), kein Navigationsstreß und direkter Rücktransport bei Ausfall des Motorrades per LKW(wir hatten zwei kapitale Motorschäden). Nicht zu unterschätzen ist der große Erfahrungsschatz, den man sich innerhalb kürzester Zeit vor und während dieser Reise bezüglich Motorradausstattung, Organisation, Fahrtechnik und Navigation aneignet. Der Nachteil von Gruppenreisen ist, daß es kaum die Möglichkeit gibt, kurzfristig umzudisponieren. Auf der Gesamtfahrstrecke von 1500 Kilometer Offroad hatte nur eins der zwölf Motorräder eine Reifenpanne und dies auch nur, weil kein Schlauch eingezogen war und der Reifen bei zu geringem Luftdruck ins Tiefbett gesprungen war. Einige Veranstalter bieten auch Leihmotorräder an, das senkt die Kosten für Umbauten und Reparaturen.

Libyen hat sich, nachdem Algerien nicht mehr zu bereisen ist, in den letzten Jahren immer mehr als landschaftlich vergleichbares Reiseland erwiesen, das sich immer mehr auf den Individualtourismus einzustellen versteht. Mein persönliches Urteil: unbedingt empfehlenswert. Diese nicht gerade als Individualurlaub zu bezeichnende Reise habe ich als Einstieg in eine lange währende Faszination für die Wüste empfunden. Ich freue mich, auf dieser Reise einen Freund gefunden zu haben, der die gleiche Faszination mit mir teilt, mit dem ich auch später noch öfters individuellere Touren gemacht habe und noch machen werde.