aus bma 07/03

Text & Fotos: www.Winni-Scheibe.de

Laverda 750 SFCDie Laverda 750 SFC ist Legende. Nach vorsichtiger Schätzung rangieren jedoch weltweit in der Szene über 1500 dieser Sportflitzer, wovon allerdings nur 549 wirklich echte Werks-Production-Racer sind. Der Rest ist „selbstgestrickt”.
Ende der 60er, Anfang der 70er kamen Serienmaschinen-Rennen groß in Mode. Allen vorweg die Amis mit ihrem berühmten 200-Meilen-Rennen von Daytona. In Europa nannte man das Spektakel Langstrecken- oder Endurance-Rennen. Aus diesen Marathon-Wettbewerben entstanden die „Formel-750” sowie die Langstrecken-Europameisterschaft, aus der später die Langstrecken-WM hervorging.
Alles, was Rang und Namen hatte, war damals vertreten: BSA, Triumph und Norton. Die japanische Armada setzte sich aus Kawasaki, Honda und Suzuki zusammen, aber auch BMW war mit von der Partie. Und dann gab es natürlich noch die Italiener: Moto Guzzi, Ducati und Laverda.

 

Bei dem 24-Stunden-Rennen von Oss in Holland tauchte Laverda 1971 mit einem brandneuen Production-Racer auf. Die 750 SFC (Sportivo-Freni-Competizione – Sport-Bremse-Wettbewerb) basierte auf der bekannten 750 SF. Mit einem Schnitt von 125,26 km/h gewann das Werk diesen Endurance-Lauf. Nach der Zieldurchfahrt verkündete das Laverda-Team stolz, dass während des 24-Stunden-Marathon 22.353 mal geschaltet und 3274 mal gebremst werden musste! Ihre Feuertaufe hatte die 750 SFC somit bestens bestanden. Und genau so eine Maschine konnte wenig später jedermann kaufen. Vorausgesetzt das nötige Kleingeld war vorhanden und man wollte Lang-streckenrennen fahren. In Italien kostete der edle Renner 1.410.000 Lire, bei uns mussten dafür rund 10.000 Mark auf die Ladentheke geblättert werden.
Laverda 750 SFCIm Vergleich zu heutigen Superbikes vom Schlage einer Ducati 999, Yamaha R1 oder Suzuki GSX-R 1000 war die Laverda 750 SFC allerdings nie als zulassungsfähiges Straßenmotorrad konzipiert oder gedacht. Bei ihr handelt es sich um einen reinrassigen Production-Racer, den man ausschließlich für den Rennsport entwickelt und gebaut hatte. Dass die SFC trotzdem im öffentlichen Strassenverkehr auftauchen sollte, ist bei uns engagierten Händlern und Privatleuten zu verdanken, die via Einzelabnahme die TÜV-Hürde meisterten. Doch das ist eine Story für sich…
Die erste SFC wurde 1971 produziert, die letzte verließ 1976 das Laverda-Werk. In fünf Jahren wurden exakt 549 Racer gebaut. Aber man weiß noch viel mehr über die Renner. Alle Fahrgestellnummern sind bekannt, von fast allen SFCs weiß man, wo sie stehen und wer den Renn-Twin besitzt. Massimo Borghesi aus Milano hat die Maschinen in seinem Edel-Buch „Registro Laverda 750 SFC Italia” zusammengetragen. Es gibt wohl kaum ein anderes Rennmotorrad, bei dem sich die technische Entwicklung so detailliert verfolgen lässt. Danke, lieber Massimo!
Laverda 750 SFCDie Fertigung der SFC-Baureihe erfolgte in drei Serien. 1971-73 entstand die erste, 1974 die zweite und 1975-76 die dritte Serie. Aus der ersten Serie stammen die Modelle mit den Speichenrädern und großen Trommelbremsen. Bei der zweiten Serie handelt es sich genau genommen um ein neues Motorrad. Das Rahmenheck hatte man gut 40 mm abgesenkt, was die Sitzhöhe merklich verringerte. Eine vollkommen neue Form hatte der 25-Liter-GFK-Tank. Die Vorderradführung übernahm eine neue Ceriani-Telegabel mit 38 mm Standrohrdurchmesser, und für die Verzögerung sorgten nun am Vorderrad 280er Brembo-Doppelscheibenbremsen. Am Hinterrad saß ebenfalls eine 280er Brembo-Scheibenbremse. Weiterhin verwendete Laverda Speichenräder mit Borrani-Hochschulterfelgen, die hintere Radnabe ließ man jetzt aber aus superleichtem Magnesium fertigen. Auch das Triebwerk konnte zahlreiche Modifikationen aufweisen und ließ die Leistung nun von 70 PS auf 75 PS bei 7500 U/min klettern. Die dritte und letzte SFC-Serie lief ab März 1975 vom Montageband in Breganze. Bei dieser Modellreihe hatte man sich verstärkt um das Triebwerk gekümmert. Anstelle der Kontaktzündung sorgte nun eine elektronische Bosch-Anlage für den rechten Zündzeitpunkt. Nächste und zugleich letzte Evolutionsstufe wurden Alu-Gussräder, die allerdings nur in den letzten 30 SFCs eingebaut wurden. Ein großes Kapitel italienischer Motorradgeschichte war damit beendet.
Im Langstreckenrennsport hat die SFC inzwischen nichts mehr zu melden. Ihre Blütezeit erlebte sie Mitte der siebziger Jahre. Erfolge in Oss, bei der Bol d’Or, in Zeltweg, in Barcelona, bei der „Mille Miglia” in Imola oder den 24-Stunden von Francorchamps machen sie unvergessen. Ein fester Platz in der Laverda-Fan- und Sammlerliga ist ihr ebenfalls sicher. Vorausgesetzt, es ist eine Originale. Imitationen gibt es zwar auch reichlich, doch von denen will man in diesen Kreisen nichts wissen.

Wichtige SFC-Merkmale:
Erste Serie 1971 bis 1973
Modifizierter SF-Rahmen, erkennbar an den Verstärkungsblechen im Schwingenbereich. Die Rahmen wurde gestrahlt und nur grob verzinkt. Ohne Lenk- und Zündschloss. Vorne und hinten 230 mm Laverda-Duplex-Trommelbremsen. Zwei 36er MKI Amal-Concentric-Vergaser.

Zweite Serie 1974
Neuer Rahmen mit etwa 40 mm tieferem Heckteil. Dieses Chassis gab es nur für die SFC und SFC-E. Besonderheiten: Rohrausbuchtungen über den Vergasern und im Bereich der Antriebsketten. Neue 38er Ceriani-Telegabel. Vorne 280er Brembo-Doppelscheibenbremse, hinten 280er Brembo-Scheibenbremse, Hinterradnabe aus Magnesium. Ohne Lenkschloss, jetzt aber mit Zündschloss. Neue 36er PHB-Dell`Orto-Vergaser ohne Beschleunigerpumpe.

Dritte Serie 1975/1976 „Electronica”
Haupterkennungsmerkmal der SFC-E ist die elektronische Bosch-Zündanlage. Hierfür war eine geänderte Kurbelwelle mit längerem linken Zapfen und ein neues Primärgehäuse (aus Magnesium) mit Kästchen für den Pickup erforderlich. Nur die SFC-E hatte einen Ölkühler. Rahmen wie bei der zweiten Serie. Vorne und hinten 280er Brembo-Scheibenbremsen, Speichenräder, hintere Radnabe aus Magnesium. Ohne Lenkschloss, aber mit Zündschloss. Die letzten 30 SFCs hatten Guss-Räder.

Technische Daten Laverda 750 SFC, Modelljahr 1975

MOTOR:
Fahrtwind gekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, Leichtmetallzylinder mit eingezogenen Gusslaufbuchsen 25 Grad nach vorne geneigter Zylinderblock; gebaute Stahlkurbelwelle vierfach in Kugellager gelagert; zwei Ventile pro Brennraum, eine oben liegende, über Duplexkette angetriebene Nockenwelle; zwei Dellorto-Rundschiebervergaser PHB 36; Nasssumpfschmierung 3,0 Liter Ölhaushalt; Bohrung x Hub 80 mm x 74 mm, Hubraum 744 ccm, Verdichtung 9.8:1, Leistung 75 PS bei 7500/min; kontaktlose Thyristorzündanlage, Drehstromgenerator 12V/ 150 Watt, E-Starter
GETRIEBE:
Primärantrieb über Triplex-Zahnkette, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, von der rechten Fahrerseite aus klauengeschaltetes Fünfganggetriebe; Sekundärantrieb über Kette
FAHRWERK:
Doppelrohr-Stahlrahmen ohne Unterzüge, Motor dient als tragendes Element; hydraulisch gedämpfte Telegabel, Hinterradschwinge mit fünffach verstellbaren, hydraulisch gedämpften Federbeinen; vorne Doppelscheibenbremse, hinten Scheibenbremse, Bereifung vorn und hinten Dunlop „T 100” 4.10H18
MASSE:
Gewicht 208 kg, zul. Gesamtgewicht 430 kg, Tankinhalt 25 Liter, 215 km/h, Preis 9500 DM