aus bma 7/13
von Marcus Lacroix

”Ich fahr mit der Lambretta raus zu meinem Vetter…”

Lambretta LN 125Den Song hat wohl jeder noch im Ohr. Doch während man Lambretta gefühlsmäßig irgendwie der Wirtschaftswunderzeit zuordnet kam der Schlager vom Vetter und der Lambretta von der High Life Skiffle Group erst 1982 auf den Markt. Die Geschichte  des ursprünglichen Lambretta-Herstellers Innocenti war da schon längst vorbei. 1972 kauften die Inder die alten Fertigungsmaschinen. 

Der Name Lambretta geht aber immer noch runter wie Butter und die Form ist unverkennbar. So ist der Ausruf meines alten Herrn auch nicht verwunderlich, als ich bei schönstem Sonnenschein im Juni bei ihm auf den Hof rollerte: „Oh, da kommt er mit einer alten Lambretta!”. „Nix da, Vaddern: Lambretta ja, alt nein.”

Die Lambretta kann man wieder nagelneu kaufen. Allerdings ist es heute wie mit vielen bekannten Namen – nehmen wir z.B. Kreidler, Horex, Triumph, Telefunken oder Maybach – man verbindet bestimmte Bilder damit, die aber aus der Vergangenheit stammen. Manche, wie z.B. Triumph, haben sich tatsächlich neu erfunden und etabliert; das kostete viel Geld und Mühe, hat sich aber gelohnt. Doch Rechte an Markennamen werden weltweit gehandelt und vermarktet, die Qualität der Produkte bewertet man deshalb besser unabhängig vom bekannten Namen. 

Lambretta LN 125Die hier vorgestellte Lambretta LN 125 stammt von der italienischen Firma Lambretta Motolife Italia SpA. Diese fertigt allerdings nur die Stahlblech-Karosserie bestehend aus der schnittigen Heckverkleidung und dem Frontschild. Immerhin: Alessandro Tartarini, der Sohn des Italjet-Gründers, hat sie gezeichnet und ist für’s hübsche Retro-Design verantwortlich. Der Roller selbst wird bei SYM in Taiwan produziert und auch von einem SYM-Motor (er sieht verdächtig nach dem SYM 125 Fiddle 2 aus) angetrieben. 

Auf Knopfdruck nimmt der 125er Viertakter spontan seine Arbeit auf. Ein automatischer Choke steuert den Vergaser, ein unterdruckgesteuerter Benzinhahn den Spritfluss. Geschaltet oder gekuppelt wird wie bei den meisten Rollern auch automatisch. Gas ist rechts, ab geht die Post. 

Lambretta LN 125 CockpitIm stadtnahen Bereich fühlt sich das 6,5 kW (knapp 9 PS) Motörchen dabei sogar recht kräftig an. Auch mit zwei erwachsenen Personen kommt die Lambretta ganz gut aus dem Quark. Etwas dünn wird die Luft allerdings, wenn man sich auf Bundesstraßen oder auf die Autobahn wagt. 85 km/h werden solo zwar immer schnell erreicht, mit angelegten Ohren und günstigem Wind waren auch mal 92 km/h drin, auf der Landstraße werden die seltenen Überholmannöver damit aber schon mal zur Nervenprobe. Heizerei ist definitiv nicht die Domäne der LN 125, Vmax und Motorleistung liegen im Bereich der originalen Lambretta 125 DN von 1970. In der Stadt ist man mit 9 PS aber immer vorne mit dabei und wer mit der entsprechenden Muße unterwegs ist, wird am Bummeln über Landstraßen auch seine Freude haben. Dass man in 70er Zonen Vollgas stehen lassen kann, ohne gleich den Lappen zu verlieren, wirkt sich jedenfalls positiv auf die Psyche aus. Der Lambretta-Tacho zeigt die gefahrene Geschwindigkeit dabei übrigens sehr genau an, wie der GPS-Abgleich bestätigt.

zu klein: HelmfachIns klassische Gesamtbild passen auch die Bremsen: Anfänger werden nicht überfordert, beim alltäglichen Rollern macht die Brems­anlage einen passablen Job. Problemlos dosierbar, mit relativ hoher Handkraft bei der Hinterrad-Trommelbremse, bekommt man den Roller solo gut zum Stehen. Mit zwei Personen ist etwas mehr Voraussicht nötig. Die Maxxis Reifen bieten ausreichend Grip.

So gemütlich wie die Fahrleistungen ist auch der Fahrersitz – die dicke Polsterung schmeichelt dem Popo. Durch die Beinfreiheit kommen auch größere Personen gut mit der Sitzposition klar. Der fehlende Mitteltunnel, den viele moderne Roller zugunsten eines stabileren Rahmens samt stärkerer Motorisierung haben, erleichtert den Transport einer Einkaufstasche am serienmäßigen Haken. Die ist beim Shoppen auch nötig, denn unter der Sitzbank befindet sich leider nur ein arg mickriges Staufach. Selbst mein kleinster City-Helm passt nicht rein. Und mit einer (No)Braincap fahren wahrscheinlich nur Italiener. Kritikwürdig sind außerdem das mangelhafte Bordwerkzeug, mit dem man nicht mal eine Glühlampe wechseln oder die Spiegel einstellen kann und die funzeligen Kontrollleuchten. Ein Tageskilometerzähler ist nicht unbedingt nötig, dafür gibt’s eine Zeituhr, eine zuverlässig anzeigende Tankuhr und ein überflüssiges Voltmeter.

Lambretta LN 125Beim Fahrwerk hinterlässt das Heck mit der Triebsatzschwinge einen besseren Eindruck als die Telegabel an der Front. Speziell auf zügig gefahrenen Schlaglochstrecken kommt sie an ihre Grenzen. Da führt man den Lenker bevorzugt mit lockerer Hand, lässt das Gas stehen und hoppelt auf den kleinen 12 Zoll Rädern möglichst schnell drüber weg.

Ein Punkt über den man nicht so einfach hinwegsehen kann ist der Benzinverbrauch des vergaserbestückten SYM-Motors. Wir haben den Roller über 400 Kilometer gefahren. Dabei verbrauchte er im Schnitt exakt 4 Liter auf 100 Kilometern. Der Tank fasst 5,5 Liter und so tankt man in der Praxis alle 120 Kilometer. Selbst wenn man berücksichtigt, dass man als Motorradfahrer so einen 125er Roller eigentlich fast nur digital bewegt – also Vollgas / kein Gas – ist der Verbrauch nicht mehr zeitgemäß. Zum Vergleich: ein 125er Honda Innova ist selbst bei brutaler Fahrweise und bei deutlich besseren Fahrleistungen kaum über 2,5 Liter zu bringen. Wer mit spitzer Feder rechnet, muss dabei allerdings den günstigeren Kaufpreis der Lambretta gegenrechnen und das relativiert die Spritkosten wieder. Je nach Fahrweise und Benzinpreis dürfte der „Break Even” dann zwischen 10 und 20.000 Kilometern liegen.

Die Lambretta ist mit einem Anschaffungspreis von 3300 Euro aber sowieso kein Motorroller für streng wirtschaftliche Rechner. Wer einen emotionslosen 08/15-Roller zum Einkauf oder als Pendler sucht, findet günstigere Alternativen am Markt. Allerdings findet man keinen, der die alte Lambretta-Form so gekonnt italienisch schick interpretiert und das Auge fährt bekanntlich mit. Die Alten gucken, weil sie sich an bessere Zeiten erinnert fühlen, die Jungen weil das Retro-Design ankommt. Farblich hat man die Wahl zwischen cremeweiß mit rot, blau oder grün oder ganz in klassischem schwarz. Mehr Infos gibt’s im Fachhandel – Lambretta findet man bei den Vertragshändlern der KSR-Group, die auch die Marken Generic und LML vertreiben. Online-Infos gibt’s unter www.lambrettascooter.eu.