aus Kradblatt 8/18
von Ralf Tausche

Einfach mal nur fahren …

Kurz vor der Öresundbrücke

Der warme böige, vom offenen Meer kommende Wind, rüttelt unerbittlich am Zelt. Es wackelt und schüttelt sich, doch es hält den Naturgewalten stand. Die Dämmerung der frühen Abendstunden lässt das helle Innenzelt in einem diffusen Licht erscheinen, und obwohl die akustische Präsenz des Windes allgegenwärtig ist, tendiert die Messkurve der persönlichen Gedankenlinie gegen Null. Entspannung pur! Und der Arsch tut noch nicht mal weh nach fast 700 km am Stück, die ich auf dem Motorrad gesessen habe, von meinen Heimatort bis hierher, an der Westküste Südschwedens, auf dem direkt am Meer gelegenen Campingplatz Barkäkra. Wenn die E6 wegen Brückenarbeiten nicht vollgesperrt gewesen wäre, würde ich wohl noch immer unterwegs gewesen sein. Aber es ist doch besser jetzt hier zu verweilen, denn langsam werden die Augen doch recht schwer.

„Schatz, ich dreh mal ’ne Runde“. Dann schwinge ich mich meist auf das Motorrad, düse über die persönliche Hausstrecke. Oder organisiere, wenn es Anfang des Monats wieder soweit ist, ein Kradblatt in Papierform, schaue mal bei dem einen oder anderen Motorradhändler durch das Schaufenster, fahre auch mal mit dem einen oder anderen Bekannten durch die Gegend. Irgendwie ist dann der Sommer auch schon wieder vorbei. 

Einfach mal nur fahren, der Weg als Ziel gedacht, mal richtig Strecke machen, ein paar Tage vielleicht. 

Ralf und seine Suzuki Während ich dann in der Garage meine alte Suzuki betrachtend sitze, nach einer tollen, wieder viel zu schnell endenden Sonntagnachmittagstour, der Motor noch warm und das Bier schön kühl ist, schweift der Blick zur Decke. Drei Givi-Koffer und ein Gepäckträger hängen dort schon einige Zeit und bis dato völlig ungenutzt. Endlich mal dranschrauben den Klimbim. Wie will man nächtigen? Zelt und Campingausrüstung ist vorhanden! 

Schweden als Ziel im Auge, geht es an einem Sonntagmorgen im Sommer, vollbepackt über Deutschlands Autobahn los. Ups, der Vortrieb endet auch bei Tacho 200 km/h nicht merklich, kann bestimmt nicht gut für die Koffer sein und so pendelt sich die Reisegeschwindigkeit bei gut 160 km/h ein. 

Nachdem Deutschland ohne Stau abgehakt ist, geht es durch Dänemark. Als Weg nach Schweden hatte ich mir die Landroute über die Great Belt und die Öresundbrücke ausgedacht. Wie gesagt, ich wollte ja fahren und nicht auf irgendeiner Fähre blöd über die Reling hängen. 

Als Biker muss man als Maut ca. 90 € für die zweifache Tour löhnen. Auch Dänemark ließ sich dann ohne Stau erledigen. Juhu, Schweden ich komme. 

Die Öresundbrücke im Rückspiegel, die Grenzkontrolle passiert, Malmö schon ganz nah, fahre ich nun auf Schwedens Dosenbahn und wenn dann der nächstgrößere Ort hinter einem liegt, befindet man sich kilometerlang meist fast alleine auf der Autobahn. Ein Umstand, den man in unserem dicht besiedelten Land fast gar nicht mehr erleben kann.

Stau! Vollsperrung der E6 bis zum nächsten Tag, nichts geht mehr. Mühselig und äußerst zähflüssig wir der gesamte Autobahnverkehr über die Landstraße geleitet. In meinem alten PKW-Navi, welches eher suboptimal im Rucksack transportiert wird, suche ich nach dem nächstgelegenen Campingplatz. Campingplätze gibt es in Schweden immer irgendwo.

Camping am Meer Der Wind hat über Nacht nachgelassen und die ersten Morgenstrahlen wecken mich sanft aus dem Schlaf. Angenehm warm ist es für die frühen Stunden. Nachdem alle Sachen gepackt sind, die Antriebskette das erste Mal nachgefettet wurde, geht es auf der E6 los um dann auf die E4 Richtung Norden zu wechseln.

Nach einiger Zeit und je weiter ich ins Landesinnere vorstoße, wird es merklich und unangenehm kühler. Aber es ist noch früh am Morgen und so hoffe ich einfach mal, dass es zu den späteren Stunden wärmer wird. Bei Ljungby verlasse ich die E6 um dann bei einer, auch bei uns etablierten Burgerbraterkette, den physischen Energiebedarf auszugleichen. So stellen dann 3 Cheeseburger und ein großer Kaffee ein fürstliches Frühstück dar. Und da ich auch eher auf Motorlaufkultur als Esskultur stehe, kann ich an dieser Stelle besonders den inländischen Klassenprimus in Sachen leckerer Hamburger und Co. empfehlen, der nennt sich MAX und hatte leider noch nicht geöffnet.

Nach der Stärkung und Meldung des derzeitigen Status an die persönliche WhatsApp Gemeinschaft, geht’s in den nächsten Supermarkt um den Proviant einzig und allein mit löslichem Kaffee und Mineralwasser auszustatten. Wie eben geschrieben, verhungern kann man auch in Schweden nicht, Dönerbuden sind auch vorhanden.

Von Ljungby ist mein nächstes Ziel ein Campingplatz am Bolmensee. Sonne genießen und ausspannen ist angesagt. Einem relaxten, warmen, sonnigen Tag folgt eine so saukalte Nacht, dass ich den Schlafsack bis über den Kopf ziehen muss. Auch verheißt die Wetterpro­gnose für die kommenden Tage nichts Gutes.

So entschließe ich mich am nächsten Morgen wieder an die warme Westküste zu fahren. 

Ein urban gelegener Campingplatz in Malmö, mit Blick auf die Öresundbrücke, stellt dann das letzte Etappenziel des Kurztrips dar, um am darauffolgenden Tag wieder Richtung Heimat zu fahren. 

In der Nacht regnet es dann in Strömen, doch der darauffolgende Tag begrüßt mich wieder mit Sonnenschein. 8:30 Uhr, alles ist auf dem Motorrad verpackt, ich mache mich auf die Heimreise. 

Die Rückfahrt am Mittwoch gestaltet sich glücklicherweise staufrei, so dass ich am späten Nachmittag meinen Heimatort erreiche. 

Fazit der Tour: Gut 700 km als Tages­etappe sind machbar, Tacho 160 km/h ist eine ideale Reisegeschwindigkeit, in Deutschland zumindest legal. Im Schnitt lag der Kraftstofferbrauch bei ca. 6 Liter auf 100 km. Zelten in Schweden kann auch im Sommer schon mal kühl werden und mit Regen muss man rechnen. Ein Navi am Motorrad ist sinnvoll um Schweden über seine schönen Nebenstraßen kennenzulernen. Auch ein Döner lässt sich problemlos mit Kreditkarte bezahlen. Das weiße Kettenfett von S100 hält bei moderater Fahrweise über 600 km bis zur nächsten Anwendung. 

Auf den Geschmack gekommen, ist die nächste Reise nach Schweden dann auch schon geplant. Dann soll es auch etwas länger sein …