aus bma 07/04

von Utz Kijewski

KTM LC4 620 Im September 2001 erhielt ich das, wovon ich schon etwa zehn Jahre geträumt hatte, eine KTM LC4 620 Supercomp, Modell 01. Eine Probefahrt hatte ich zuvor nur auf einer LC4 640 Enduro Six Days, so dass ich gar nicht richtig wusste, auf was ich mich da einließ. Ich war nervös.
Die Fahrt nach Hause war dann die erste Eingewöhnung: ca. 80 km über Landstraßen und ein paar Feldwege. Das Ergebnis: harte Sitzbank, steifes Fahrwerk, exzellente Bremsen und ein ruppiger Motor, den ich erst mal nur bis maximal Halbgas beanspruchte. Ich war begeistert.
Nach der 1000 km-Inspektion mit Ölwechsel und Ventile einstellen ging es dann das erste mal im Hoope Park auf den Crosskurs: wow, da war ich anderes gewohnt. Vorher hatte ich zunächst eine Honda XL 200 R und dann eine XL 500 R mehr oder weniger professionell geländetauglich umgebaut und in lizensfreien Wettbewerben gequält. Im Gegensatz zu denen fuhr das neue Gefährt zielgenau, spurstabil, relativ wendig und bremsen konnte man mit nur einem Finger. Und dann noch der Motor, der zwar durch die geringe Schwungmasse leicht abstarb, aber derart nach vorn marschierte, dass ich mich nicht traute Vollgas zu geben. Ich war verliebt.

 

Ich nutzte die KTM auch für den Weg zur Arbeit, daher kam für mich die EXC 520 Racing nicht in Frage. Ich wollte ein wettbewerbtaugliches Moped, das relativ wartungsarm im Alltag zu gebrauchen ist, zu meiner Körpergröße von 2,02 m passt und dazu noch qualitativ hochwertig ist. Nach vielem Hin und Her blieb also nur die LC4 übrig. Da die Enduroversion weniger Federweg hat, durch Stahlheck, Gepäckträger, große Elektrik und E-Starter erheblich mehr wiegt, entschied ich mich für die Supercomp. Nach diversen Änderungen (z.B. 30mm Lenkererhöhung, Kunststoff Motorschutz, kurzer Kupplungshebel, geschlossene Alu-Kettenführung der Racing-Modelle, 15-48 Kettensatz, größere Düsen im Dellorto Vergaser, Miniblinker hinten) war sie dann so gut wie perfekt.
KTM LC4 620Inzwischen bin ich mit der KTM über 70.000 km gefahren und bin sehr zufrieden. Das Fahrverhalten ist On- wie Off-Road sehr gut. Man kann praktisch von Single-Trails im Wald bis hin zu kurzen Autobahn-etappen alles mit ihr anstellen. Auf der Straße verbraucht man bei gemäßigter Fahrweise ca. sechs Liter Super, während es im schweren Gelände auch gut mal zwölf Liter sein können. Zwar erreiche ich nur noch mittlere Plätze in den lizensfreien Wettbewerben (mit den Hondas konnte man in der Serienenduroklasse die Konkurenz noch abledern), aber der Spaßfaktor ist sehr hoch. Der gigantische Durchzug bei Vollgas aus mittleren Drehzahlen ist nur in wenigen erhabenen Momenten genießbar, ansonsten hat man haltlos durchdrehende Stollenreifen oder sieht steil in den Himmel (Wheelie im dritten Gang-kein Problem!).
Die White Power-Federelemente arbeiten sehr gut und reagieren auf die Dämpferverstellung spürbar. Mit ein wenig Geduld lässt sich eine perfekte Fahrwerksabstimmung hinbekommen. Bloß die Druckstufen- verstellung der Gabel von unten ist wirklich unpraktisch.
Natürlich muss man mit ordentlichen Verschleiß rechnen, wenn man drei oder vier Rennen im Jahr fährt und dazwischen auch nicht immer On-Road unterwegs ist, aber dank der qualitativ hochwertigen Anbauteile hält sich das alles in Grenzen: Pro Jahr ein Kettensatz, ein Paar Bremsklötze vorn, mindestens zwei Ölwechsel. Außerdem musste ich gerade den Aluminium-Dämpfer das erste Mal neu stopfen. Davon abgesehen bekam sie noch ein Hinterradlager, einen Kupplungshebel (Umfaller), einen Scheinwerfersatz (Hochdruckreiniger) und vier Hinterradspeichen (Wettbewerb). Ich bin selig.
Anzumerken sind noch die gute Bedienungsanleitung mit ausführlicher Beschreibung der Wartungsarbeiten, das mitgelieferte Handbuch und das gute Bordwerkzeug.
Ich kann allem, die vom Geländevirus angefressen worden sind, die 620 Supercomp nur empfehlen. Heutzutage gibt es von KTM die SXC 625 als Nachfolgemodell. Sie ist etwas schwerer und auch teurer, sonst aber durchaus vergleichbar.