aus bma 2/01
von Jörg Pape
Die 400er Enduro Klasse scheint gerade für Einsteiger interessant zu sein, neben einer angenehmen Leistung und Sitzposition sind die Modelle auch leicht und handlich. Doch wer sein Motorrad auch für den Alltag nutzen möchte, sollte seine Auswahl nicht bei den Supersportlern suchen. Im folgenden werden daher einmal zwei geeignete Modelle genauer betrachtet. Es handelt sich um die neue Suzuki DR Z 400 S, die eine schwierige Nachfolge der erfolgreichen DR 350 antritt, und die KTM LC 4 400 SC. Die KTM LC4-E 400 Enduro wird bewusst nicht betrachtet, weil diese Version in Deutschland im Gegensatz zu dem 640er-Modell kaum auf Nachfrage stößt, während sich die SC mehr und mehr vom Sportgerät Mitte der 90er Jahre zum Alltagsgerät wandelt (mit 6 Monaten Garantie, großen Spiegeln etc.). Steigen wir mal in das Geschehen ein…
Es ist einer der wenigen trockenen Tage und wir sind nun schon eine ganze Weile mit den Testenduros auf schmalen Straßen unterwegs. Zwischendurch werden die Motorräder immer wieder ausgetauscht um die Unterschiede zu erkennen. Doch nun ist eine Pause fällig, der KTM-Fahrer klagt über das betäubte Sitzfleisch und wir können unsere Erfahrungen besprechen. Das ruhige Fahren auf der Straße macht auch mit der 400er-Klasse Spaß, und in diesem Testabschnitt, so stellen wir fest, macht die Suzuki die beste Figur. Die weiche komfortable Federung mit der fetten 49er Gabel und 250 mm Federweg vorn und 250 mm hinten schluckt kleine Unebenheiten gut weg. Die Armaturen und Schalter sind umfangreicher und im Alltag bequemer zu bedienen als bei der KTM mit den kleinen stabileren CTV-Schaltern. Ein großer Digitaltacho gibt viele Informationen (u.a. zwei Tageskilometerzähler), der Fahrer verspürt keine Vibrationen, die Füße ruhen auf den weichen Gummifußrasten, und der Spiegel gibt das Geschehen hinter einem besser wieder. Das Fahrwerk der Suzuki bekommt erst leichte Probleme bei sehr schnellen Fahrten in Verbindung mit Bodenwellen, da es dann schwammig wirkt. Doch in Verbindung mit der angenehmen Leistungsabgabe der Japanerin – Leistung ist in allen Drehzahlen da – dem hochdrehenden Motor und den Bridgestone Trail Wing Reifen, macht es ganz einfach Spaß kurvige kleine Straßen zu befahren; das angenehme Handling der Suzuki trägt hierzu noch bei.
Bei der KTM sieht es anders aus: schon auf der Straße merkt man, dass dieses Motorrad für den Geradeauslauf gebaut wurde. Die Geschwindigkeit wird von dem kleinen Sigma Digitaltacho angezeigt und der stabile Magura Lenker ohne Mittelstrebe überträgt Vibrationen, die bei höheren Geschwindigkeiten das Umfeld im Spiegel nur noch erahnen lassen. Anzumerken ist jedoch, dass bei SC-Modellen älteren Jahrgangs die Vibrationen deutlich stärker waren. Doch auf Grund des geringen Gewichts der LC4 und der Pirelli Rallye Cross-Reifen lassen sich die Straßen angenehm befahren.
Ordentlich viel Kraft übergibt der 42 PS-Motor (27 PS im Brief) mit dem 38er-Dell Orto Vergaser erst ab dem mittleren Drehzahlbereich an den Fahrer und ganz so drehfreudig wie der 39 PS starke Japan-Motor mit dem 36er Mikuni Vergaser ist er auch nicht. Das Getriebe der KTM ist ein wenig hakeliger gegenüber dem butterweichen Schalten bei der Suzuki.
Ein neuer Tag und dieses Mal sollen die Offroad-Eigenschaften genauer untersucht werden. Bei der Suzuki wurden die Gummiaufsätze der Krallenfußrasten entfernt, um einen besseren Stand zu bekommen. Als Nebeneffekt vergrößert sich auch ein wenig der Abstand zu den Fußrasten, was für die langen Testfahrerbeine sehr angenehm ist. Auf den Werkzeuggürtel für Notfallreparaturen und gelöste Schrauben kann verzichtet werden – bei beiden Modellen ist ein Werkzeugtasche am Heck, das von angeschraubten Aluelementen getragen wird, vorhanden- sehr gut, aber es gilt zu prüfen, dass der Inhalt nicht hin und her fliegt!
Es hatte es wieder mal heftig geregnet und kleine Teiche pflastern unseren Weg. Die Vorteile der Suzuki von der Straße kehren sich nun langsam um. Der KTM-Driver legt ein breites Grinsen auf und steuert sicher durch rutschigen Untergrund. Oh Schreck, plötzlich tauchen tiefe Trecker-Spurrillen auf, aber kein Problem – die Pirelli Reifen greifen auf diesem Untergrund erstaunlich gut, das Vorderrad lässt sich anlupfen und der super Geradeauslauf lässt auch bei höheren Geschwindigkeiten keine Zweifel beim Fahrer aufkommen. Dieses gegenüber der DR positive Verhalten liegt u.a. an dem längeren Radstand (1475 mm DR, 1510 mm LC4). Die Lenkervibrationen werden im Gelände unterdrückt und wurden siehe da, von keinem der Testfahrer mehr wahrgenommen. Das gleiche trifft übrigens auch auf die harte Sitzbank zu, da ja eh viel im Stehen gefahren wird. Die etwas hakelige Schaltung merkt man kaum, dafür aber um so mehr die kürzeren Schaltwege, die dem zügigen und sicheren Fahren im Gelände förderlich sind. Man muss sich schon zurückhalten, denn das Motorrad vermittelt eine vermeintliche Sicherheit (die man bei plötzlichen Hindernissen vielleicht gar nicht hat) und giert nach immer schnellerem Fahren. Der DR-Pilot freut sich dagegen auf die abgetrockneten Streckenteile, die 18″-Reifen sind bei feuchtem Boden sehr schnell zugesetzt und erfordern in Verbindung mit dem schlechteren Geradeauslauf (aber auf jeden Fall besser als bei der DR 350!) eine feste Hand am Lenker. Sobald der Untergrund aber einigermaßen eben und trocken ist, kommt man auch mit der Suzuki gut voran. Je schwieriger das Gelände wird, desto mehr hat der Suzuki-Fahrer mit der kopflastigeren DR das Nachsehen, mit der KTM wird man immer schneller und gewinnt ungeheures Vertrauen in die LC4. Weicher Boden und eine schöne Kurve – jeder Drift wird zu einem Erlebnis mit der Österreicherin, einfach anbremsen und dann heißt es den Hahn voll aufdrehen. Wellen und Schläge verkraftet das KTM White Power-Fahrwerk mit 320 mm Federweg hinten und 295 vorne einfach besser, während die Suzuki mit dem Hinterrad ohne Zugstufenveränderung schon mal bockig wird. Nur an engen Stellen und langsamen Passagen stört der kleine Lenkeinschlag der LC4 und der DR Lenker kann mit der handlichen DR seine Vorteile einsetzen, in dem er die Suzi spielerisch um die Kurven schlenzt.
Sollte der Kampf zu heiß werden, wird dies dem DR-Fahrer im Gegensatz zur KTM durch ein Licht im Cockpit signalisiert, außerdem sorgt ein Miniventilator für Kühlung. Sowohl die KTM als auch die Suzuki verfügen über eine gute Kupplung. Für allzu hohe Hindernisse hat die DR als einzige einen Motorschutz, während die KTM mit mehr Bodenfreiheit glänzt. Eine Überraschung auf ganz derben Strecken ist die DR, das Fahrwerk verkraftet auch sehr hohe Sprünge erstaunlich gut und fühlt sich beim Springen leichter an als beispielsweise die neue Honda XR 650. Die KTM hat ohnehin keine Probleme mit der Strecke. Im Test haben wir auch eine Übersetzung von 14:50 bei der LC4 geprüft – das Offroaden wird nun noch eine Ecke einfacher, für steile Anstiege langt ein kurzer Anlauf – Tipp für ernsthaftere Enduristen und Wettbewerbseinsteiger. Der KTM und der DR fehlen aber eine ordentliche Griffmöglichkeit um den Karren in schwierigen Situationen im Falle eines Falles aus dem Dreck zu ziehen.
Und wie sieht es mit der Sitzposition aus? Auf der DR-Sitzbank thront man mehr als bei der KTM auf dem Motorrad, was eine leichtere Gewichtsverlagerung ermöglicht. Die Motorräder verfügen über gute Bremsen, wobei der weiche Einsatz der Suzuki NissinFrontbremse zunächst als angenehm, unter Dauereinsatz jedoch als zu lasch empfunden wird und die KTM Brembo-Vorderradbremse fast schon zu bissig ist – eine Mischung wäre nicht schlecht. Ob die KTM-Sägezahnscheiben wirklich besser den Dreck abweisen? Bis auf das nette und auffällige Design konnte ich bisher noch keinen überzeugenden Vorteil feststellen. Übrigens sind beide Enduros erstaunlich leise und machen damit das Endurofahren zu einem angenehmeren Erlebnis, ohne groß die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und Passanten und Reiter zu erschrecken.
Abschließend erfolgt noch mal eine Betrachtung der Enduros im Stand. Der Suzuki-Motorblock ohne Kickstarter erinnert stark an die WR 400, leider auch bezüglich des Verbauens, was eine Reinigung nach dem Offroad-Einsatz ein wenig erschwert. Der Luftfilter ist im Gegensatz zu dem anderer Hersteller über einen Seitendeckel mit besonders leichtgängigem Schnellverschluss zugänglich. Der graphitgrau -metallic lackierte Chrommolydän Doppelschleifen-Rohrrahmen könnte an vielen Stellen mit mehr Liebe geschweißt sein (DR 350 lässt grüßen…). Von der DR 350 wurde die schwarze Auspuffanlage übernommen, die hoffentlich nicht so korrosionsfreudig ist wie bei dem Vorgängermodell. Zum Start steht ein Elektrostarter zur Verfügung, der nach Aktivierung des Zündschlosses genutzt werden kann, das Lenkradschloss ist separat im Rahmen eingebaut. Der Soziusfahrer hat bei kleinen Ausflügen seinen Halt an einer Schlaufe über der Sitzbank zu suchen. Für den kurzen Einkaufstrip steht ein Helmschloss zur Verfügung. Bei den Offroad-Trips ist jedoch zu beachten, dass die Blinker nur über eine starre Befestigung verfügen und der Tank aus Metall besteht.
Bei unserem Testmodell hatten wir auch die D.v.Z.-Auspuffanlage montiert; die Suzuki liefert damit ab den mittleren Drehzahlen einiges an Power mehr und dreht noch schneller hoch, sie wird dadurch aber auch lauter. Die Anlage mit dem Alu-Endtopf und Edelstahlkrümmer ist sehr sauber verarbeitet und passgenau (dies fand ich besonders angenehm, denn ich kenne auch die Fummelei mit den ansonsten vermeintlich passenden Auspufftüten aus dem Zubehörhandel), Angebote für die gesamte Anlage können unter 0171/6839494 oder dvzraceparts@aol.com erfragt werden.
Die KTM wartet mit dem bekannten sauber verarbeiteten kunststoffbeschichteten Einschleifen-Rohrrahmen auf. Alle Teile sind robust und gut befestigt, der Magura-Lenker sehr stabil und die Lenkeraufnahme verstellbar. Zum Start steht lediglich ein Kickstarter zur Verfügung, der jedoch – und dieses insbesondere angemerkt – ohne großen Widerstand ausnahmslos bei jedem ersten Tritt den Motor in allen Situationen zum Leben erweckt – kein Kickmotor funktionierte bisher so gut! Der leichtgängige Benzinhahn ist nach innen gerichtet, bis man sein Motorrad richtig kennengelernt hat, ist das eine arge Fingerei, bereitet einem später aber keine Probleme mehr. Der Choke wird über eine Verdrehschraube an Vergaser bedient und ist in der Praxis zu umständlich, außerdem kann im Offroadeinsatz Dreck von oben in die Schraube fallen – da gibt es bessere Lösungen! Tipp: zur besseren Gasannahme (kein Verschlucken beim vollen Beschleunigen) wurde statt der 45er- eine 580er-Leerlaufdüse montiert.
Einen Gewinner festzulegen ist recht schwer, denn je nach Hauptneigung des Käufers gibt es zwei Gewinner. Soll es mit dem Motorrad oft zur 30 Minuten oder länger entfernten Arbeit, am Wochenende mit den Freunden auf Tour in den Harz, ins Weserbergland oder in die Holsteinische Schweiz gehen und gelegentlich auch mal ein Abzweiger zum Feldwegfahren genommen werden, dann heißt der Gewinner DR Z 400 S. Die DR verfügt zusätzlich über den Pluspunkt einen Sozius transportieren zu dürfen, einer Zweijahresgarantie und die offiziellen 42 PS im Brief eingetragen zu bekommen. Ernsthaftere Geländeausflüge sollten zur eigenen Absicherung und mehr Fahrspaß mit einer kürzeren Übersetzung, flexiblen Blinkern und anderen Reifen wie den Pirelli Rallye Cross unterstützt werden, Tipp: ggf. gleich mitkaufen – lässt sich besser verhandeln. Gemäß dem Briefeintrag muss es sich übrigens jeweils um ein Reifenpaar eines Herstellers handeln, wobei kein Hersteller festgelegt ist!
Ist der Arbeitsweg kürzer und die Gedanken fürs Wochenende verweilen jeweils beim Aussuchen der nächsten Offroadstrecken, dann ist die KTM Ihr Ding. Die für den Geländeeinsatz kompromisslosere Bauweise und die sichere Fahrweise geben ihr eindeutig den Vorzug in diesem Element. Allerdings weist die KTM mit einer Sechsmonatsgarantie nur einen Eintrag über 27 PS im Brief auf, ein höherer Eintrag ist in der Regel nur mit dem Schalldämpfer der Enduroversion drin, den wiederum keiner fahren will. Ergo: die meisten KTM LC4 SC dürften wohl mit nicht genehmigten Schalldämpfern auf den Straßen unterwegs sein… Auch der Soziusbetrieb muss auf besonderen Wunsch gesondert eingetragen werden. Die Reifeneintragung ist nur für die Hersteller Pirelli, Metzeler und Bridgestone gültig. Sollte beim Kauf noch etwas Spielraum sein, denken Sie mal über Handguards, Bremsbeläge (die original organischen Beläge nutzen sich schnell ab), eine kürzere Übersetzung und Ölwechsel-Parts nach. Außerdem sollten Sie als KTM Eigner über einen 8er -und 10er T-Schlüssel verfügen.
Die Motorräder wurden über die Fa. Bert von Zitzewitz 04528/91500 (Suzuki) und die Fa. Meine 05197/1283 (KTM) zur Verfügung gestellt. Die Kleidung stammt von den Firmen PSA und Wind (Mefo). Vielen Dank!
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