aus Kradblatt 12/15 von Jörg „Jogi“ van Senden penta-media.de
Offroad-Spaß auch für Straßenfahrer
Wer seine fahrerischen Fähigkeiten verbessern möchte, ist beim ADAC Fahrsicherheitszentrum in Lüneburg erfahrungsgemäß gut aufgehoben.
Für alle, die noch nie auf einer Enduro gesessen haben oder über nur wenig Erfahrung im Gelände verfügen, bietet der ADAC einen Kurs auf KTM-Motorrädern an, der den Teilnehmern das notwendige Basis-Wissen und -Können vermittelt, um dann anschließend selbstständig weiterüben zu können.
Nach einer kurzen Vorstellung der KTM Freeride 350, die für die knapp vier Stunden Praxis vom ADAC gestellt wird, geht es auf den Trainings-Parcours, auf dem die speziellen Handhabungen eines Motorrades im Gelände in der Gruppe geübt werden. Die Herangehensweise erfolgt in einzelnen Schritten, so dass niemand überfordert wird. Es ist genug Zeit vorhanden, um mit der KTM erst einmal warm zu werden und sich an die Eigenheiten der Maschine zu gewöhnen.
Zu den anschließenden Übungen gehören das Fahren auf wechselnden Untergründen mit maximalem Grip, das Bewältigen von engen Wendemanövern, das souveräne Durchqueren von tiefem Sand, das Bremsen bis zum Blockieren der Räder, sowie das Trainieren von Bergauf- und Bergab-Fahrten. Auch die richtige Blickführung ist gerade im Gelände von entscheidender Bedeutung und wird deshalb mit Argusaugen vom Trainer kontrolliert. Ihr kennt ja den Spruch: „Guckst du blöd – fährst du blöd“. Wer ein Hindernis zu sehr in den Blick nimmt, wird mit ziemlicher Sicherheit mit ihm kollidieren. Die Übungen werden in einzelnen Blöcken absolviert, denn das Fahren im Gelände ist nicht nur körperlich anstrengend und schweißtreibend, sondern erfordert, nicht nur von Anfängern, höchste Konzentration. Pausen zum Kompensieren des körperlichen Flüssigkeitsverlustes und zur kurzen Regeneration sind deshalb extrem wichtig.
Mit wachsender Routine wird es später weniger anstrengend, weil über bestimmte Bewegungsabläufe nicht mehr so viel nachgedacht werden muss. Dann läuft fast alles automatisch ab. Nebenbei können dem Trainer in den Pausen Fragen gestellt und Erfahrungen untereinander ausgetauscht werden.
Kurz vor dem nächsten Übungs-Block gibt es alle wichtigen Informationen zu den physikalischen Abläufen, der richtigen Körperhaltung und der Technik, wie die nächste Aufgabe korrekt zu meistern ist. Da der Trainer vorweg fährt, kann die Gruppe direkt beobachten, wie es aussieht, wenn alles richtig gemacht wird.
Anschließend kontrolliert der Trainer die Umsetzung der Vorgaben bei jedem einzelnen Teilnehmer und gibt Hinweise sofern er Fehler bemerkt, so dass spätestens beim zweiten oder dritten Anlauf von jedem die Strecke einwandfrei bezwungen wird. Das führt zu schnellen Erfolgserlebnissen.
Nach den Übungen geht es an die Nachbereitung und Reinigung der Maschinen, so dass sie für den nächsten Kursus wieder fit sind. Zu guter Letzt erhält jeder eine Urkunde, die die Teilnahme am Kursus bestätigt. In unserer Gruppe waren auch „Wiederholungstäter“ dabei, die den Kursus schon einmal gebucht hatten. Warum? Weil es einfach Spaß macht!
Die Gebühr von 109 Euro ist ein faires Angebot, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Maschine und der Sprit darin bereits enthalten sind. ADAC Mitglieder zahlen nur 99 Euro.
Nach dem Training dürften die meisten Teilnehmer zumindest einen leichten Muskelkater verspüren. Infos und Anmeldung unter www.fsz-lueneburg.de.
KTM FREERIDE 350
Die Freeride ist eine unbetankt nur 99,5 kg leichte Maschine, die ohne weitere Vorkenntnisse von jedem Motorradfahrer bedient werden kann.
Natürlich muss man sich zunächst etwas an die Maschine gewöhnen, bis man sie blind bedienen kann. Die Fußhebel liegen sehr eng am Motorblock an, damit die Gefahr, dass sie abbrechen oder irgendwo hängen bleiben reduziert wird. Lenker und Fußrasten sind versetzbar und können somit an die Anatomie des Fahrers angepasst werden.
Die 915 mm hohe Sitzbank setzt eine Größe von mindestens 1,70 m voraus, wenn man mit beiden Füßen den Boden berühren möchte, auch wenn das Körpergewicht die Maschine etwas in die Federn drückt.
Der 1-Zylinder-Motor basiert auf dem erfolgreichen 47 PS-Antrieb der KTM 350 EXC-F und wurde zwar im Drehmomentverlauf harmonisiert, leistet in der homologierten und zulassungsfähigen Straßenversion jedoch nur noch 23 PS. Die schlichte Zahl mag Straßen-Fahrern ziemlich kraftlos erscheinen, aber im Gelände sind 23 PS für Einsteiger immer noch mehr als ausreichend. Eine angenehme Nebenwirkung der Modifikationen ist die gefühlt nur noch halb so laute Auspuffanlage der Freeride 350.
Die Leistung des wassergekühlten 4-Ventil Motors ist sehr gut zu dosieren, sobald die Betriebstemperatur erreicht ist. Im kalten Zustand gibt er sich etwas ruppig. Das fällt besonders in den beiden unteren Gängen auf, in denen Lastwechsel naturgemäß ziemlich hart ausfallen. Ab dem 3. Gang ist die Welt wieder in Ordnung.
Das 6-Gang Getriebe lässt sich sauber schalten und auch die Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung kann mit zwei Fingern weich und ohne großen Kraftaufwand betätigt werden. Der Leerlauf ist bei laufendem Motor jedoch nur per Glückstreffer aufzufinden. Selbst bei abgestellter Maschine erforderte die Suche immer mehrere Versuche und viel Feingefühl. Das Problem konnten andere Kursteilnehmer bestätigen, weshalb der Motor auch bei kurzem Halt oft ausgeschaltet wurde. Er lässt sich mit seinem E-Starter komfortabel wieder starten. Auf einen Kickstarter wurde aus Gewichtsgründen verzichtet.
Die leichte Bauweise erforderte nicht nur kreative Lösungen, wie z. B. den Rahmen aus Stahl/Alu-Verbund, sondern auch gewisse Kompromisse. So fasst der Tank lediglich 5,5 Liter. Auch wenn der Motor recht sparsam mit dem Sprit umgeht, lassen sich kaum mehr als 100 km + Reserve damit zurücklegen. Zum ausgedehnten Enduro-Wandern ist das etwas wenig. So wird sich wohl bei einigen ein Zusatzkanister im Rucksack finden lassen.
Die Bremsen mit einer 250 mm Scheibe vorne und einer 210 mm Scheibe hinten könnten glatt von einem Mountainbike stammen, so filigran sind sie gestaltet. An der Wirkung der Bremsen gibt es nichts auszusetzen. Ohne große Anstrengung verzögerten sie bei unseren Übungen gut dosierbar bis zum Blockieren. Schutz gegen harte Offroad-Kontake gibt es im Zubehörhandel.
Das Fahrwerk ist fürs Gelände ausgelegt. Ist sein Geradeauslauf auf Asphalt ab 75 km/h eher mittelmäßig bis nervös, offenbart es jenseits der Straße seine wahren Qualitäten und spricht auch bei kleinen Unebenheiten fein und ohne Slip-Stick an. 325 mm Bodenfreiheit lassen die Freeride mühelos viele Hindernisse überwinden.
Bedingt durch ihren steilen Lenkkopfwinkel von 67 Grad und dem kurzen Radstand von 1418 mm lässt sich die KTM wie ein Fahrrad durch enges Geläuf zirkeln.
Vorne bügelt eine 43 mm WP Upside-Down Gabel mit 250mm Federweg die Piste glatt, während hinten ein WP-PDS Federbein mit 280 mm Federweg alle Unebenheiten schluckt.
Versierten Enduro-Fahrern, die ihre Bikes härter rannehmen, mag das Fahrwerk vielleicht etwas zu weich sein. Für Genuss-Fahrer ist es genau richtig.
Überhaupt stellt sich die Frage, ob die Freeride wirklich eine Enduro ist, oder eher eine aufgerüstete Trial-Maschine, denn auch ihre Dunlop D803 GP Bereifung ist eher für die Trial-Sparte gedacht.
Auf jeden Fall ist die KTM Freeride 350 eine Maschine auf der man richtig viel Spaß haben kann. Ihr Preis von 7.345 Euro + Nebenkosten ist jedoch kein Schnäppchen, das Ausprobieren beim ADAC also um so empfehlenswerter.
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