aus bma 10/99

von Jörg Pape

R, TT, TE, LC4, KLX, DR …muss es immer ein Viertakter für das Endurofahren sein? Nein nicht immer – denn eine Zweitakter bietet auch viele Vorteile und kann enorm viel Spaß bereiten, wie folgender Test beweist.
Gefahren wurden zwei 200er Zweitakter von KTM und GasGas, die gerade für Einsteiger und Ausdauerfahrer vorteilhaft erscheinen und angenehm leicht sind mit startfertigen 109 kg (KTM) und 118 kg (GasGas). Zur Info: KTM erreichte mit der 125er Enduro dieses Jahr den WM-Titel und GasGas in der 250er-Zweitaktklasse. Ein Aspekt der beim weiteren Lesen vielleicht ganz interessant ist. Die Firma GasGas ist Ihnen nicht bekannt? Nun, es handelt sich um eine spanische Trial- und Enduro-Marke, die sehr viel Erfahrung mit dem Bau von Zweitaktmodellen hat und neben KTM und Husqvarna zu den Anbietern mit den größten Absatzzahlen zählt. In der Regel gelten die Modelle als gut fahrbar.

 

Eine 200er? Eine 200er, aber ja! Nach KTM bietet auch GasGas seit diesem Jahr eine 200 EC an. Dieses Modell unterscheidet sich auf den ersten Blick nur durch das gelbe Outfit KTM EGS 200 gegen GasGas 200ECvon den Modellen mit größerem Hubraum. Klar, dass somit das hochwertige Fahrwerk mit dem gut regulierbaren 320 mm Öhlins-Federbein und der ebenfalls weich ansprechenden 285 mm Marzocchi Magnum Federgabel ebenso dazu gehören wie die Excel Felgen und der schöne verchromte Deltabox-Rahmen. Für den Motor verwendet GasGas das selbst entwickelte 250er Modell von 1998 mit verkürztem Zylinder und einer geringeren Bohrung von 62,5 mm, dazu gibt es eine angepasste Kurbelwelle, wobei jedoch das Standardgetriebe der großen Modelle übernommen wurde. Praxisgerecht verfügt die GasGas über ein Kunststoffglas im Scheinwerfer und der Hinterradbremshebel ist einklappbar.
Nebenan steht die KTM. Sie zieht auf dem Mittelständer hoch aufgebockt schnell die Aufmerksamkeit auf sich durch ihr aggressives Auftreten, hervorgerufen durch das silber-schwarz-orange Design und die Z-Kühlerverkleidungen. Bei der Österreicherin wird der Motor in das Fahrwerk der 125er eingebaut und mit dem entsprechenden Getriebe versehen. Als Resultat entsteht eine der leichtesten Serienenduros. Das Fahrwerk wurde mit Komponenten von White Power mit 320 mm Federweg und einer Marzocchi-Gabel mit 285 mm Federweg versehen, wobei hinten ein überarbeitetes PDS-System arbeitet. Zum Schutz des mit Kunststoff beschichteten Rahmens sind kleine Schützer an den Seiten montiert. Das Cockpit besteht aus einem einfachen Tacho und Zündschloss. Der Fahrer findet eine insgesamt sehr saubere Verarbeitung und gute Passform aller Teile zueinander vor.
Doch nun soll es endlich losgehen. Noch einmal einen Blick in den Kfz-Schein riskieren. Aha, bei der GasGas sind sogar 34 PS eingetragen! Da erhält der Hobby-Endurist ein gewisses Maß der Sicherheit, wenn er mal ohne Anhängergespann über die Landstraße das nächste Übungsgelände ansteuert. Der KTM werden dagegen lediglich unglaubliche 12 PS bescheinigt (no comment).
Die GasGas-Sitzbank ist so geformt, dass man den Eindruck erhält, in die Maschine integriert zu sein, und ist optimal für eine Körpergröße bis 175 cm. Größere Fahrer sollten unbedingt die Umjustierbarkeit der Lenkeraufnahme nutzen. Auf der KTM hingegen thront der Fahrer mehr auf der weit nach vorn gezogenen schmalen und harten Sitzbank und kann so je nach der gewünschten Gewichtsbelastung gut hin und her rutschen. Unterstützt wird dieses durch den sehr schmalen, tief heruntergezogenen Tank. Die Sitzposition ist gerade für die etwas größeren Fahrer sehr angenehm.
KTM EGS 200 gegen GasGas 200ECDer für Schraubaktivitäten praktische Mittelständer wird mit einem Haltegummi daran gehindert, bei den ersten Bodenwellen wieder auszuklappen. Seitliche Griffmulden sucht man vergebens. In der Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass man hinter der Sitzbank am Kotflügel in Verbindung mit dem Alu-Heckrahmen guten Grip für die Hand erhält und nebenbei auch ein positiver Hebeleffekt entsteht. Das niedrige Gewicht sorgt dafür, dass die KTM sich auch allein gut aus dem Graben ziehen lässt, ohne hinterher wegen Konditionsmangel brach liegen zu müssen.
Der GasGas-Seitenständer auf der linken Seite wird ebenfalls endurogerecht mit einem Gummi gehalten. Nun wird der unter dem Motorrad angebrachte Kunststoff-Benzinhahn der GasGas umgelegt, ein Blick auf den transparenten Benzinfilter, und ab geht es. Ein oder zwei Kicks (wobei zu beachten ist, dass der voll durchgetretene Kickstarter dabei auf die Fußraste schlägt) und der Motor erwacht zum Leben. Oha, der metallisch hohe Klang, der der Messico- Auspuffanlage entweicht, ist doch recht laut. Demnächst steht alternativ eine doppelwandige Anlage zur Auswahl, die neben einer Lärmreduzierung für mehr Power in den unteren Bereichen sorgt. Ist der Motor erst einmal warm, nimmt er schon in niedrigen Drehzahlen sauber Gas an ohne zu murren. Richtig die Post geht jedoch erst ab dem mittleren Drehzahlbereich ab, es wird eben nach Gas – Gas verlangt.
Doch um die Eindrücke richtig wiederzugeben: Es handelt sich nicht um einen verkappten 125er Crosser, der permanent mit hohen Drehzahlen bei Laune gehalten werden muss; nein, man kann die wirklich gutmütige GasGas auch langsam um enge Spitzkehren zirkeln und auf schmalen Pfaden die nächste Anhöhe erklimmen, wobei der Fahrer auf angenehm breiten Fußrasten steht. In solchen Situationen ist dann neben dem großen Lenkeinschlag und dem kurzen Radstand auch die hydraulische Kupplung eine sehr gute Hilfe. Soll es schneller gehen, muss der Fahrer fleißig durch das leicht zu schaltende Sechsgang-KTM EGS 200 gegen GasGas 200ECGetriebe hochstufen und den Motor hochdrehen. Die Vorderradführung ist dabei sehr angenehm, lediglich bei Fahrten durch tieferen Sand muss man den Lenker als Tribut an die Handlichkeit gut festhalten. Sollte die GasGas doch einmal in einer Furche steckenbleiben, dann lässt sich die EC leicht an den Griffmulden in den Seitendeckeln – die ihrem Namen gerecht werden, da sich weit hinein greifen lässt, aus dem Morast ziehen. Beachtenswert ist übrigens, dass die Auspuffbirne seitlich aufgebläht ist und somit ein schnelles Aufsetzen in tiefen Spurrillen verhindert wird.
Umsatteln auf die KTM. Der Startvorgang verläuft ebenso unproblematisch wie bei der GasGas. Nur, die KTM ist in unteren Drehzahlen erstaunlich leise. Auch hier wird die immer sauber trennende Hydraulikkupplung gezogen, der erste Gang eingelegt, und – sofern der Motor schon warm ist – wauw – zieht der an. Nochmal, was steht da auf dem Frontkotklügel? Tatsächlich 200 EGS! Der kleine bissige Motor entwickelt schon eine erstaunliche Leistung in dem unteren und mittleren Drehzahlbereich, ähnlich der eines Viertakters. Dies mag an der gegenüber der 125er Enduro aus dem gleichen Hause völlig veränderten Bohrung und Hub liegen – 64/60. Das Vorderrad lässt sich auch im dritten Gang noch leicht anlupfen, so dass alle Unebenheiten ausgebügelt werden – wohlgemerkt, bei der sehr langen Übersetzung von 14 zu 45.
Ein Beispiel für die Charakteristik des Motors: im sechsten Gang akzeptiert der Motor ohne zu murren eine Beschleunigung von Orts- bis zu Höchstgeschwindigkeit. Dieses Verhalten erlaubt dem Hobbyfahrer, auch mal mit niedrigen Drehzahlen zu fahren, ohne gleich die Aufmerksamkeit der Umgebung auf sich zu lenken. Durch das sehr handliche Fahrwerk mit dem kurzen Radstand und genügend Power „von unten” lassen sich auch langsame, schwierige Passagen gut bewältigen, ohne die Kupplung zu ziehen. Aber aufgepasst, das Vorderrad steigt schnell auf. Das leichte Vorderrad macht es auch erforderlich, in Kurven auf der Sitzbank weit nach vorn zu rutschen, um genügend Grip zu erhalten. Bei dieser spielerischen Leichtigkeit ist jedoch nicht der gute Geradeauslauf der großen Viertaktmodelle zu erwarten, doch die EGS lässt sich akzeptabel durch tiefen Sand und Spurrillen fahren. Beim Driften auf Schotter heisst es noch einmal achtsam zu sein, denn bei kraftvoller Leistungsentfaltung rutscht die EGS sonst leicht weg.
Bei der GasGas arbeitet das Federbein angenehm sensibel, während die Gabeln bei beiden Modellen und das KTM PDS-System feinfühliger ansprechen könnten.
Für entsprechenden Grip sorgen bei der GasGas die Michelin Enduro Competition Reifen, nach meiner Einschätzung die zur Zeit besten FIM Reifen, bei der KTM sind es Bridgestone Reifen. Dank der guten Brembo-Bremsen bringt man beide Endu- ros immer rechtzeitig zum Stehen.
Verbesserungswertes und Besonderheiten: Die optisch schönen Kunststoffseitenteile der Sitzbank sehen zwar schick aus, sind aber zu hart, und so zeigt sich in diesen Elementen schnell ein Riss. Die Passform der Plastikteile zueinander könnte generell optimaler ausfallen. Ebenfalls wäre eine saubere Kabelverlegung mit einem Schutzschlauch statt vieler Einzelkabel, die im Heck schnell durchtrennt werden können, von großem Vorteil. Wird die Auspuffanlage heiss, verliert die Messico-Anlage mittelfristig ihre Klar- lacklackierung und korodiert.
Beim Blick auf die Ersatzteilpreise sammelt die GasGas Pluspunkte, denn die liegen in der Regel um die 20% niedriger als bei der Konkurrenz – ein wichtiger Aspekt beim verschleiß-intensiven Offroad-Fahren.
Wer nun meint, für die GasGas gebe es kaum Produkte anderer Anbieter, sollte mal die Kataloge der Anbieter studieren und wird positiv überrascht sein.
Bei der KTM wünsche ich mir Kunststoff-Lampenglas und Digitaltacho sowie einen verkleinerten Kennzeichenhalter. Auch das PDS-System könnte noch feinfühliger ansprechen. Außerdem schien mir, dass der Anschlussflansch vom Auspuff am Zylinder nicht optimal war.
So, dann gibt es da immer noch Leute, die denken, ja die Zweitakter, die sind doch nach ein – zwei Kilometern Straße schon Schrott. Da kann ich nur sagen: mitnichten. Es handelt sich zwar nicht um Straßenmotorräder für weite Strecken, aber auch Serien-Zweitakt-Enduros nehmen an Rallyes teil, und so mancher süddeutsche Enduro-Fahrer hat damit auch schon den Weg bis nach Korsika geschafft. Das Gemisch sollte dann allerdings schon etwas fetter sein und bei einem Serientank ist mit einer Reichweite von nur 100 Kilometern zu rechnen. Den Testern hat das Fahren mit den Fliegengewichten jedenfalls enorm viel Spaß gemacht.
In offener Version haben beide Modelle eine Leistung von über 40 PS. Mancher wähnte sich nach dem Umstieg auf seine Viertakt-Sportenduro auf einer dickbäuchigen Reiseenduro – so krass war der Unterschied. Und einer der Tester stieg in die Zweitakt-Klasse ein. Wer mit seinem Motorrad nur Gelände fährt, sollte tatsächlich mal über einen Umstieg nachdenken.
Die Testmotorräder wurden von dem GasGas-Importeur in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Händler DocDirt und von dem KTM- Händler Meine aus Soltau zur Verfügung gestellt. Die Kleidung stammt von der Firma MG. Vielen Dank!