aus bma 5/09
von Jens Möller
Wochenende, die Sonne schickt die ersten warmen Strahlen durchs Fenster – eigentlich ein guter Tag für einen Motorradtest. Keine zwei Stunden später sitze ich auf einem Testkrad, die ersten innerstädtischen Kreisverkehre liegen hinter mir, der Autobahnzubringer lockt mit einer schwungvollen, weiten Rechtskurve. Im Augenwinkel nehme ich noch die Begrenzung der Geschwindigkeit wahr, beschleunige sacht bis in den Dritten und strebe durch die Auffahrt.
Der Blick auf den Tacho offenbart eine Geschwindigkeit kurz vor einer empfindlichen Geldstrafe, doch irgendwie fühlt sich das alles gut an. Satt liegt die Maschine unter mir, trommelt mit ihren Eruptionen aus dem Motor meine Synapsen frei, macht süchtig nach dem Genuss Motorrad fahren.
Schuld an diesem Vergnügen, das bereits so kurz nach der Abfahrt scheinbare Vollendung erfährt, ist die KTM 990 Supermoto, die KTM-Vertragshändler Natuschke & Lange aus Delmenhorst (Tel. 04221/65070) für den Test bereitgestellt hat. Und deutlich wird schon an diesem kurzen Zwischenspiel, wie ungemein bullig der 990er Motor durchs Drehzahlband stampft, wie lässig und kontrolliert er seine Kraft abgibt. Das verwundert aber nur bedingt, immerhin kann er stramme Leistungswerte vorweisen. War schon der Vergaser-bestückte Vorgänger mit 105 PS nicht schwach motorisiert, so hat die neue 990er Supermoto noch eine gehörige Schippe Leistung im Brennraum nachgelegt, die nun bei 121 PS bei 9200 U/min gipfelt. Wichtiger als dieses Streben gen Leistungszenit ist aber die Drehmomentwelle, auf der es sich schon bei besagter Autobahnauffahrt so genussvoll lässig gleiten ließ. 102 Nm presst der Motor nun bei 7000 U/min gen Hinterreifen, hält ab 3500 Umdrehungen immer über 80 Nm bereit, die nachdrücklich nach vorne drücken. Wer so einen Motor baut, hat Spaß im Sinn, und diesen vermittelt die 990er Kati wie wohl kaum ein anderes Motorrad derzeit auf dem Markt.
Klar, jeder Supersportler in der 1000 ccm-Klasse hat mehr Leistung, aber nicht diesen Charakter, den der ebenfalls genau 1000 ccm große 75 Grad V-Motor von KTM entwickelt. Neben dieser Hubraumsteigerung haben die Konstrukteure aus Mattighofen der großen Supermoto noch weitere Änderungen mit auf den Weg gegeben. Der Lenkkopfwinkel steht nun ein halbes Grad steiler, die härteren Gabelfedern sollen mehr Transparenz vermitteln und der vergrößerte Nachlauf für Fahrstabilität sorgen. Zudem wurde das Cockpit um einen Drehzahlmesser aufgewertet und der Tankinhalt wuchs um 1,5 Liter auf jetzt 19 Liter.
Doch das alles erklärt noch nicht, warum die KTM ein so gutes Landstraßenmotorrad geworden ist, denn soviel ist jetzt schon klar. Nachdem die Autobahn langsam im Rückspiegel verschwindet, kurvenreiche Straßen in Sichtweite kommen, kommt auch die KTM in ihr Revier. Auch wenn sie Autobahn fahren gut kann, schließlich rennt sie bei Bedarf mit klein gefaltetem Fahrer stabil bis zur Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h, ist das alles ohne Windschutz nur mäßig spaßig, auch weil die Sitzbank flach ausfällt, man sich nicht nach hinten abstützen kann. Kommen aber kurvige Landstraßen unter die 17-Zoll große 120er und 180er Bereifung der KTM, sieht die Sache schon ganz anders aus. Die Sitzbank bietet plötzlich viel Bewegungsfreiheit, der breite Lenker sorgt für einen guten Hebel, liegt satt in den Händen und lässt die Fuhre spielerisch um die Ecken wedeln. Das alles, ohne nervös zu wirken oder einzuengen, denn auch Großgewachsenen bietet die KTM mit 875 mm Sitzhöhe und reichlich Platz ein wunderbares Arbeitsarrangement.
In dieses fügt sich nahtlos das Fahrwerk von WP, das, wenn auch voll einstellbar, schon im Serienzustand mit einer sinnvollen Abstimmung glänzt. Wer will, kann natürlich noch nach eigenem Gusto an den Knöpfen drehen. Tipps zur Abstimmung gibt’s dafür wie häufig bei KTM unter der leicht abnehmbaren Sitzbank. Und hier, auf der Landstraße, womöglich mit leichten Aufbrüchen und Teerpickeln versehen, zeigt sich die nächste positive Eigenschaft der KTM. Aufgrund ihrer langen Federwege, vorne stehen 200 mm und hinten 210 mm zur Verfügung, bügelt das Krad aus Österreich diese Verwerfungen einfach glatt. So etwas macht schnell und sicher, weil man ganz entspannt fahren kann, sich voll auf die Strecke einschießen kann, während die Supermoto fast wie von selbst den Rest erledigt.
Wobei das nur mit einer klitzekleinen Einschränkung so stehen bleiben kann. Mit dem Wechsel von Vergaser auf eine Einspritzanlage hat der Motor auch einen Teil seines sanften Ansprechverhaltens verloren. Die Gasannahme erfolgt sehr direkt und reagiert bereits auf den kleinsten Dreher am Gasgriff. So etwas stört nur wenig, wenn man forsch im leichtgängigen Getriebe rührt und der Streckencharakter sich aus einer Vielzahl an Brems- und Beschleunigungszonen zusammensetzt. Im Rollmodus bei konstantem Gas, besonders auf wirklich schlechten Strecken, sorgt das aber dafür, dass über die Fahrerhand stets leichte Veränderungen an den Gasgriff weiter gegeben werden. Dieser reagiert und gibt die Befehle schnurstracks an den Motor weiter, weshalb der Fahrer für konstantes Gas in dieser Situation mit häufigen Korrekturen beschäftigt ist. Gesteigert wird dieses Verhalten noch durch die Abneigung des Motors, vornehmlich in den hohen Gängen, auch unter 2500 U/min rund zu laufen und nicht mit der Kette zu peitschen.
Bestimmt kann man sich bei einer längeren Partnerschaft mit der 990er KTM Supermoto locker an diese Eigenheiten gewöhnen, objektiv bezahlt der Motor aber einen Teil seines Lebenshungers mit teilweise harschen Lastwechseln im unteren Drehzahlbereich.
Und wo wir gerade bei Kritik sind: Wer mit Sozius auf Fahrt geht, sollte auf dessen Hände achten. Greift der Mitfahrer zu den stabilen Haltegriffen, die sich auch zur Gepäckbefestigung nutzten lassen, so können die Finger nah an die hochgelegten Auspuffrohre kommen. Manchmal eben auch zu nah. Ansonsten sitzt die Person in der zweiten Reihe aber gut, zumindest so, wie man es von einem fahrdynamisch ausgerichtetem Motorrad mit etwas schmaler Sitzbank erwarten darf. Ist eben kein Sofa auf zwei Rädern, die KTM. Richtig unbequem ist allerdings etwas gänzlich anderes.
Das so etwas zum Bild der dynamisch-sportlichen Fahrmaschine passt, leuchtet ein. Genau so wie der Rest der Ausstattung der KTM 990 Supermoto, der sich nahtlos in diese Vorstellung einfügt. Gehalten wird die vollgetankt 210 Kilogramm wiegende 990er von einem Stahlgitterrohr-Brückenrahmen, der den schmalen Motor mittig in sich aufnimmt, im Paket mit der Upside-down-Gabel an der Front und der Leichtmetallschwinge an der Hinterhand. Um Verzögerung kümmert sich im wesentlichen eine Brembo-Vierkolben-Festsattel-Bremse mit zwei 305 mm großen Scheiben im Vorderrad, die radial an die Gabel angeschlagen ist und von einer radialen Pumpe unter Druck gesetzt wird. Zur sicheren Verzögerung reichen locker zwei Finger, wobei die Vorderradbremse sehr sensibel und weich anspricht, dennoch formidable Verzögerung und einen konstanten Druckpunkt bietet. Quasi die perfekte Symbiose der Anforderungen aus Sport und Alltag. Hinten wird dabei mit einem Doppelkolben-Schwimmsattel unterstützend mitverzögert.
KTM hat mit der Supermoto also ein sehr dynamisches Krad auf die Räder gestellt, das ausstattungstechnisch und von der Verarbeitung her diesem hohen Ziel voll gerecht wird, ohne aber den Weichspülgang gänzlich zu vernachlässigen. Auch im Alltag begeistern die Ausstattungsmerkmale, werden noch abgerundet durch ein sinnvolles Bordwerkzeug, Spiegel, in denen man wirklich etwas sehen kann, einstellbare Handhebel und ein Licht, das auch auf Nachtfahrten die Straße noch sinnvoll ausleuchtet. Das ist ja nicht immer so bei den verwendeten Funzeln im Enduro- und Supermotobereich. Wer dann partout die Alltagsaspekte noch weiter herausstreichen möchte, kann sich im Zubehör die Hände durch Heizgriffe wärmen lassen, Handprotektoren montieren oder für die große Tour zu den Hecktaschen greifen. Zudem überzeugt der praxisgerechte Aufbau, weil man kleinere Wartungsarbeiten durch die gute Zugänglichkeit der Bauteile leicht erledigen kann. Und wenn es in die Werkstatt gehen soll, so schreibt KTM hier Inspektionsintervalle von 7500 Kilometern vor.
Was dagegen nicht geändert werden kann, ist der Verbrauch. Auch wenn dieser tendenziell stark von der rechten Hand des Fahrers geprägt wird, fließen doch im Schnitt immer über sechs Liter durch die Einspritzung. Beim lustvollen, um nicht zu sagen artgerechten Gebrauch der KTM kann dieser Wert aber locker auf über sieben Liter gesteigert werden, wozu der druckige Motor leicht verleitet, weil es einfach Spaß macht, ihn auf der Drehmomentwoge zu reiten.
Wobei es dieser Spaß ist, den die KTM 990 Supermoto so gelungen vermittelt und ihn ins Fahrerhirn einbrennt. Und das, wie gesagt, ohne große Abstriche beim Alltagsnutzen. Wer wenigstens noch manchmal das kleine Klappmesser zwischen den Zähnen spürt, auf dynamischen Motordruck steht und für wen Sport auch beim Thema Motorrad nicht gänzlich ein Fremdwort ist, der sollte die große KTM mal versuchen. Getreu den Kreis-Mengendiagrammen aus dem Mathematik-Unterricht dürfte die 990er Supermoto wohl bei guten 90 Prozent Überdeckung mit den gewünschten und gewollten Eigenschaften eines markig-sportlichen Motorrades mit Alltagsnutzen liegen. Und wen das noch nicht überzeugt, gute 12000 Euro beim nächsten KTM-Händler zu lassen: Setzen Sie sich drauf, nach der ersten Autobahnauffahrt vermeldet auch ihr Hirn einen freudig-erregten Gemütszustand. Versprochen.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “KTM 990 SuperMoto”
Harsche Lastwechsel
Ich habe mir diese Maschine vor zwei Monaten gekauft und bin wirklich begeistert.
Aber diese Lastwechsel haben mich mit der Zeit doch sehr genervt. Gerade auf Strassen dritter bis vierter Ordnung, insbesondere in Ortschaften bei geringerem Tempo ist es kaum möglich, einen sauberern Strich zu fahren.
Aber, es gibt Abhilfe und zwar bei den Powerparts von KTM selbst. Es gibt da den Gasgriff mit variablem Hub. Das sind drei unterschiedlich profilierte Kulissen, die eine andere Übersetzung erlauben, unter anderen eine etwas weniger Direkte.
Dieses Teil habe ich mir bei der ersten Inspektion montieren lassen und jetzt ist Ruhe im Karton. Schluß mit dem Gezappele.
Ich finde es gut.