aus Kradblatt 4/18
von Jochen Vorfelder, Fotos KTM
Fahrbericht KTM 790 Duke „The Scalpel“ Modell 2018
Da stehen sie, die KTM-Mannen, auf einer lauschigen Hotelterrasse im Süden von Gran Canaria während der ersten Inaugenscheinnahme ihrer brandneuen 790 Duke, und die Anspannung steht ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben.
Jens, der deutsche Pressesprecher, sein englischer Kollege Luke, und daneben Adriaan Sinke, der Senior Product Manager für die neue 790 Duke, alle drei haben die gleichen Fragen: „Wie kommt es an? Wie schlägt es sich, das Fahrzeug, in das über zweihundert Ingenieure, Entwickler, Designer und Testfahrer vier Jahre Arbeitszeit investiert haben?“
Ja, was soll ich Euch spontan sagen: Macht doch viel her, typisch KTM. Ist orange, und eure Designer von KISKA haben wie immer einen scharfen, prägnanten Strich gewählt. Wie gewollt ist kein Teilchen zu viel am Bike, Naked as Naked goes. Etwas unentschlossen wirkt vielleicht nur die voluminöse Auspuffanlage. Aber sonst: Scheint gelungen, oder?
Das Skalpell
Die leichte Verspanntheit bei KTM ist verständlich, wenn nicht sogar zwangsläufig: Die 790 Duke ist ein extrem wichtiges Fahrzeug nicht nur für die Bilanz der Firma. Sondern auch, um die KTM-Palette zu einer geschlossenen Einheit zu formen. Die 790 Duke passt wie maßgeschneidert in die lukrative, aber zugleich heftig umkämpfte Motorradmittelklasse. Und sie schließt wie ein Pfropfen die klaffende Produktlücke zwischen der kleinen 690 Duke-Einzylinder und der Premium-Power aus Mattighofen, der 1290 Super Duke V-Twin.
Der erste Reihenzweizylinder aus dem Hause und das erste KTM-Fahrzeug mit 799 Kubik soll die Plattform für eine neue Motorradgeneration sein und in Zukunft sowohl Herz als auch Schrittmacher für neue Modell-Würfe werden: Die schärfere R-Version eines Fahrzeugs schieben sie in Mattighofen immer zügig hinterher; eine 790 Adventure für die Dreck-Fraktion ist für nächstes Jahr oder spätestens 2020 schon in der Pipeline. Und warum, so fragt man sich, soll sich die KTM-Tochter Husqvarna nicht etwas Hipster-Schickes auf Basis des 790er-Zweizylinders einfallen lassen?
Darauf angesprochen, reagiert Produktmanager Adriaan Sinke dann wieder sehr gelassen: „Klar, vorstellen kann man sich viel. Und natürlich macht es ökonomisch keinen Sinn, ein singuläres Produkt zu präsentieren. Da muss und wird mehr kommen.“ Doch zunächst –erfreuen wir uns doch erst einmal an dem, was da vollgetankt vor uns steht.
Denn auf dem Papier ist es schon vielversprechend: Der „LC8c“, so der Codename für den Verbrenner, hat 799 Kubik, verfügt über einen 75 Grad Hubzapfenversatz, und leistet 105 PS bei
9.000/min. Sein maximales Drehmoment beträgt 86 Nm bei 8.000/min. Das klingt zusammen mit dem lapidaren Zusatz „Masse in fahrbereitem Zustand 187 kg“ exakt übersetzt: Eine auffällig leichte, aber ganz scharfe Waffe. Oder so, wie KTM es nennt: ein Skalpell.
Gas, gebt Gas!
Raus also auf die Straße, und das will auf Gran Canaria einiges heißen. Die Routen vom staubigen und überfüllten Touristenziel Maspalomas über San Lucia de Tirajana hoch in die Inselmitte rund um Cruz de Tejeda – und damit auf locker 1500 Meter über Meereshöhe – sind ein Traum. Eine S-Kurve nach der anderen, der Track schlängelt sich entlang Leitplanken, die man dringend im Auge behalten sollte: Wahlweise rechts oder links geht es steil und unaufhörlich in die Tiefe. Reisebusse, verrückte Einheimische, LKWs, trödelnde Touristen – you name it: geil für den, der Überholvorgänge liebt.
Garniert wird die anspruchsvolle Teststrecke noch mit wechselnden Straßenbelägen: Mal ist der Insel-Asphalt frisch und supergrippig, mal löst sich die Route in Querrillen, Schlaglöcher, staubiges Geröll und rutschige Nadelbetten im Pinienwald auf – der ideale Parcours also, um sich die Fähigkeiten der 790er zu Gemüte zu führen.
Schon beim Ausritt aus Maspalomas, rund um die zahllosen Kreisverkehre, die wie mit der Gießkanne in die Vororte verteilt wurden, fallen zwei Dinge auf: Die Ergonomie stimmt, komplett. Der Platz hinter dem 820 mm breiten gekröpften Lenker und dem kleinen TFT-Display – dazu später – lädt in Verbindung mit dem vorbildlich harten und schmalen Sitzpolster zu einer extrem entspannten Lenk- und Fahrarbeit ein. Nichts wirkt nervös, nichts aggressiv. Wie sagte ein Kollege nach den ersten Kilometern anerkennend: „Draufsetzen, abfahren, sich zu Hause fühlen.“
Was dazu allerdings überhaupt nicht passt, ist der Unwille des neuen Motors, sich bei geringer Geschwindigkeit und niedriger Drehzahl ruhig zu verhalten. Wenn das 790er Aggregat nicht gefordert wird, nicht unter Zug oder Schub liegt, dann wird es unter 2.500/min schnell zickig, ruckelt und schlabbert es an der Kette und verschluckt sich gerne mal. Da hätte ich mir mehr Feinabstimmung der Entwickler gewünscht.
Dieser kleine Malus ist aber schnell vergessen, wenn eine freie Strecke vor der 790er liegt und die Gashand signalisiert: Jetzt geht es los, mit dem komplettesten Naked Bike, welches zur Zeit in der Klasse zwischen 700 und 900 Kubik unterwegs ist.
KTM hat alles reingepackt, was zur Zeit technisch sinnvoll ist und geht: Der Stahlrohrrahmen nutzt den Motor als tragendes Element, das Leichtmetall-Rahmenheck ist mit dem Hauptrahmen verschraubt. Der Heckausleger mit dem Nummernschildhalter: Ein Fall fürs Zubehör …
Der Vorbau wird durch eine Upside-down-Gabel von WP mit 43 mm Innenrohrdurchmesser und 140 mm Federweg dominiert. Das direkt angelenkte und mit einer progressiv gewickelten Feder ausgestattete Federbein mit Gasdruck-Unterstützung stammt ebenfalls von WP; am Hinterrad bietet die 790 Duke sogar üppige 150 mm Federweg.
Eine Überraschung sind die Bremsen und die Reifen: Die Stopper vorne und hinten kommen nicht wie vielleicht erwartet etwa von Brembo, sondern sind Eigenentwicklungen von KTM zusammen mit dem spanischen Partner J.Juan. Und auch bei den Reifen geht KTM ungewohnte Wege: Statt den üblichen Verdächtigen kommt Maxxis zum Zug, bisher eher für gute Qualität im Offroad-Bereich bekannt. Maxxis liefert für die 790 Duke den Supermaxx-ST in den Dimensionen 120/70 ZR 17 und 180/55 ZR 17.
Um den Zweiflern – zu denen ich auch ansatzweise gehörte – gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Sowohl die Bremsen als auch die Maxxis-Reifen passen bestens zur 790 Duke. Die J.Juan-Stopper sind jetzt nicht extrem bissig, aber packen schon mit wenig Kraftaufwand gehörig zu. Die Maxxis-Pneus haben eine speziell für die 790 entwickelte Laufflächenmischung, erheblichen Grip und sind im Fahrverhalten sehr neutral. Kleine Ausrutscher am Hinterrad, bevor die Traktionskontrolle greift, kann man vernachlässigen. Also zwei positive Überraschungen.
Das Powerelektropaket
Die KTM 790 bringt das volle Paket an elektronischen Fahrhilfen und Sicherheitssystemen mit, das jeden Reifen oder leichten Fahrfehler wieder einfängt und das der Ausstattung der 1290 Super Duke in nichts erkennbar nachsteht: Kurven-ABS mit Supermoto-Modus, 9-fach verstell- und justierbare Traktionskontrolle, Wheelie-Control, Schleppmoment-Regelung, Launch-Control sowie wählbare Fahrmodi jeglicher Couleur.
Neben dem Rain-Modus (mit sanftem Ansprechverhalten und weniger Leistung) und dem Street-Modus (direktes Ansprechverhalten, volle Power) hat KTM noch den Sport-Modus (scharf, mit voller Leistung) und den Track-Mode im Angebot – bei letzterem sind alle Parameter wie ABS, TC, Quickshifter+, MSR, Wheelie- und Launch-Control voll konfigurierbar.
Ein Wort zu meinem persönlichen Lieblings-Elektrobaustein. Der Quickshifter+ ist eine Sensation. Es gibt keinen namhaften Hersteller, der sich daran nicht schon mehr oder weniger erfolgreich versucht hat, aber KTM hat das Bauteil und vor allem das Zusammenspiel mit dem exakt zu schaltenden Getriebe anscheinend perfektioniert. Keine Ahnung, wie das noch besser gehen soll, Chapeau.
Den Hut darf man ohnehin ziehen, wenn man nach einem langen Fahrtag – wir waren knapp 300 Kilometer in den Bergen und drei Turns auf der Rennstrecke unterwegs – die 790er sehr unwillig, aber glücklich wieder weggeben muss: Im Ohr klingt der wie schon angemerkt etwas unförmige, aber im Zubehör gegen eine Akrapovič-Tüte zu wechselnde Standardauspuff noch lange nach. Er spielt eine fast V2-artige Melodie mit tiefer Basslinie, die wie ein „Spiel mir ein Lied vom Tod“ remixed von Kraftwerk klingt.
Das Fahrwerk und die Bremsen haben alle Ecken und Kanten der Bergstrecke blendend weggesteckt; auch auf der Rennstrecke macht die Zweizylinder-Naked eine tolle Figur – schluckt alle Unruhe souverän, fährt unter Druck rund und harmonisch, und hat genug Power auch aus tiefen Drehzahlen, um PS-stärkeren Schwergewichtlern Paroli zu bieten. Der erste Reihenzweizylinder aus dem Hause KTM ist also auch ready to race: Ab 3.000 Umdrehungen wird das Skalpell wach, bis 5.000 Touren geht es zügig los – bevor dann der KTM-Schub bis zu Begrenzer um die 9.500/min richtig reinkickt.
Zugleich ist das neue Mattighofener Pfund ausgesprochen alltagstauglich: Rundum leuchtet eine LED-Anlage, die Fahrinformationen und Einstellmöglichkeiten liefert das Bosch-TFT-Display mit optionaler Smartphone-Integration KTM MY RIDE. Das erfreulicherweise handlich und klein geblieben ist, aber dennoch auch bei harter Sonneneinstrahlung die wichtigen Infos auf einen Blick parat hat. Der Verbrauch liegt bei moderaten 4,4 Litern auf 100 km – wenn man moderat fährt.
Schnittige Preise
Bei aller Skalpell-Schärfe bietet KTM die 790 Duke nicht nur in den zwei Farbvarianten Orange und Silber, sondern auch als Einsteiger-Modell im doppelten Sinne an: Zunächst mit niedrigem Sitz (805 statt 825 mm Sitzhöhe) oder mit einem Tieferlegungsset (780 mm Sitzhöhe, dabei wird das Fahrwerk ebenfalls abgesenkt).
Zusätzlich ist die 790 Duke auch als 95 PS-Variante erhältlich, die sich für Newcomer mit A2-Führerschein weiter auf 44 PS drosseln lässt. Dieses Bike wird unter dem Namen KTM 790 Duke L zu den Händlern kommen. Die Standard-Version steht ab Anfang April 2018 mit 9.790 Euro zzgl. Nebenkosten zu Buche.
Fahrzeugdaten:
- Hersteller: KTM
- Typ: 790 Duke
- Motor: Zweizylinder-Reihenmotor
- Getriebe: Sechsgang
- Hubraum: 799 ccm
- Leistung: 77 kW / 105 PS bei 9.000 U/min
- Drehmoment: 86 Nm bei 8.000 U/min
- Höchstgeschwindigkeit: 235 km/h
- Fahrwerk: WP USD vo. / WP hi.
- Gewicht fahrbereit: 187 kg
- Tankinhalt: 14 l
- Preis: 9790 Euro
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Kommentare
3 Kommentare zu “KTM 790 Duke, The Scalpel, Modell 2018”
Hi,
müssen wir uns und auf mehr von diesen Annoncen im Kradblatt einstellen?
Die „Motorrad“ habe ich Jahrelang gelesen. Sie ist bestenfalls uninteressant, da ich mittlerweile kein Interesse an grellbunten Werbeberichten und Zehntelsekunden auf Rennstrecken habe. Da war die BMA und jetzt Kradblatt anders.
Finanziell bin ich in der Lage die Motorrad regelmäßig zu lesen und nur weil das Kradblatt kostenlos ist muss ich es nicht lesen.
Lg
Andreas
Bitte nicht wieder.
Der „Bericht“ besteht nur aus KTM-Werbetext und KTM- Bilder. Da kann ich mir auch gleich ne „Motorrad“ kaufen.
Besser wäre ein eigener Bericht und eigene Bilder oder drauf ferzichten. Dann ist das Heft zwar etwas dünner, dafür aber besser.
Sorry
Andreas
Moin Andreas.
Die KTM-Bilder waren einfach geiler als unsere eigenen und ohne Bilder sieht so ein Artikel doof aus. Meistens versuchen wir aber mehr oder nur eigene Bilder zu nehmen, weil uns das auch besser gefällt.
Falls du dir lieber die Motorrad kaufen möchtest, statt das Kradblatt gratis zu lesen, wird das die Kollegen sicherlich sehr freuen… 😉
Viele Grüße,
Marcus