aus bma 07/07
von Jens Möller
KTM hat`s getan. Endlich mag mancher denken, der schon sehnsüchtig auf einen neuen Einzylinder-Motor aus Österreich gehofft hat. Immerhin befeuerte der alte LC 4-Motor 20 Jahre lang den Fuhrpark von KTM. Da kommt der Wunsch nach Neuem auf. Und es wird wohl nicht nur die Euro-3-Norm gewesen sein, die die Ingenieure aus Mattighofen den immer noch LC 4 genannten, aber grundlegend neuen Motor, entwickeln ließ.
Dabei ist dieser aktuelle Einzylinder, soviel darf schon verraten werden, ein Quell der Freude, auch wenn er falsche Tatsachen vorgaukelt. Denn der mit Ausgleichswelle, schrägem Zylinderkopfdeckel und Einspritzung bestückte Motor hat nicht 690 ccm. Da wurde um zwei gute Schnapsgläser gelogen. Es sind genau 653,7 ccm. Nicht ganz unwichtig, denn damit reiht sich der Hubraum auf üblichem, markenübergreifendem Niveau ein. Steht ja auch korrekt so im KTM-eigenen Prospekt, nur nicht auf der Supermoto. Das Ding also, das KTM als erstes mit dem neuen LC 4er ausgerüstet hat.
Und auch der Schräglagensucher Supermoto ist komplett neu. Nichts da mit erkennbaren Wurzeln bei Crossern oder Enduro. Eigenständig, mit polarisierendem Design, weckt die KTM 690 Supermoto Lust auf mehr
Was jetzt noch fehlt, ist das Testmotorrad und die passende Strecke. Schnell bei KTM-Händler Martin Brandt, Tel. 040/21971012 angerufen. Ja, das mit dem Testmotorrad klappt. Und fürs Ausquetschen des Ballermanns waren in Lüneburg auf dem ADAC-Gelände auch noch einige Handlingsektionen frei. Alles bestens, ab über die Landstraße nach Lüneburg.
Und gleich die erste Überraschung: Das Ding drückt nicht. Jedenfalls nicht von ganz unten. Oder anders gesagt: Nicht, wie man es von einem Einzylinder mit über 650 ccm und 63 PS erwarten würde. 3000 U/min sollten mindestens auf dem gut ablesbaren Drehzahlmesser im umfangreichen Cockpit stehen, damit es ruckfrei und ohne Kupplungshilfe vorwärts geht. Alles darunter, besonders in den höheren Gängen, führt zu argem Kettenpeitschen. Wer einen Motor ohne viel Schwungmasse baut, muss sich darüber nicht wundern. Was dagegen jenseits der 3000 U/min passiert, liefert kein anderer serienmäßiger Straßensingle. Die KTM dreht und drückt. Ab 4000 U/min strebt die Drehmomentkurve vehement ihrem Hoch von 65 Nm bei 6550 Umdrehungen entgegen. Wenn sich die Kurbelwelle 4000 mal im Kreis dreht, bist du etwa bei 100 km/h im sechsten Gang. Immer auf dem Sprung.
Natürlich presst die KTM dir nicht das Weiße aus den Augen, klar. Sie ist eben kein vierzylindriger-Überbrenner mit Führerscheinverlustgarantie. Doch was dieser Motor bis etwa 150 km/h abliefert, ist nicht nur im Reigen der Einzylinder ganz großes Kino. Ein Beispiel? Eine Yamaha FZ6 Fazer mit 98 PS benötigt im Durchzug von 100-140 Sachen 6,2 Sekunden. Die KTM macht das eine Sekunde schneller mit mehr als 30 PS weniger, wohlgemerkt! Dabei läuft der Motor überaus geschmeidig. Die Einspritzung sorgt für einen dezenten Kaltstart und lässt den Motor ruck- und lastwechselfrei hochdrehen, wenn die erwähnten 3000 plus x Umdrehungen erst einmal anliegen.
Doch wie schlägt sich das Spaßmobil der Schluchtis, wenn Fahralltag komprimiert wird. Das Fahrsicherheitszentrum ruft. Und die KTM folgt willig. Der Motor begeistert auch hier, benötigt in den ganz engen Ecken aber immer den ersten Gang, weil es sonst arg hakig wird. Und wer die Anti-Hopping-Kupplung nutzt, die übrigens klasse funktioniert, der wünscht sich beim Einkuppeln nach dem Runterschalten der Gänge etwas mehr Gefühl. Das liegt wohl auch an der erst spät trennenden Kupplung mit ihrem kleinen Schleifbereich, der eine perfekte Dosierung vereitelt.
Was dagegen den Spaß vervielfacht, das Testerlächeln zementiert, ist das Fahrwerk der KTM 690 Supermoto. Satt, so liegt die KTM in den Kurven, kein Gautschen, kein Wackeln, nichts, und das trotz 210 mm Federweg vorne und hinten. Die 48 mm starke, in der Zugstufe einstellbare Upside-down-Gabel von WP stellt sich allem und jedem entgegen. Da gibt es kein Bremsen, das sie in die Knie zwingt. Das hintere Federbein liefert das gleiche Bild, drückt das Heck zuverlässig in den Asphalt, bildet die Straße perfekt ab, ohne zu strapazieren. Denn was der neue Gitterrohrrahmen der KTM im Zusammenspiel mit den Federelementen an Präzision und Steifigkeit bietet, geht nicht übermäßig zu Lasten des Komforts. Wobei wir das Fahrwerk für satteres Pistenbügeln nach der KTM-Empfehlung, die sich unter der Sitzbank befindet, in Richtung straff getrimmt hatten. Komfortable Zeitgenossen finden dort auch die passende Einstellungsvorgabe.
Wobei die Straffheit noch einen weiteren Vorteil bietet, zumindest solange wie sie mit den montierten Bridgestone BT 090 auf den beiden 17-Zöllern harmonieren darf: Schräglagenfreiheit. Die Supermoto legt sich locker bis weit über 45 Grad in die Kurve, da schleift nichts, da rutscht nichts. Und selbst wenn es dann noch enger wird. Einfach weiter reindrücken, der Kurve über den Scheitel fahren und dann der Einspritzung den Vollgasbefehl geben. Wenn Mopedfahren nur immer so schön wäre.
Doch die Wirklichkeit spielt sich abseits von Rundkursen ab, ebenso für die Supermoto. Auch hier kann sie nichts schlechter als die meisten anderen Motorräder, funktioniert tadellos, hält sich mit Vibrationen zurück, saugt im Schnitt gute 5,7 Liter auf 100 Kilometern aus dem 13,5 Liter bunkernden Tank. Zudem überzeugt die makellose Verarbeitung genau wie die 875 mm hohe Sitzposition und die einstellbaren Handhebel. Im Hier und Jetzt passt auch die Bremse wieder besser. Die 320 mm messende Einzelscheibe vorne bremst zwar fadingfrei, die Dosierung könnte aber knackiger sein. Zweifinger-radikal-Verzögerungen gehen so nicht. Das stört aber nur bei wirklich beherzten Kurvenpesen, Verzögerungs- und Bremsleistung reichen sonst allemal.
Was die Supermoto dagegen nicht kann, ist Autobahnbrennen. Das verwundert zwar nicht wirklich, aber der Winddruck wird schon jenseits von 140 km/h extrem. Dann liegt der konifizierte Lenker nicht mehr locker in der Hand, sind die Fußrasten zur Abstützung einfach zu weit vorne angebracht, und auch die neu designte, aerodynamisch optimierte Frontmaske verbringt keine Wunder. KTM verspricht zwar 186 km/h Höchstgeschwindigkeit, aber alles jenseits von 160 km/h wird zäh. Auch wenn die 690er dabei immer noch stabil dem Kurs folgt, Spaß geht anders.
Es gibt also Motorräder, die mehr Einsatzmöglichkeiten bieten als die vollgetankt 163 Kilogramm wiegende und damit federleichte KTM 690 Supermoto in ihrem Lastenheft stehen hat. Dass sie dennoch im Alltag so gut funktioniert, dass sie den Spagat zwischen formidablen Pistenflitzer und hohem Gebrauchswert im Landstraßengeschlängel so perfekt hinbekommt, macht sie momentan zum besten Einzylinder auf Deutschlands Straßen. Potenter Motor, geiles Fahrwerk, satte Reserven, was will man da noch mehr. Vielleicht 8398 Euro plus 150 Euro Nebenkosten. Das ist der nicht gerade niedrige Preis, den die Supermoto aber uneingeschränkt wert ist. Wer noch mehr ausgeben möchte, bitte sehr: Es gibt die KTM Supermoto 690 auch als Prestige-Modell. Mit mehr Klickmöglichkeiten, weil die Federelemente bei ihr auch in der Druckstufe einstellbar sind. Zudem ist die Bremspumpe von radialer Art und die Felgen sind aus Guss anstatt gespeicht zu sein. Ob es das braucht? Wahrscheinlich nicht, denn das Grundmodell überzeugt schon voll.
Eines wurde dabei bis jetzt bewusst ausgelassen: Das Design. Zumindest was die Frontmaske und die Auspufftöpfe angeht, gibt es mehr als zwei Meinungen. Und für die Pötte auch schon Ersatz im KTM-Zubehörprogramm. Doch KTM sagt, dass die Form der Funktion zu folgen habe, also sei’s drum, bei der Funktion der KTM 690 Supermoto reicht das völlig.
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