aus bma 12/04

Text: Karin Mairitsch
Fotos: Michael Hüby

KTM 625 SMCKann man ein sportliches Supermoto-Renngerät bauen, das den Tributen der straßenzulassungsfähigen Alltagstauglichkeit entspricht? Man kann.
Jedes Motorrad hat Eltern. Und wir reden da jetzt nicht von Entwicklern und Ingenieuren, wir reden von den Motorrädern. Von den Fakten. Die Eltern der neu konzipierten KTM 625 SMC kommen aus der Welt des Sports.
Auf der einen Seite trägt sie die Gene der legendären 625er Supercomp in sich, auf der anderen Seite hat sie die Anlagen des mächtigen Supermoto-Renngerätes KTM 660 SMC geerbt. Der Stammbaum verspricht einiges.
Am Pannoniaring zeigte der Tacho auf der Start-Ziel-Gerade satte 172 Stundenkilometer, in der heiß umkämpften Zone vor der ersten Kurve setzen wir den Bremspunkt am 50er Schild, machten Meter, obwohl (oder gerade weil?) das Hirn auf Stillstand stand, in der Dritten ging es an den Curbs vorbei, die TDM holten wir uns in der Anbremszone vor der engen Rechtskurve. Wir gingen innen vorbei. Am Handling-Kurs brachten wir die Fußrasten zum Schleifen, die Kuppe vor der Gerade nahmen wir im Sprung, und der platte Hamster wenige Meter vor der scharfen Kehre gab den optimalen Bremspunkt an. Vorm Eissalon setzten wir den ersten ernsthaften Stoppie unseres Lebens. Wir waren sehr glücklich.

 

Mit 132 Kilogramm ist sie SMC ein Leichtgewicht, auf der Rennstrecke ebenso wie am Supermoto-Kurs oder ganz einfach beim Weg zur Arbeit. Sie hat dank 41-Millimeter-Keihin-Flachschieber-Vergaser und SXC-Alu-Schalldämpfer einen kräftigen, spritzigen und dennoch runden Motor. Power ist ausreichend vorhanden, der optimale Drehzahlbereich beginnt bei 4.000 Umdrehungen. Begrenzer haben wir keinen gefunden.
KTM 625 SMCDas Fahrwerk stammt von WP und ist über einen weiten Bereich verstellbar. Ein Schraubenzieher genügt. Die Ergonomie ist auf der sportlichen Seite, mit einem Radstand von 1.510 Millimetern für das Motorrad ausreichend. Die KTM ist handlich und spurtreu zugleich. Kein Pendeln auf der Start-Ziel-Geraden am Pannoniaring, und dennoch enge Haken in den Kurven auf der Wiener Ringstraße. Der Lenker kommt von Magura und möchte selbstverständlich beherzt in die Hand genommen werden, die Fußrasten sind breit und bieten sicheren Stand in allen Lagen, die Rastenanlage ist formschön und aus Alu gefertigt. Der Handbremshebel ist vierfach verstellbar, die Bremserei stammt von Brembo und ist gerade recht dimensioniert.
Der E-Starter macht die 625 SMC zu etwas, was in der orangen Firmengeschichte neu ist und in seiner Schlichtheit überzeugt. Mit dem E-Starter entwächst die 625 SMC der Schublade des reinen Renngerätes und eignet sich ein wichtiges neues Attribut an – die Alltagstauglichkeit. Niemand kickt gerne. Kicken war einmal lustig, aber das ist zehn Jahre her oder noch länger. Seitdem jeder Pipifax-Roller mit einem E-Starter ausgestattet ist und selbst die Viertakter der Hard-Core-Enduro-Szene nicht länger auf ihn verzichten, kommt auch kein ernstzunehmendes Straßenmotorrad ohne ihn aus. Und das bisschen Mehr an Gewicht nehmen wir gerne in Kauf.
KTM 625 SMCDamit auch der Motor den erhöhten Ansprüchen des Alltags gerecht wird, wurde das Ölvolumen im Vergleich zur 660 SMC des Vorjahres von 1,2 auf 2,2 Liter erhöht. Das zusätzlich kühlere Öl pulsiert nun auch im Rahmenbrustrohr (wo sich auch ein weiterer Ölfilter befindet), und speziell für den heißen Stop-and-Go-Verkehr der Stadt hat die 625 SMC einen entsprechenden Kühlerlüfter verpaßt bekommen. Die Summe der Maßnahmen resultiert in akzeptablen Serviceintervallen von 5.000 Kilometern sowie der erprobten Zuverlässigkeit eines 625-Kubik-LC4-Motors.
Bei der Konzeption des Motorrades war man offenbar bemüht, möglichst vielen Kundenwünschen zu entsprechen. So ist etwa die Sitzbank der 625 SMC ein guter Kompromiss zwischen der Härte der EXC-Modelle und der Reisetauglichkeit der 640 Adventure. Sie bietet ausreichend Bewegungsfreiheit auf der Rennstrecke, ist aber auch weich genug für einen sportlichen Tagesritt und zudem mit einer Sitzhöhe von 910 Millimetern vergleichsweise niedrig. Das Fahrwerk lässt sich von sportlich straff bis zu stressfrei komfortabel einstellen, die WP-Komponenten sind dieselben wie bei der LC4 640 Supermoto, also vorne eine mächtige 48-Millimeter-USD-Gabel, hinten ein Monofederbein mit Umlenkhebeln. Die Bremse wurde der Duke 640 entnommen, mit vorne Vier-Kolben-Bremssattel und einer Scheibe von 320 Millimeter Durchmesser ist man auf der sicheren Seite, und in Kombination mit der 26 Millimeter starken Vorderachse und der mächtigen 48-Millimeter-USD-Gabel lässt sich das Vorderrad höchst präzise führen. Fürs Rennen empfehlen wir schärfere Beläge aus dem Zubehörhandel.
KTM 625 SMCErfreulich ist, daß der Benzinhahn vergleichsweise groß und leicht zugänglich ist. Das muß er auch sein, denn das Tankvolumen mißt gerade einmal 9 Liter. Bei motivierter Fahrweise schaltet man nach 100 Kilometern auf Reserve. Und dann hat man noch 2,5 Liter bis zum Ende des Spaßes. Doch ein Fall für die Rennstrecke?
Die Batterie für den E-Starter wurde hinter dem Luftfilterkasten im Stahlheck platziert, und hier liegt auch eines der letzten Geheimnisse der KTM 625 SMC. Entfernt man nämlich die obere Gummiabdeckung des Luftfilterkastens, dann kann der Motor gleich viel, viel freier atmen, und wenn man dann auch noch die Reduzierung im Endtopf wegläßt und die Begrenzung des Schieberweges im Vergaser ungeschehen macht, dann ist es richtig fein. Dann stehen die Tore weit offen und man bewegt sich in einem Leistungsbereich von etwa 55 Pferden.
Unterm Strich hat man bei KTM also einmal mehr die Zeichen der Zeit erkannt und mit der 625 SMC ein Motorrad auf die Räder gestellt, das die Ansprüche an ein „Ready to Race”-Wettbewerbsgerät ebenso erfüllt wie jene des Gesetzgebers. Das Motorrad kostet dann in etwa 8.390 Euro und zwar mit zulassungsfähigen Papieren. Man kann das Glück also doch kaufen.

Technische Daten:

Motor/Antrieb: Flüssigkeitsgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, vier Ventile, OHC, Rollenkipphebel. Keihin FCR-MX 41 – Flachschiebervergaser, Druckumlaufschmierung mit zwei Eatonpumpen. Hydraulisch betätigte Mehrscheibenkupplung im Ölbad. Digitale Kokusan-Zündung. Elektro- und Kickstarter. Fünfganggetriebe. Sekundärantrieb über Kette.

Fahrwerk: Pulverbeschichteter Chrom-Molybdän-Gitterrohr-Rahmen. Vorne Teleskopgabel WP-USD mit 48 Millimeter Durchmesser, Zug- und Druckstufe verstellbar. Hinten WP-Monoshock, Vorspannung, Zug- und Druckstufe verstellbar. Federweg vorne 265 mm, hinten 310 mm. Vorne Einscheibenbremse mit 320 mm Durchmesser und Brembo-Vier-Kolbenbremszangen, hinten Einscheibenbremse mit 220 mm Durchmesser und Brembo-Einkolbenzange. Felgen vorne 3,50 x 17, hinten 5,00 x 17., Bereifung Pirelli MZ 60 in der Dimension 120/70×17 vorne und 160/60×17 hinten.

Leistung: 24 kW (33 PS) bei 6.000/min; Drehmoment: 45 Nm bei 3.500/min
Sitzhöhe: 910 mm
Bodenfreiheit: 390 mm
Tankinhalt: 9 l
Gewicht 132 kg
Farbe: orange, was sonst?
Neupreis:
8.190 Euro zzgl. 200,- NK
Erster Service nach 1.000 km, danach alle 5.000 km.