Irgendwie musste es über die Jahre immer mehr sein – doch jetzt ist Eckart wieder dort, wo er angefangen hat, zumindest was das Gewicht der Maschine angeht. Und er hat viel Freude an seiner KTM 200 Duke …
aus Kradblatt 12/15
von Eckart Harborth
Der Kreis schließt sich – Mehr Spaß mit weniger Gewicht…
Februar 1959, an einem Freitagnachmittag: „Du kannst mein Motorrad kaufen, 50,- DM, läuft prima“, bot Nachbar August mir seine 98er Miele mit Sachsmotor an.
Um von dort nach Hause zu kommen, musste ich täglich eine längere, bis 20 %ige Steigung erklimmen.
„Wenn sie den Berg hinaufzieht, nehme ich sie“, hörte ich mich sagen. August ging in den verschneiten Hinterhof, griff in einen Schneehaufen und legte den schwarzen Gummisattel frei. Er schob die Miele mitsamt Schnee einen halben Meter – der Sachs sprang sofort an und puffte aus seinem rostigen Fischschwanz blauen Zweitaktmief in die Winterluft. Die Miele mit Trapezgabel und ungefedertem Hinterrad war „zum Anschieben“, d. h. man hatte die Tretkurbeln mitsamt Tretlager ausgebaut und ersatzweise ein kräftiges Rohr durch die Lagerbuchse geschoben, angeschweißt und Tretrastengummis darübergeschoben. Aus dem „Trampelmotorrad“ war eine richtige Maschine geworden.
Die Korklamellenkupplung griff mit schwirrendem Sington weich ein. Im langübersetztem 1. Gang machte sie gleich richtig Fahrt und mit kräftigem, zornigem Spruch zog sie auf der festgefahrenen Schneedecke wacker bergan, ohne an Drehzahl zu verlieren. Ich reichte August 50,- DM aus der freitäglichen Lohntüte und war ab jetzt Motorradfahrer. Viel mehr, für mich war sie so etwas wie ein metallenes Reitpferd, das mir als 18jährigem lt. Typenschild 2,25 PS nach belieben verfügbar machte. Ein Genuss war es, im ausgehenden Winter Sonntagvormittags im Harz Steigungen zu nehmen und Serpentinen auszukurven. Sie zog einfach gut.
April 1962: Hannes hatte das Motorradfahren aufgegeben und seine BMW R 25/3 vor längerer Zeit im elterlichen Gemüsegarten abgestellt. Für kleines Geld kaufte ich sie ihm ab. Die Reifen waren heruntergefahren und alles, was einmal verchromt war, stand da in braunem Rost. Der wertige deutsche Maschinenbau blieb jedoch unbeschadet. Der längs eingebaute Einzylinder mitsamt Getriebe, Endantrieb und Vollnabenbremsen schimmerte in makellosem Aluguss. Reifen, Lenker, Lampenring, Auspuffkrümmer und einige Dichtungen wurden erneuert. Alles andere schaffte ich durch intensives Putzen, sowie Ausbessern der schwarzen Lackierung mit dem Malpinsel. Mit ca. 250,- DM Teilekosten stand die BMW wieder herrlich da. Der Inbegriff eines schönen, grundsoliden Motorrades. Ergonomisch genau richtig! Sitzhöhe 730 mm, Schwingsattel, aufrechte Sitzhaltung, Telegabel, Geradewegfederung hinten, Kardanantrieb, Steckachsen. Ein voller, beglückender Viertaktsound, auch schon im Kaltlauf. Auf Strecke lief sie bei 80 km/h wie ein Stationärmotor, Kurven mochte sie ungern, Steigungen waren weitgehend egal. Natürlich ging sie auch über Hundert. Aber wozu? Verkauf nach 4 Jahren wegen notwendiger Autoanschaffung.
Hin und wieder träumte ich im Lauf der Jahre, die BMW stände noch bei meinem Vater in der Garage. Auch von der einen oder anderen Spritztour handelten die Träume.
30 Jahre später – bei den Kleinanzeigen stand sie: BMW R 45, 17000 km, sehr guter Zustand, Festpreis 5000,- DM. Inzwischen 54-jährig, machte ich eine Probefahrt. Optisch wie neu, kultivierter Boxersound, leider in Beigemetallic, statt in erhofftem Schwarz. Sie lief gut, war aber mit ihren 27 PS ein wenig matt in der Leistung. Zaudernd kaufte ich Helm, Handschuhe und Stiefel, steckte 4000,- DM in die Hemdtasche und bekam sie dafür. Vorsichtig tastete ich mich wieder ins Fahrgeschäft.
Drei Jahre später: Probefahrt mit einer BMW R 850 R (die mit den Ölkühlerohren), 68 PS, super Fahrwerk, Leistungsfreude in alle Lebenslagen. Kaufvertrag: „BMW R 850 R Neumaschine in Grünmetallic zum Herbstpreis“ Eine fahrsichere Tourenmaschine, leider mit einem Fahrgeräusch wie ein verstopfter Staubsauger. Leistung und Fahrspaß ließen die geliebten Tagestouren ausgreifender werden.
Mit 60 Jahren meinte ich plötzlich, die neue R 1100 S haben zu müssen. BMW-Werbetext: „Der Boxer der R 1100S lässt seine gewaltigen Muskeln spielen“. Schon stand sie auf dem Hof. BMW R 1100 S mit 98 PS, ABS, Vorführer, in schwarz-gelber Kriegsbemalung. Ich war am Ende meiner persönlichen Fahnenstange angelangt. Sie ging prächtig. Kaum war der sechste Gang krachend eingerastet, standen schon über 120 km/h auf dem Tacho.
Einmal sah ich mich im Spiegel einer langen Schaufensterfront geduckt durch einen Ort brettern. „Bist du das wirklich?“. Die Beste Freundin meiner Frau bemerkte: „Ja, umso mehr die Potenz schwindet, desto gewaltiger werden die Motorräder.“
Im Spätherbst: Wartung des Akkus. Beide Verkleidungshälften mussten abgebaut, der Tank gelöst und angehoben werden. Zig schwarze Kreuzschlitzschrauben mussten auf dem Boden kniend herausgedreht werden. Beim nachherigen Eindrehen war das knackende Abplatzen der Korrosionsschutzbeschichtung der Schrauben zu hören. Ich hätte in den Schrank springen können!
Die R 1100 S mit ihren hervorragenden Leistungs- und Fahreigenschaften passte mir doch nicht recht und ich gab sie nach eineinhalb Jahren gegen eine Guzzi Breva 750 in Zahlung. Erstmalig gab es Geld dazu! Sie sollte mir Rentnerfahrfreude bescheren. Kardanantrieb und Handlichkeit gefielen, der etwas heisere Klang hingegen nicht so ganz. Mit 48 PS fehlte ihr beim Überholen hin und wieder der Dampf. An einem heißen Augusttag musste ich Hamburg von Südosten nach Nordwesten durchqueren. Von hunderten von Kupplungsbetätigungen im Großstadtverkehr schmerzte die linke Hand. Probefahrt mit einer Aprilia Mana 850 am selben Tag! Komfortabel und beeindruckend fahrsicher! Ein kleiner Impuls am Quirl – und weich setzte der kräftige Vorschub ein. Immerhin konnte ich mithilfe des Automatikantriebs sechsundsiebzig PS sofort im Bereich des besten Drehmoments mobilisieren. Das bereitete vier Jahre lang viel Freude. Bei 230 kg Leergewicht machte es zunehmend Mühe die Mana beim Rangieren auf unebenen Untergründen zu händeln (man ist schließlich nicht mehr der Jüngste).
Seit einigen Monaten steht jetzt eine KTM 200 Duke mit ABS und massenhaft elektronischen Features im Schuppen. 27 PS bei 140 kg Leergewicht. Ein kleines Spaßgerät, das einem mit seiner Behändigkeit und Agilität ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
P.S.: Die BMW R 25/3 wog auch nur 150 kg, hatte Kardanantrieb und Upside-down-Gabel und würde demnächst, wenn die bereits angekündigte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h kommen sollte, wieder goldrichtig sein. War nur so ein Gedanke …
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