aus Kradblatt 7/20 von Julian Eichhoff

Motorräder ansprechend fotografieren

HINWEIS: Lest daher diesen Text immer mit „meistens sieht es gut aus, wenn…“ im Hinterkopf, denn für jede fotografische „Regel“ gibt es tausend Gegenbeispiele, welche mit dieser Regel brechen und trotzdem zu einem fantastischen Bild führen.

Ihr kennt das sicherlich. Man fährt eine schöne Tour, macht Rast an einem malerischen Ort und denkt sich „Mensch, von dieser Szene muss ich ein Foto machen!“ Also schnell das Smartphone gezückt und ein paar Bilder gemacht. Doch was sieht man dann Zuhause? Die Stimmung kommt nicht so wirklich rüber und spiegelt nicht das wieder, was man in Erinnerung hat. Oder habt ihr schon mal durch eines der bekannten Portale für Gebrauchtmaschinen geklickt und seid dabei auf gruseligste Fotos gestoßen, auf denen man noch nicht einmal erkennt, wie die Maschine eigentlich aussieht?

All dies kann verhindert werden, wenn man sich ein kleines bisschen mit der Fotografie von Motorrädern auseinander setzt. Denn es ist  gar nicht so schwierig, von einer Maschine ansprechende Fotos zu machen, auch wenn ihr nur mit eurem Smartphone unterwegs sein solltet. In diesem Artikel möchte ich euch die Motorradfotografie ein wenig näher bringen.

Ausrüstung: Die absolute Grundausrüstung besteht aus einer Kamera und einem Stativ. Spezielle Reisestative lassen sich zu kompakten Maßen zusammenfalten und können problemlos in einem Rucksack mitgeführt werden. Wer nicht so tief in die Fotografie einsteigen möchte, für den reicht auch ein modernes Smartphone. Neueste Modelle haben mittlerweile mehrere Kameras und decken vom Weitwinkel- bis zum Tele einen großen Brennweitenbereich ab, und das bei beachtlicher Bildqualität. 

Wer sich etwas mehr für Fotografie interessiert, sollte sich eine Kamera zulegen, bei welcher die Grundparameter Blende und Belichtungszeit gesteuert werden können (was bei so ziemlich jeder Spiegelreflex-, System- und Bridgekamera möglich ist). Und wer noch tiefer einsteigen möchte in die Motorradfotografie, sollte sich zwei Blitze und Blitzstative zulegen (dazu mehr später in diesem Artikel).

Fotokurs Abb. 1
Abb. 1: Morgens ist das Licht sanft und weich und erlaubt auch ein Fotografieren gegen die Sonne, ohne dass das Motorrad zu einer Silhouette wird. Diese Aufnahme wurde mit Stativ, Fernauslöser und einem 200 mm Teleobjektiv aufgenommen, um die Sonne möglichst groß im Bild erscheinen zu lassen.

Licht ist König: Besonders stimmungsvoll ist das sanfte Licht der aufgehenden und untergehenden Sonne. Bei wolkenlosen Sonnenauf- und Untergängen darf man ein goldenes Licht genießen, welches die Maschine besonders schön hervorhebt. Da die Sonne zu dieser Zeit nur knapp über dem Horizont steht, betont das Streiflicht die Konturen in der Umgebung besonders schön. Hier ist darauf zu achten, dass die der Sonne zugewandte Seite des Motorrades im Bild ist (Abb. 1).

Fotokurs - Bild 2
Abb. 2: Die BMW R 1200 GS Rallye steht in der Mittagssonne (beachtet den Schatten senkrecht unter den Bike!). Die harten Schatten betonen die Konturen der Maschine, ein tiefer Aufnahmewinkel sorgt dafür, dass der Himmel mit den schönen Wolken gut zur Geltung kommt.

Aber auch die Nicht-Frühaufsteher kommen auf ihre Kosten. Selbst die pralle Mittagssonne mit ihren harten Schatten eignet sich gut zum Fotografieren von Motorrädern. Denn die harten Kontraste zwischen Licht und Schatten betonen die Kanten der Maschine meistens recht gut. Aber Vorsicht! Dieses harte Licht eignet sich in der Regel nicht, um Personen zu fotografieren. Die Mittagssonne lässt die Person die Augen zusammenkneifen, die Nase wirft einen unschönen Schatten und der harte Kontrast zwischen der meist dunklen Motorradkleidung und dem eher hellen Gesicht kann dazu führen, dass Gesichter „überblendet“ werden. Also lieber den Helm auflassen (Abb. 2).

Fotokurs - Bild 3
Abb. 3: Diese Aprilia Tuono V4 wurde in einer privaten Tiefgarage aufgenommen. Die reizarme und schon fast sterile Umgebung lässt das Bike gut in den Vordergrund treten.

Location ist die halbe Miete: Die Location, muss für das Gesamtbild passen und interessant sein. Es müssen nicht immer exotische Orte sein, denn auch ganz normale Feldwege, Parkplätze, Unterführungen, Brücken oder auch ganz einfach eine Wand oder ein Abschnitt am Straßenrand können gut als Location fungieren. Gemeinsam sollte allen Orten jedoch sein, dass der Hintergrund nicht zu sehr vom Motorrad ablenkt. Wände mit auffälligem Graffiti z.B. sehen toll aus, aber wenn ein Motorrad davor steht, können sie der Maschine die Show stehlen bzw. es dem Betrachter erschweren, die Form des Motorrades zu erfassen. Andere störende Elemente sind z.B. parkende Autos, Mülleimer, Straßenschilder, Gebäude. Besonders wenn diese hinter dem Motorrad emporragen und „aus dem Tank wachsen“ mindert das den Eindruck, den ein Bild hinterlässt (Abb. 3).

Fotokurs - Bild 4 + 5
Abb. 4+5: Kniebeugen sind gesund (und führen zu besseren Fotos)! Ein Handy-Schnappschuss während einer Tour. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Fotos ist die Höhe, auf welcher sich die Kamera befand. Wenn man das Motorrad aus einer tiefen Perspektive fotografiert, rückt die Landschaft in den Hintergrund und die Aufmerksamkeit bleibt bei der Maschine.

Die Perspektive macht’s: Motorräder wirken meist am besten, wenn ihnen mit der Kamera „auf Augenhöhe“ begegnet wird (Faustregel: Maximal auf Tank- bzw. Scheinwerferhöhe, Ausnahmen bestätigen die Regel). Ein Foto im Stehen ist zwar einfacher zu schießen (man muss nicht in die Knie gehen …), aber es ist eine sehr gewöhnliche Perspektive, denn aus dem Winkel betrachtet man die Maschine auch mit dem unbewaffneten Auge (Abb. 4+5).

Achtet beim Bildaufbau darauf, dass das Motorrad „Luft zum Atmen hat“. Damit meine ich, dass ein wenig Abstand zum Rand des Bildes vorhanden sein sollte, ansonsten sieht es sehr gequetscht aus.

Wenn ich die Aufnahmewinkel in drei grobe Kategorien unterteile, trifft man in der Motorradfotografie am häufigsten das Seitenportrait und die Dreiviertelansicht. 

Fotokurs - Bild 6
Abb. 6: Die Seitenansicht ist das beste Mittel, um die Form und Umrisse einer Maschine detailgetreu abzubilden. Auch hier gilt: Ein tiefer Aufnahmewinkel verbessert die Perspektive.

Das Seitenportrait ist dabei der Klassiker. Hier wird das Profil der Maschine abgebildet, die Kamera befindet sich in einem 90°-Winkel zum Motorrad. Wichtig bei solchen Aufnahmen ist, dass die Kontur der Maschine nicht von Hintergrundelementen gestört wird (z.B. ein Verkehrsschild oder andere Elemente im Hintergrund). Je sauberer der Hintergrund, desto besser der Bildeindruck (Abb. 6).

Je nachdem, wie stark die Maschine auf dem Seitenständer nach links geneigt ist, kann es notwendig sein, diese Schrägstellung zu kompensieren, indem etwas unter den Seitenständer gelegt wird. Dies ist meist bei Fotos von der rechten Seite notwendig, denn in diesem Fall neigt sich die Maschine von der Kamera weg. 

Die sog. Dreiviertelansicht lädt zum Spielen ein, da man frei wählen kann, wie steil oder flach man die Maschine fotografiert (Abb. 7+8).

Fotokurs - Bild 8
Abb. 8: Die Dreiviertelansicht wirkt dynamisch und kann durch Wahl des Aufnahmewinkels sehr vielfältig eingesetzt werden.
Fotokurs - Bild 9
Abb. 9: Durch die Kombination von (Rest-)Tageslicht und Blitzlicht können eindrucksvolle Lichtstimmungen geschaffen werden. Für dieses Foto erhellte ein Blitz die Yamaha YZF-R6 von rechts.

Blitzlicht: Ihr habt mit Blitzlicht die Möglichkeit, euer Foto vom Rest abzusetzen. Fotos zur blauen Stunde z.B. (wenn die Sonne untergegangen ist und der Himmel sich tiefblau färbt) werden durch Blitzlicht erst interessant. Der Himmel wird vom Restlicht des Tages erhellt, aber das Licht reicht nicht aus, um die Maschine ordentlich zu belichten. Erhellt man das Motorrad mit einem Blitz, gewinnt das Bild dramatisch an Wirkung. Wichtig beim Einsatz von Blitzlicht ist, dass das Licht nicht aus Richtung der Kamera kommt. Ein sehr einfacher Aufbau ist z.B. der sog. „Zangenblitz“, bei welchem links und rechts vom Motorrad ein Blitz auf einem Stativ aufgebaut wird (Bild 9).

Viele Hobbyfotografen scheuen am Anfang den Einsatz von Blitzen, weil sie denken, dass das teuer, kompliziert und umständlich in der Handhabung sei. Aber das Gegenteil ist der Fall. Aufsteckblitze sind für unter 100 Euro das Stück zu haben, dazu gehörende Funkempfänger zum kabellosen Auslösen kosten mittlerweile zwischen 20 und 40 Euro, kompakte Lichtstative liegen in einer ähnlichen Größenordnung. Die Bedienung ist kinderleicht und Belichtungsautomatiken nehmen dem Fotografen viel Arbeit ab.

Wie bei allem gilt: Übung macht den Meister. Je länger man sich mit dem Thema Fotografie beschäftigt (ob mit Blitz oder ohne), desto besser werden die Bilder. 

Als Ausblick möchte ich euch zu guter Letzt noch ein wenig aus der Studiofotografie zeigen. In einem Studio lassen sich Maschinen vor einem neutralen Hintergrund perfekt ausleuchten. Das Besondere an dem Hintergrund ist dabei, dass er nicht rein weiß ist (dann würde das Motorrad „schweben“), sondern einen dezenten, aber merkbaren Helligkeitsverlauf aufweist wie in diesem Beispiel (Bild 10+11).

Fotokurs - Bild 10
Abb. 10 + Titelbild: Im Studio kann eine Maschine perfekt ausgeleuchtet werden. Selbstverständlich ist dies aufgrund des damit verbundenen Aufwandes nicht jedermanns Sache.

Fragen, Kommentare, Anregungen? 

Ihr könnt mich jederzeit unter julian@Lumenatic.com kontaktieren. Ich schaue mir gerne eure Bilder an und gebe Feedback oder beantworte Fragen rund um die Motorradfotografie. Besucht mich online, auf Facebook und auf Instagram.

Über den Autor: Dr.-Ing. Julian Eichhoff lebt in Hannover, beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit Fotografie und hat sich auf Motorrad- und Produktfotografie spezialisiert. Er ist Autor des Fachbuchs „Motorräder fotografieren“ (dpunkt.verlag, 14,95 €), schreibt für verschiedene Fachzeitschriften (c’t Fotografie und MOTORRAD), hält Vorträge (BMW Motorrad Days) und vermittelt in Individualcoachings die Techniken der Motorradfotografie. Auf seinem Blog Lumenatic.com gibt er einen Einblick hinter die Szenen und beschreibt, wie seine Bilder entstehen.

Lumenatic Motorradfotografie