aus bma 1/12 – Reisebericht

von Holger Gehrke
Pastor der Ev. Gemeinde Gröpelingen und Oslebshausen und Biker-Beauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche

(K)eine Frage der Kutte – KradKircheKultur-Biker auf Klostertour

Pause be -FüssenSo extrem unterschiedlich die Kutten-Klubs auch sein mögen: wenn ein neues Mitglied nach langer Bewährung endlich seine Kutte verliehen bekommt, dann ist das in jedem Fall so eine Art heiliger Akt! Das ist bei den „Hells Angels“ im Prinzip nicht anders als bei den Mönchen hinter Klostermauern. Die Kutte steht für etwas, schafft eine ganz besondere Identität und verpflichtet zu allerdings höchst unterschiedlichen Werten und Normen in der jeweiligen auserwählten Gesellschaft. Die fallen bei den „bözen Onkels“ gewiss anders aus als bei den frommen. Und uns Außenstehenden fällt es beim Anblick der unterschiedlichen Kutten auch spontan ganz leicht, die ganze Palette der (Vor)Urteile sofort parat zu haben. Und während die einen mit martialischem Gepränge und dem Donner von ungedämpftem V2-Motoren, superbreiten Reifen und turngerätartigen Lenkern an uns vorüber ballern, bekommt man die anderen kaum zu Gesicht. Und wenn doch, dann erscheinen sie uns wie fossile Lebensformen, die wir längst ausgestorben glaubten.

Was hat es nun wirklich auf sich mit dem Leben hinter Klostermauern? Das wollten die fünfzehn kuttenfreien Männer der Ü50-Bikertruppe „KradKircheKultur“ (KKK) von der Evangelischen Gemeinde Gröpelingen und Oslebshausen in Bremen jedenfalls herausfinden. Ein ziemliches Wagnis, zumindest mental, da keiner von uns bisher hinter Klostermauern geblickt hatte. Wir rüsteten uns also zunächst in unserer Nikolaikirche in Bremen-Oslebshausen mit einem Reisesegen für die Fahrt. Das beruhigte.

Klosterkirche OttobeurenAber die Angebote im Internet klangen auch so verlockend und waren sogar zu großen Teilen ein Jahr vor Reisetermin bereits ausgebucht! Aus rund zwanzig angefragten Klöstern blieben am Ende acht auf der Liste, alle mit EZ und gutem Komfort, Frühstück und der persönlichen Betreuung durch einen freundlichen „Gäste-Pater“ inklusive. 28,- bis 58,- Euro kostet so eine sichere und komfortable Klosterzelle hinter dicken Mauern, immer an historischen Stätten mit langen Fluren, schönen Kirchen, sicherem Mopped-Stellplatz und oft auch mit aktiver Brauerei.

Kostenlos, aber sehr eindrücklich und nicht ohne Folgen, jeweils auch das Angebot, mit den Mönchen im Chorgestühl die Tagesgebete feiern zu dürfen: Für Frühaufsteher schon ab halb fünf morgens und für Freunde der Spätschicht bis gegen zehn Uhr abends. Der dabei oft angestimmte gregorianische Gesang in der unglaublichen Akustik einer Basilika ließ uns dann schon Anklänge anderer Welten als der uns gewohnten spüren.

Während sich in der Vorbereitungsphase der Tour die Kommunikation mit den Kutten-Brüdern stets persönlich –freundlich und modern per Email abwickelte, war es für die konkrete Tourplanung schwierig, die Klöster in die richtige Reihenfolge zu bringen. Schließlich sollte ein Rundkurs mit ungefähr gleichlangen und attraktiven Etappen entstehen. Ferner entschieden wir uns, besser in zwei Gruppen zu fahren. Fünfzehn in einer Gruppe wären zu viele gewesen. Jede Ampel hätte die Gruppe geteilt und die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich gesenkt. Außerdem konnten durch Teilung persönliche und fahrerische Neigungen und Erfahrungen besser berücksichtigt werden. Für jede Etappe wurden zwei verschiedene Touren geplant, die sich oft an einer zentralen Stelle kreuzten und damit auch eine gemeinsame Gruppenpause möglich machten.

Diese Klöster nahmen uns freundlich auf:

1. Amelungsborn (Weserbergland, ev. Zisterzienser)

2. Marienstatt (Westerwald, kath. Zisterzienser)

3. Bad Wimpfen (Neckar, Malteser)

4. Benediktbeuern (bei Bad Tölz, Salesianer Don Boscos)

5. Ottobeuren (bei Memmingen, Benediktiner)

6. Schwarzenberg (Scheinfeld im Steigerwald, Franziskaner)

7. Erfurt (ehem. Augustinereremitenkloster Martin Luthers, heute ev.)

8. Volkenroda (bei Mühlhausen / Thüringen, Ökumenische Christus-Bruderschaft)

Kloster EttalBeeindruckend waren für uns am Ende eine ganze Reihe von unterschiedlichen Erfahrungen. Zunächst die Begegnung mit den Klosterbrüdern: Ihre Offenheit und sehr persönliche Lebensschilderung in Sachen ihrer Gelübde (Armut, Keuschheit, Gehorsam) und ihres praktischen Klosterlebens überzeugte uns, dass jeder der Brüder den für ihn selbst besten Weg und passenden Orden gewählt hatte. So unterschiedlich auch die Biographien und Ordensgrundsätze waren, so unvermutet deutlich doch auch bei allen die Antwort auf eine gar nicht gestellte Frage: „Der Papst ist weit weg und der Bischof hat hier im Kloster auch nichts zu sagen!“ Wer so mit sich selbst im Leben eins ist, der hat – so wissenschaftliche Untersuchungen – auch eine hohe äußere Lebenserwartung. Ihn plagt kein Stress, was er gleich anziehen soll und welches Auto er sich kaufen soll und wie er seine Tage gestaltet. Alles ist geregelt. Einfach und klar. „Ora et labora“, die alte Benediktinierregel, teilt jeden Tag in Gebet und Arbeit. Und wenig, aber ausreichend Schlaf. Dazu die gesunde, einfache Ernährung, meist aus den Klostergärten, und die geringe Chance, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen: Es lebt sich lange und ausgeglichen.

Pater Magnus mit seiner KutteHinterwäldlerisch muss es dennoch hinter Klostermauern nicht zugehen: Viele Orden haben die wichtigsten Tageszeitungen abonniert, Klöster haben WLAN, manche haben ein Fernsehzimmer für die Brüder und wieder andere Brüder dürfen Haustiere halten. Pater Magnus von den Benediktinern in Ottobeuren etwa hält sich als Haustier eine Würgeschlange. Alle paar Wochen darf er mit dem Auto des Abtes über die Autobahn heizen („Es macht mir riesig Spaß! Das neue Auto läuft 220!”) und bei einem Kaninchenzüchter ein paar Kaninchen für die gesunde Ernährung seiner Schlange kaufen.

Als ein junger Mitbruder eines Tages mit einer Katze ins Kloster aufgenommen wurde und beim Abt den Antrag stellte, die Katze doch in dem großen Innenhof der Abteil laufen lassen zu dürfen, stimmte Pater Magnus nur unter der Bedingung zu, dass er dann auch sein „Haustier“ dort laufen lassen dürfe.

In manchen Klöstern ist also tierisch was los, in andere kommt man kaum zur Ruhe. So etwa in Benediktbeuern, wo die Don-Bosco-Salesisaner nicht nur eine Theologische Hochschule, ein Umweltinstitut, sondern auch noch eine eigene Jugendherberge mit 800 Plätzen betreiben. Sie sind der jüngste und wohl weltoffenste Orden, leiden auch nicht unter Nachwuchsmangel wie die meisten anderen Orden. Ihre Aufgabe ist Bildung für die Jugend. Don Bosco, der Ordensgründer, war ein grandioser Pädgagoge und in seinem Geiste arbeiten sie in vielen Ländern der Welt äußerst erfolgreich.

Klosterbrauerei MarienstattBeeindruckend auch Architektur, Akustik und Kunst: Schlichte, aber wohlklingende Kirchen findet man bei den Zisterziensern. Man merkt, dass hier ein Reformorden gegen eine allzu starke Verweltlichung opponierte. Opulenten Barock hingegen findet man vor allem in den südlichen Klöstern Bayerns. Architektonisch am interessantesten indes erwies sich das letzte Kloster, das wir auf unserer Rückreise leider nur kurz aufsuchten: Volkenroda in Nord-Thüringen. Auf alten und verfallenen Mauern eines ehemaligen Zisterzienserklosters ist mit Hilfe der EU und durch Aktivitäten der ökumenischen Christus-Bruderschaft in den letzten Jahren ein beeindruckender Ort entstanden, der zugleich Kloster als auch Jugendbildungsstätte ist. Auf alte Mauern wurden neue, hochmoderne Konstruktionen aus Metall und Glas gesetzt und als Krönung bekam man von der Expo in Hannover die zerlegbare Kirche, den „Christus-Pavillion“.

Kaisersaal OttobeurenFür unsere vier aktiven Blechbläser, die sich alle noch ihr Instrument auf ihr Mopped geschnallt hatten, war das Choralblasen in großen Basiliken wie in kleinen Kapellen ein ganz besonderes Erlebnis. Nicht nur die bis zu acht Sekunden Nachhall, sondern auch die Vorstellung, dass in diesen Kirchen teilweise seit Jahrhunderten große Künstler erhebende Musik erklingen ließen, faszinierte. In der Basilika Ottobeuren etwa hat nicht nur Leonhard Bernstein große Erfolge gefeiert. Alle Jahre wieder führt man dort die Sinfonien Anton Bruckners auf, die genau so einen Klangraum zwischen Welt und Himmel erfordern. Schließlich beeindruckten uns auch die Touren durch Hügellandschaften und Mittelgebirge, die man wohl sonst als Fahrtziel kaum wählen würde. Klösterlich erholsam ist dort gerade auch die Moto-Einsamkeit.

Fazit: Der Blick hinter Klostermauern und Kutten schafft, eigene Offenheit vorausgesetzt, Eindrücke, die man weder buchen, kaufen und auch anders nicht „erfahren” kann. Und manches wirkt noch lange nach.