aus bma 07/05

von Matthias Schulz

Kawasaki ZX-12 RAls langjähriger Kawasaki-Pilot war ich stets an neuen Modellen „meiner“ Motorradmarke interessiert. Als ich 1999 die ersten Fotos und Kurzinformationen über die neue ZX-12R in der Fachpresse las, suchte ich sofort einen Händler meines Vertrauens auf, um dieses Motorrad zu kaufen. Zwar war ich mit meiner erst zwei Jahre alten ZZR 1100 zufrieden, aber das hohe Gewicht der ZZR und die angepriesene Technik der ZX stützten meine Entscheidung zum Modellwechsel.
Zunächst mußte ich noch warten, denn der Vertragshändler hatten bisher auch ausschließlich Informationen über die gängigen Motorradzeitungen! Anfang Februar 2000, als ich im Urlaub in Dänemark war, bekam ich einen Anruf vom Händler: Jeder Vertragshändler erhält zum Drachenfest von Kawasaki (nur) eine ZX-12R zur Präsentation. Die nächste Lieferung der neuen Kawasaki sollte dann erst ca. 8-10 Wochen später erfolgen. Wenn ich zum Saisonstart also (m)eine ZX-12R fahren wolle, müsse ich schnellstens kommen und einen Kaufvertrag unterzeichnen. Nun war ich vom Händler ca. 400 km entfernt, daher bestellte ich meine Kawasaki über das Faxgerät der dänischen Ferienhaus-Vermietung!
Beim angekündigten Drachenfest sah ich meine silberne ZX das erste Mal. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht las ich das Schild: „Bitte nicht probesitzen, leider schon verkauft!”
Am folgenden Montag holte ich die Maschine im strömenden Regen ab. Eine ungewohnte Sitzposition, ein leicht beschlagenes Visier, eine blinkende Tankanzeige und der Regen bremsten meine Freude und die erste Fahrt stark ein.

 

In den folgenden Wochen begann die 1.600 km lange Einfahrzeit, die laut Kawasaki auf den ersten 400 km (nur!) eine Geschwindigkeit von ca. 120 km/h zuließ. Der einzige Vorteil dieser Tortur war die bisher nicht wieder erreichte Reichweite von 230 km mit einer Tankfüllung. Bei meiner normalen, nicht immer moderaten Fahrweise, liegt der Durchschnittsverbrauch bei mind. 8,5 Liter Super pro 100 km, was ich eindeutig für zuviel halte.
Als sich die Einfahrzeit dem Ende zuneigte, hatte ein Testteam einer Fachzeitschrift einen kapitalen Motorschaden mit einer ZX-12R, worauf Kawasaki unverzüglich die Einfahrzeit verdoppelte! Ob das eine Überreaktion war? Von weiteren Motorschäden hatte ich nie etwas gehört. Meine ZX hat seit März 2000 ca. 15.000 km problemlos „abgefahren“. Auch die drei Rückrufaktionen von Kawasaki (defekter Tanksensor, Ventilmuttern tauschen und Stecker der Lichtmaschine abdichten) betraf meine Maschine nicht, wurden aber vorsorglich, natürlich kostenlos, vom Vertragshändler abgearbeitet. Die regelmäßigen Wartungen habe ich von „meinem“ Kawasaki Händler fristgerecht durchführen lassen. Zusätzlich hatte ich noch die vom Händler angebotende Garantieverlängerung auf vier Jahre erworben. Man weiß ja nie.
Trotz Einspritzung besitzt die ZX-12R links einen Chokehebel, der aber nur kurz und selten benutzt werden muß. Der Motor springt, heiß oder kalt, immer auf Schlag an, selbst nach einer längeren Winterpause. Überhaupt ist der Motor eine Wucht. Egal bei welcher Drehzahl Gas gegeben wird, die Beschleunigung hat etwas von einem Katapult! Aber die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 308 km/h ist eher ein theoretischer Wert, weil der Verkehr auf den Autobahnen selten einen solchen „Tiefflug“ ermöglicht. Dennoch zeigt das Motorrad bei solchen Geschwindigkeiten keine Schwächen. Der Windschutz ist gut und das Fahrwerk absolut spurstabil! Um dem Orkan bei hohem Tempo noch stärker entgegen zu wirken, habe ich eine Spoilerscheibe von MRA montiert.
Runter von der Autobahn: Auf der Landstraße macht die Maschine auch einen Heidenspaß. Das Getriebe arbeitet exakt, die Gänge passen perfekt zueinander und die Schräglagenfreiheit ist schier unbegrenzt. Das manch ein Supersport-Fahrer die ZX-12R als „Dickschiff” bezeichnet, ist meiner Meinung nach ungerechtfertigt, denn die Kawasaki durcheilt alle Kurven wie auf Schienen, auch bei wechselnden Kurvenradien. Nur die harte Gasannahme in Schräglage ist mit Vorsicht zu genießen, hier sind kurze aber ungewollte Drifts schnell möglich.
Was die Reifen betrifft, bin ich bei der Serienbereifung geblieben. Zwar sind die Modelle der Konkurrenz einen Tick handlicher, haben aber eine wohl mindestens 1.500 km kürzere Lebensdauer.
Ein weiteres „Highlight“ sind die Scheinwerfer, die auch die dunkelste Nacht zum Tag machen. Sie lassen sich auch leicht ver- bzw. einstellen, wenn mal ein Passagier mitgenommen werden muß. Der Soziusplatz ist jedoch für eine angenehme Tour zu zweit ungeeignet. Als der berühmte „Affe auf dem Schleifstein” sitzt die zweite Person hinter mir, weil der Abstand der Fußrasten zur Sitzfläche zu gering ist. Das die ZX nur für eine Person entwickelt wurde, ist schon an der Soziusabdeckung zu erkennen. Mit der Verarbeitung der ZX bin ich sehr zufrieden. Die Verkleidungsteile fügen sich alle perfekt zueinander.
Kawasaki ZX-12 RNach einer Sommerpause im Ausland, in Norddeutschland war „Dauerregen“ angesagt, freute ich mich im Juli 2004 wieder auf eine längere und (endlich) trockene Motorradtour mit meiner Kawasaki. Die Freude währte aber nicht lang. Auf der A250 von LG nach HH bemerkte ich bei einer Geschwindigkeit laut Tacho von über 280 km/h, daß die Gasannahme etwas stotterte. Instinktiv zog ich die Kupplung. In der nächsten Sekunde war ein deutlicher Knall zu hören, der Motor abgestorben und im Rückspiegel ein riesiger Ölnebel zu sehen. Nachdem das Motorrad auf dem Standstreifen ausgerollt war, ergab eine erste Sichtkontrolle einen stark verbreiteten Ölfilm über dem Hinterrad, der Schwinge und im Verkleidungskiel. Durch die eng anliegende Verkleidung war ohne Taschenlampe kein weiterer Schaden zu erkennen, aber beim Verladen in meinen VW Bus hinterließ die Maschine eine schwarze Ölspur, als ob die Ölablassschraube fehlen würde.
Bei der Demontage der Verkleidung in der heimischen Garage zeigte sich das gigantische Ausmaß des Schadens. Vom dritten Zylinder lagen Reste des Kolbens und dem Pleul auf dem Auspuffkrümmer. Im Zylinder war ein sieben Zentimeter großes Loch. Das Krümmerrohr, daß den Kolben „gefangen” hatte, war verformt und eingerissen. Motortotalschaden bei Kilometerstand 17.583 km!
Total entsetzt schrieb ich diesen Vorfall an Kawasaki Deutschland, in der Hoffnung, daß ich mit meiner scheckheftgepflegten ZX-12R Kulanzhilfe erhalten könnte, zumal die Garantieverlängerung erst seit drei Monaten abgelaufen war. Nachdem ich 14 Tage nichts von Kawasaki gehört hatte, rief ich dort an und mußte mir sagen lassen, daß dieser Vorfall im Hause unbekannt sei, obwohl ich die Geschichte per Post und Mail versendet hatte.
Kawasaki ZX-12 R In der Zwischenzeit hatte ich mir über das Internet aus Bayern einen Austauschmotor besorgt. Kawasaki verkauft keine Austauschmotoren, sondern baut defekte Motoren wieder auf, was nach Aussage meines Händlers 8.000 Euro bei o. g. Motorschaden übersteigen kann!
Nach einer weiteren Woche, ich hatte noch immer keine Stellungsnahme von Kawasaki erhalten, rief ich beim Geschäftsführer von Kawasaki Deuschland an. Der war zwar im Urlaub, aber einer seiner Stellvertretungen sicherte mir eine Kostenbeteiligung von ca. 50% zu! Auf meine Bitte, mir diese Aussage schriftlich zukommen zu lassen, sagte er, daß sei nicht nötig, denn er werde sich sofort mit „meinem” Vertragshändler in Verbindung setzen und alles Notwendige klären.
Das tat er auch. Als ich ca. fünf Minuten später bei der Firma Voigt und Stever in Ebstorf anrief, hieß es, ich müßte meine ZX-12R nur noch vorbeibringen, alles andere würde im Hause geklärt werden. Überglücklich habe ich vier Stunden später die zerlegte Ninja beim Kawasaki-Händler abgegeben. Innerhalb von 14 Tagen wurde meine Maschine wieder komplett zusammengebaut.
Zu meinem Entsetzen bekam ich zwei Wochen nach dem netten und zuversichtlichen Telefonat mit Kawasaki Deutschland Post, aus der hervorging, daß sich Kawasaki in keiner Weise an den entstandenen Kosten beteiligen wird. Noch am selben Tag holte ich meine frisch montierte Kawasaki, die wieder auf Knopfdruck ansprang, vom Händler ab. Von den entstandenen Kosten der Montage wurde mir zwar berichtet, aber bis heute bekam ich zum Glück keinerlei Zahlungsaufforderung.
Abschließend muß ich sagen: Vom Händler Voigt und Stever bekam ich eine gute Unterstützung, aber der Eindruck, den Kawasaki Deutschland bei mir hinterließ, ist ausschließlich verwirrend. Schade, bei solch einem guten Motorrad! Zum großen Glück ist kein Personenschaden entstanden. Wie hätte Kawasaki wohl in solch einem Fall reagiert?