aus Kradblatt 2/17
Text: Holger Bierbrauer
Bilder: Holger Bierbrauer, Kawasaki Deutschland

Kawasaki Z650 – Aus der „ERna“ wird eine „Z“ oder: Wie man Bewährtes noch besser macht …

Kawasaki Z650, Modell 2017

Zwei Wochen vor Weihnachten, es ist kalt, trübe und schmuddelig. Meine „Z“ friert in der Garage und ich überlege, wie sich wohl am besten die langen Tage bis zum Frühjahr sinnvoll überbrücken lassen. Da klingelt das Telefon: „Hast du Lust, die neue Kawasaki Z650 in Andalusien zu testen?“. Was für eine Frage, yeeeesss, bitte, gerne. Statt Weihnachtsshopping also auf nach Huelva ins sonnige Südspanien zur Pressevorstellung der neuen Kawasaki Z650.

Z650? Moment, da war doch was. Die älteren Zetter werden sich dunkel erinnern: Z650, war das nicht die kleine Schwester der legendären Kawasaki Z1000 (Z1F)? Genau, die KZ650 B1 erblickte zusammen mit der KZ1000 auf der IFMA 1976 erstmals das Licht der Welt. Entwickelt von Gyoichi „Ben“ Inamura, der schon der Z1 Leben eingehaucht hatte und gestylt von Norimasa „Ken“ Tada, aus dessen Feder auch die Z1 entsprang.

Damals hatte die KZ650 den Ruf, leichtfüßig wie eine 500er abzuwinkeln und 750er leistungsmäßig regelrecht stehen zu lassen. Was kein Wunder war, hatte die KZ650 doch 16 PS mehr Leistung und 15 Kilo weniger Gewicht als die KZ750 mit Paralleltwin. Z650, ein großer Name also, mit langer Tradition bei Kawasaki und den Fans der Grünen.

Nicht minder populär, um nicht zu sagen, der Kassenschlager schlechthin im Kawasaki Motorrad-Programm, mit über 121.000 verkauften Einheiten seit 2005 ist die ER-6n.Kawasaki ER6n
Ob Fahrschule, Einsteiger, Aufsteiger oder Umsteiger, an dem quirligen Paralleltwin führte so schnell kein Weg vorbei. Doch seit 2012 ist nichts mehr passiert bei der „ERna“, wie sie von Fans liebevoll genannt wird. Zu hoch, zu dick, zu träge in der Mitte und dann noch die Konkurrenz: Mit Yamahas MT-07 kam ein mächtiger Kontrahent ins Spiel, es musste gehandelt werden.

Eine einfache Modellpflege wäre wohl nicht zielführend gewesen, also gleich ein neues Modell samt neuem, traditionsbehafteten Namen. Die ER-6n war schon nicht schlecht, was die Verkaufszahlen bestätigen. Um das zu toppen wurde kein Stein auf dem anderen gelassen. Gutes und vor allem Bewährtes noch besser zu machen ist keine leichte Aufgabe, mit der Kenji Idaka und sein Team betraut wurden.

Und, haben sie es geschafft? Wie fährt sich nun die um satte 19 Kilogramm leichtere Z650 mit ihrem schlanken Design im Sugomi-Stil der Z1000. Great Job würde der Ami sagen, aber eins nach dem anderen.

Bevor wir uns dem „ride & feel“ widmen, noch ein paar Worte zum Eindruck beim ersten Aufsitzen, der Ergonomie.

Kawasaki Z650, Modell 2017

Die Sitzposition ist recht tief, insgesamt aufrecht, entspannt mit einem tick Sportlichkeit. Der Lenker ist relativ weit zum Fahrer gestellt, wirkt schmal und stark gekröpft. Da ich breite, flachere und weniger stark gekröpfte Lenkstangen gewohnt bin, ein erster Aha-Effekt, der sich auch gleich über den Tank bis zur Sitzbank hin fortsetzte.

Am Vorabend konnte ich nochmals die ER-6n parallel zur Z650 Probe sitzen. Im direkten Vergleich bemerkt man deutlich den schmaleren Tank und die um 15 Millimeter geringere Sitzhöhe von nun 790 Millimetern. Das sorgt für einen deutlich spürbaren engeren Schrittwinkel und damit für einen sicheren Stand, was vor allem kurzbeinigen Interessenten und Rookies entgegenkommen wird. Allerdings schrumpfte auch das Tankvolumen um einen, von 16 auf 15 Liter.

Obwohl der Abstand vom Sitz zu den Fußrasten beibehalten wurde, letztere aber satte 6 Zentimeter in Richtung Vorderrad gewandert sind, ergibt sich dadurch ein einen Tick mehr geöffneter Kniewinkel, der zu einer entspannteren Sitzposition bei längeren Touren beitragen dürfte. Getreu dem Motto: Des einen Freud, des anderen Leid, wird die zielguppenspezifische Ergonomie-Anpassung, Großgewachsenen wohl keine große Freude auf längeren Touren bereiten.

Aber auch für Lulatsche, die die Z650 ins Auge gefasst haben, hat Kawasaki eine Lösung: Eine um 35 Millimeter höhere Sitzbank, die als Zubehör erhältlich sein wird, sollte für einen deutlich entspannteren Kniewinkel sorgen. So steht auch Langbeinern entspanntes Touren nichts im Weg.

Auch für die auf Touren notwendige Unterbringung des Gepäcks, der Aktentasche auf dem Weg ins Büro oder zur Uni, ist mit Softbags, Topcase und Tank­rucksack gesorgt.

IKawasaki Z650, Modell 2017nsgesamt, wo wir nun auch schon beim Ergonomie-Fazit angelangt sind, wird die Z650 denjenigen Einsteigern, Umsteigern und Aufsteigern den nötigen Komfort und vor allen auch ein Plus an Sicherheit durch ihre schlankere Taille und niedrigere Sitzhöhe bieten, die diese auch benötigen. Wer gut sitzt, fährt gut! Das ist mit der Z650 im wahrsten Sinne des Wortes Programm.

Wie schon bei der Sitzposition war ich nach den ersten Metern und Kurven doch überrascht – locker flockig und spielerisch leicht trifft es wohl am besten.

Erst ein paar Kreisel dann langgezogene Wechselkurven und zu guter Letzt eine Kurvenhatz erster Klasse. So würde ich die erste Tour mit der Z650, mit etwas über 200 Gesamtkilometern an Länge, bezeichnen.

Auf der Rückfahrt war sogar noch Zeit für einen Top-Speed Test, der mit 194 km/h lt. Tacho etwas über der Werks­angabe lag.

Kawasaki Z650, Modell 2017Auf den Dunlop Sportmax D214, vorne in 120/70 und hinten 160/60 funktionierte die Z650 bei morgendlich schattigen 10 °C Außentemperatur unauffällig gut. Mit zunehmender Temperatur, sowohl der Reifen als auch der Außentemperatur winkelte die Z ohne Nachdruck beherzt ab, folgte der anvisierten Linie und zeigte auch beim Bremsen in der Kurve nur geringes Aufstellmoment.

Schon im 3. Kreisel hatte meine „Nr. 16“ etwas Material auf andalusischem Boden gelassen. Dies war aber auch meiner Gewichtsklasse geschuldet, wo wir nun beim Fahrwerk angelangt sind.

Das neu positionierte und oberhalb der Schwinge umgelenkte, in der Federbasis 7-fach einstellbare Federbein hätte etwas mehr Vorspannung gebraucht. Leider sitzt der Einstellring so tief im Chassis, dass dies ohne Federbeinausbau ad hoc nicht möglich ist.

Vorne verrichtet eine nicht einstellbare 41 Millimeter Telegabel ihren Dienst. Für mich persönlich ist die Abstimmung etwas unterfedert und unterdämpft, beim harten Anbremsen taucht mir die Front zu tief ein. Bei kurz aufeinanderfolgenden Bodenwellen quer zur Fahrbahn, schaukelte sich die Z650 für meinen Geschmack etwas zu viel auf. Für die angestrebte Zielgruppe kann ich hier aber Entwarnung geben, weder ein Fahranfänger noch ein fortgeschrittener Treiber wird das Fahrwerk schnell an seine Grenzen bringen.

Ein guter Kompromiss aus Komfort und Sportlichkeit mit genügend Schräglagenfreiheit ist gegeben und klassenüblich. Ich empfehle aber, wie bei jedem anderen Motorrad auch, nach dem Kauf beim Händler eine Fahrwerkseinstellung auf das eigene Körpergewicht vorzunehmen. Schwergewichte und „mit Soziusfahrer“ sollten über eine härtere Federbein-Feder und angepasste Gabelfedern nachdenken bzw. diese mit einkalkulieren. Aber auch das ist bei vielen anderen Maschinen nicht anders.

Kawasaki Z650, Modell 2017Was so proper ums Eck geht will auch beherzt gestoppt werden. Am Vorderrad erledigen das die beiden 300 Millimeter großen, halbschwimmend gelagerten Bremsscheiben im schicken Petal-Design, die von zwei Nissin Doppelkolben-Schwimmsätteln sicher und zuverlässig verzögert werden.Die Vorderradbremse lässt sich erstaunlich gut dosieren, selbst beim harten Ankern bis in den Regelbereich des ABS, das erst erfreulich spät in den Bremsvorgang eingreift. Genau richtig für Spätbremser. Positiv wurde ich auch von der Hinterradbremse überrascht, ganz „Z“ unüblich funktionierte diese deutlich besser als von den bisherigen Zettis gewohnt.

Vor dem Ankern kommt per se das Ziehen am Kabel, und das kann man bei der Z650 so wörtlich nehmen. Trotz EURO 4 werkeln in der Z650 noch herkömmliche Gaszüge bis zum Beschleunigungssensor. Ab da übernimmt die ECU das Kommando, vergleicht die Gasgriffstellung mit der Drosselklappenstellung und regelt bei Bedarf nach. Der Gasgriff lässt sich sanft dosieren ohne dabei zu sensibel zu reagieren. Auch eine Verzögerung der Gasannahme ist nicht wahrnehmbar.

Die für A2ler notwendige Drosselung auf 35 kW (48 PS) findet nun mittels elektronischem Drosselkit statt. Das Kit beinhaltet einen Freischaltcode für das Mapping, das ausschließlich durch den Händler, mittels einer speziellen elek­tronischen Box aufgespielt werden kann sowie ein neues Typenschild.

Wer die Z650 offen, also mit vollen 68 PS anstatt wie bisher 72 PS bei der ER-6n fahren darf, wird sich über eine neu erstarkte Mitte freuen. Die Drehmomentdelle zwischen 3 und 6.000 U/min, an der noch die ER-6n litt, wurde sauber ausgebügelt. Satter Durchzug, lineares Ansprechverhalten und wenig Lastwechselreaktion kann ich dem überarbeiteten 649 ccm³ Parallel-Twin bescheinigen. Selbst in hohen Gängen und unter 3.000 Touren zieht der Twin noch weitgehend ruckfrei durch und beschleunigt über das gesamte Drehzahlband eindrucksvoll.

Apropos beschleunigen, sowohl beim zügigen Durchsteppen der Gänge als auch beim relaxten Herunterschalten, fällt sofort die geringe Handkraft der Kupplung auf. Das ist der Assist und Rutschkupplung geschuldet, smooth und butterweich kuppelt und schaltet sich die Z650.

Assist und Slipper ClutchKurze Unterbrechung: Liebe Leser, ihr fragt euch auch, was eine Assist & Rutschkupplung ist? Hier kommt die Erklärung von Kawasaki:

„Die Assist- und Rutschkupplung verwendet zwei Nocken, einen Unterstützungsnocken (Assist) und einen Rutschnocken, um entweder den Kupplungskorb und die Druckplatte zusammenzudrücken oder zu trennen. Bei normalem Betrieb wirkt der Unterstützungsnocken als Servomechanismus, der die Kupplungsnabe und Druckplatte zusammenzieht, um die Kupplungsscheiben zusammenzudrücken. Dadurch kann die Gesamtkraft der Kupplungsfeder reduziert werden, was zu kleineren gefühlten Betätigungskräften am Kupplungshebel führt. Wenn mit dem Motor sehr stark gebremst wird – z. B. beim schnellen (oder versehentlichen) Herunterschalten – kommt der Rutschnocken ins Spiel und zwingt Kupplungsnabe und Druckplatte auseinander. Dies verringert den Druck auf die Kupplungsscheiben und damit das Rückdrehmoment und hilft so, ein Stempeln und Rutschen des Hinterrads zu verhindern. Diese rennorientierte Funktion ist besonders hilfreich bei sportlicher Fahrweise oder bei Rennen.“ Und jetzt weiter im Text …

Der Kupplungshebel ist nun auch in der Griffweite einstellbar, das wird vor allem zarte Frauenhände erfreuen.

Hola, und schon sind die beiden Testtage auch schon wieder vorbei. Bevor es nun wieder zurück ins kalte Deutschland geht, ein ähnlich der Z650, schlankes Fazit:

Kenji Idaka und seinem Team ist es aus meiner Sicht bestens gelungen einen adäquaten Nachfolger der ER-6n zu schaffen. Vom Design her fügt sich die Z650 fast nahtlos in die Z-Linie ein, der Gitterrohrrahmen und die neu gestaltete Schwinge tragen erheblich zur schlanken Gesamterscheinung und somit zum wendigen Fahrverhalten bei.

Mit einer Gewichtsreduktion auf nun 187 kg und der Anpassung des Motors auf eine starke Mitte hat die Z650 einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Auch der Preis von 6.695 Euro zzgl. Überführung liegt im grünen Bereich. Ob das reicht um sich gegen die starke Konkurrenz zu behaupten wird sich zeigen. Ich würde ihr es gönnen.

Eine Diskussion zum Artikel findet ihr auch unter www.z1000-forum.de.