aus bma 3/13
von Klaus Herder

Kawasaki Z 800 Modell 2013Auf Seite vier der sehr blumigen Presse-Information zur neuen Kawasaki Z 800 steht in nur einem Satz eigentlich alles, was man zum Selbstverständnis der Mittelklasse-Nackten wissen muss: „Von der Seite betrachtet, scheinen die Motorabdeckungen und die untere Verkleidung den Motor zu umklammern und beschwören das Bild eines Raubtiers mit Beute im Maul.“

Als ob das nicht schon dicke genug aufgetragen wäre, spricht der recht unterhaltsame Begleittext dann noch von einem „viel aggressiveren und animalischeren Er­scheinungsbild“, und dem schwer beeindruckten Leser wird verraten, dass „Wildheit als Leitmotiv für das Design“ diente und dass „eine Vielzahl von Streetfighter-Elementen zum noch aggressiveren Design“ beiträgt.

Oha, starker Tobak, geht es hier doch nicht um die exklusive 200-PS-Waffe eines abgedrehten Edel­tuners, sondern um das Nachfolgemodell der seit 2004 im Brot-und-Butter-Segment sehr erfolgreichen Kawasaki Z 750. Die zuletzt 2007 tiefgreifend modellgepflegte Z 750 verkaufte sich weltweit immerhin rund 159000 Mal, davon landeten knapp 13000 Exemplare in Deutschland. Ein echter Bestseller also, der zwar durchaus mit sportlichen Talenten gesegnet war und in bester Kawa-Manier noch sportlicher röhrte, aber alles andere als ein schwer beherrschbares Biest abgab. Im Gegenteil: Die Z 750 bot sehr einfach zu fahren den Druck und Auftritt einer 1000er zum Preis einer 600er. Und Kawasaki wäre mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen, hätte man bei der Nachfolgerin des Erfolgsmodells auf diese Grundtugenden verzichtet.

Kawasaki Z 800 Modell 2013Hat man natürlich auch nicht. Die Z 800 sieht zwar tatsächlich deutlich angriffslustiger als ihre Vorgängerin aus, die Front ist jetzt geduckter, das Heck steht steiler, doch am grundsätzlichen Charakter hat sich gottlob nichts geändert. Mit noch böserer Lampenmaske, kaum gekröpftem Lenker und hochgelegtem Mini-Heck haben sich die Designer zwar kräftig im Streetfighter-Baukasten bedient, doch ihre Kollegen von der Motorenentwicklung taten noch viel mehr dafür, dass die jüngste Z genau dort noch etwas fahrbarer wurde, wo es für ein unverkleidetes Mittelklasse-Motorrad am wichtigsten ist: auf der Landstraße. Oder anders gesagt: im unteren und mittleren Drehzahlbereich. Bei unverändertem Hub von 50,9 mm legte der Vierzylinder bei der Bohrung von 68,4 auf 71 mm zu, der Hubraum wuchs damit von 748 auf 806 cm³. Doch simples Aufbohren war den Kawasaki-Techniker zu wenig, sie betrieben auch noch jede Menge Feinarbeit an der Motoren-Peripherie. Kaum ein Bauteil blieb unangetastet. Die Drosselklappen messen nun 34 statt 32 mm, die Ansaugtrichter treten in zwei verschiedenen Längen und damit strömungsoptimiert an. Längere Einlasskanäle gehören wie die elegant geschlungenen und nun noch längeren Auspuffkrümmer ebenfalls zum Modell­- pflegeprogramm, das dem Reihenmotor genau das bescherte, was sich die Ingenieure wünschten: mehr Drehmoment bei weniger Drehzahl. Konkret: Die Z 800 stemmt maximal 83 Nm bei 8000/min; die auch nicht gerade als schwächlich verschrieene Z 750 musste noch mit 78 Nm bei 8300/min auskommen.

Kawasaki Z 800 Modell 2013Mehr Hubraum, mehr Drehmoment – fehlt da nicht noch etwas? Na klar, praktisch nebenbei gab’s auch noch etwas mehr Leistung. 113 PS bei 10200/min statt 106 PS bei 10500/min stehen nun zur Verfügung. Und die haben es auch noch mit einer verkürzten Sekundärübersetzung zu tun, denn das Kettenrad trägt nun 45 statt 43 Zähne. Wofür das alles? Die Z 750 war in den letzten Jahren in Sachen Beschleunigung und Durchzug gegenüber der Konkurrenz etwas ins Hintertreffen gekommen. Die 2007er-Modellpflege, bei der zwar ABS und Upside-down-Gabel, aber auch 13 Kilogramm dazukamen und von den ursprünglichen 110 PS vier gekappt wurden, hatte die Sache nicht einfacher gemacht. Doch nun ist alles wieder gut, die Z 800 kann gegen die BMW F 800 und die FZ8 von Yamaha sehr gut anstinken und sieht auch gegen die MV Agusta Brutale 800 oder eine Triumph Street Triple R gar nicht so alt aus – und diese beiden Feuerzeuge wiegen jeweils über 40 Kilo (!) weniger als die Z 800 (ok, beide sind Dreizylinder).
Stichwort Masse: Mit 17 Litern vollgetankt wiegt die Z 800 immerhin 231 Kilogramm. Das ist zwar nicht mehr als bei der Z 750 (die aber noch 18,5 Liter bunkern konnte), aber trotzdem richtig viel Holz. Zur Ehrenrettung der Kawa sei an ihre Geschichte erinnert: Ihre Großmutter war nicht irgendein Fliegengewicht, sondern die Z 1000 und damit ein ausgewachsenes Big Bike alter Schule. Und außerdem haben ein paar Extra-Pfunde ja nicht nur Nachteile, sie schaffen Reserven und eine an allen Ecken und Enden der Z 800 spürbare Solidität. Um die der Dauerhaltbarkeit dienenden inneren Werte kümmerten sich die Kawasaki-Techniker bei der Motorenüberarbeitung übrigens auch noch. Nicht, dass da akuter Handlungsbedarf bestanden hätte – die Z 750 galt und gilt als ausgesprochen zuverlässig, doch größere Öldüsen, eine optimierte Ölwanne, eine neue Steuerkette und verbessertes Material für die Einlassventil-Sitze beweisen, dass es bei der Entwicklung der Z 800 nicht nur um das bereits eingangs erwähnte „animalischere Erscheinungsbild“ ging.

Kawasaki Z 800 Modell 2013Es ging um insgesamt mehr Spaß am Z-Vertreib, und der ist bereits bei der ersten Sitzprobe zu spüren. In 820 mm Sitzhöhe und damit minimal höher als auf der Vorgängerin ist der Z 800-Treiber ausgesprochen kommod untergebracht. Kurzbeiner müssen sich keine Sorgen machen, der angenehm straff gepolsterte und mit unzähligen Z-Logos geschmückte Fahrersitz fällt etwas schmaler aus – wer auf die Z 750 passte, bekommt auch auf der Z 800 die Füße auf den Boden. Der etwas kleinere Tank lässt im Kniebereich ausreichend Platz, der Kniewinkel fällt ebenfalls bequem aus, und der ein mächtig breites Kreuz machende Lenker liegt sehr gut zur Hand. Okay, der Kupplungshebel hätte gern einstellbar sein können und die Spiegel sind in Sachen Rücksicht auch nicht unbedingt eine Offenbarung, was auch für die Ablesbarkeit der digitalen Instrumente, insbesondere die des Drehzahlmessers gilt. Aber unterm Strich fühlt sich der in leichter Attacke-Haltung untergebrachte Fahrer äußerst wohl. Und noch wohler, wenn der Vierzylinder nach dem Druck aufs Knöpfchen zum Leben erwacht. Jawoll, genau deshalb kauft man Kawasaki und nicht irgendein anderes japanisches Fabrikat! Der pummelige Drei­kant-Endtopf mag vielleicht merkwürdig aussehen, doch das, was ihm entweicht, ist so wunderbar bassig-grummelig, so herrlich knurrig-böse, dass es eine wahre Freude und trotzdem völlig legal ist. Irgendwie scheinen die Kawasaki-Techniker beim Sound-Engineering immer ein goldenes Händchen zu haben, so auch bei der Z 800.

Das breite Grinsen im Fahrergesicht hält aber auch dann noch an, wenn er sich längst satt gehört hat, denn auch die fahrdynamischen Umgangsformen des Kawasaki-Motors geben Anlass zur ganz großen Freude. Das satte Drehmoment-Plus ist immer und überall deutlich zu spüren. Bereits etwas über 2500 Touren schiebt der Vierzylinder mächtig an und powert bärig gleichmäßig und ohne irgendeinen Hänger oder Verschlucker durchs Drehzahlband. So um 6000/min gibt’s noch einen netten Nachschlag, bis gut 10000/min hält der Schub dann munter an. Darüber wird’s dann etwas zäh, theoretisch verbleiben noch 2000 Touren bis zum Begrenzer, doch diesen letzten Bereich wird in der Praxis wohl niemand ausnutzen wollen. Muss er auch nicht, denn das, was der Z 800-Motor bis zum fünfstelligen Bereich abliefert, reicht immer und überall für jede Menge Fahrspaß. Z 750-Besitzer seien ausdrücklich gewarnt: Euer bisheriges Arbeitsgerät ist nun wahrlich keine Luftpumpe, ganz im Gegenteil. Doch nach einer Z 800-Probefahrt werdet ihr gleich und sofort tauschen wollen. Wetten, dass…?!

Bevor wir es vergessen, die Statistiker warten sicher schon: Die Z 800 rennt maximal 230 km/h, erreicht aus dem Stand nach 3,3 Sekunden Tempo 100 und ist 10,7 Sekunden später 200 km/h schnell. Das sollte reichen. Der Verbrauch liegt bei rund 5,5 Liter – das ist zwar keine Offenbarung, dem Fahrspaß aber angemessen.

Zum durchzugs- und leistungsstarken Motor passt das nun etwas straffer abgestimmte, an einigen Stellen etwas verstärkte und mit minimalen Geo­­me­trie- Änderungen da­herkommende Fahrwerk bestens. Basis ist immer noch der bewährte Stahl-Brückenrahmen der Z 750 R. Einen Motorhilfsrahmen aus Aluguss gibt’s auch weiterhin, doch etwas veränderte Motoraufhängungen sorgen nun dafür, dass vom durchaus kernig laufenden Motor weniger Vibrationen als bei der Z 750 zum Fahrer durchdringen. So um 6000/min herum kribbelt’s etwas in den griffigen, ohne Gummiauflage auskommenden Fußrasten. Mehr aber auch nicht.

Kawasaki Z 800 ABSDie in Zugstufe und Federvorspannung verstellbaren Federelemente halten die neuen Dunlop D 214 satt auf der Straße. Zumindest solange der Belag keine gröberen Verwerfungen zu bieten hat. Fiese kleine Kanten mag das Federbein nicht wirklich und benimmt sich dann etwas unsensibel. Sehr grobe Wellen in sehr großer Schräglage (die Schräglagenfreiheit der Z 800 geht gegen unendlich…) mag die Kawa noch viel weniger und reagiert gegebenenfalls mit einem deutlich spürbaren Aufstellmoment. Geschenkt, denn die Fuhre bleibt trotzdem immer gut berechenbar und lässt sich bei halbwegs artgerechter Haltung absolut zielgenau dirigieren. Dafür verlangt sie allerdings nach etwas mehr Körpereinsatz. Zumindest dann, wenn es mit höherem Tempo ziemlich zackig ums Eck gehen soll; denn bei forcierter Gangart lässt sich das Hüftgold nun mal nicht verbergen. Das Moppelchen benötigt dann eine klare Ansage am Lenker, ein Wesenszug, der zupackenden Zeitgenossen vielleicht gar nicht so ungelegen sein dürfte. Weichgreifer und Klavierspieler sind auf einer (sehr zügig bewegten) Z 800 vielleicht nicht ganz optimal untergebracht; Handwerker alter Schule werden die Kawa dafür aber lieben.

Lieben wird man sie auch, wenn man sich beim Ankern mal schwer verschätzt hat und auf die Hilfe des serienmäßigen ABS angewiesen ist. Der Blockierverhinderer ist sauber abgestimmt und greift relativ spät, dann aber knackig-kurz ins Geschehen ein. Die von 300 auf 310 mm vergrößerten Bremsscheiben werden aber auch schon weit vorm ABS-Eingriff bestens in die Vierkolben-Zangen genommen. Die Stopper erfordern für maximale Verzögerung zwar festes Zupacken der rechten Fahrerhand, überzeugen dann aber mit sehr guter Dosierbarkeit und top Wirkung.

Kawasaki Z 800 Modell 2013Die in Grün, Weiß und Schwarz lieferbare Z 800 ist im Vergleich zur auch schon guten Vorgängerin ein echter Fortschritt. Und auch im Feld der aktuellen Mitbewerber sieht die Z 800 sehr gut aus. Ihr kräftiger und herrlich tönender Motor überzeugt auf ganzer Linie, das Fahrwerk hat ebenfalls dazugewonnen, und die Verpackung ist wieder auf der Höhe der Zeit. Besagten Fortschritt lässt sich Kawasaki aber auch ganz ordentlich bezahlen: Die Z 800 steht mit 9495 Euro in der Liste. Zum Vergleich: Die Z 750 kostete zuletzt 8395 Euro, für die besser ausgestattete Z 750 R waren 9095 Euro fällig. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Z 800 ist jeden Euro wert, aber sie bewegt sich inmitten knallharter Konkurrenz, ein solcher Selbstläufer wie die Z 750 anno 2004 wird sie vermutlich nicht werden. Oder vielleicht doch? Verdient hätte sie es.

Kleiner Trost für Sparfüchse: Mit der Z 800 e hat der Kawasaki-Dealer auch eine „Discount-Z 800″ im Programm. Die kostet 8595 Euro und damit 900 Euro weniger als die Z 800 ohne e und tritt mit einfacheren Federelementen, etwas magererer Ausstattung und maximal 95 PS an. Grund für die Aktion: Das Drosseln von Motorrädern für den neuen 48-PS-Führerschein ist im europäischen Ausland nur erlaubt, wenn sie offen nicht mehr als die doppelte Leistung (also maximal 96 PS) haben, die Z 800 e wurde für Europa daher mit den besagten 95 PS homologiert. Eine spätere Umrüstung der Z 800 e auf die volle Leistung der „normalen“ Z 800 ist technisch aber sehr aufwendig und wirtschaftlich damit indiskutabel. Die Unterschiede bei der Einspritztechnik und Elektronik sind einfach zu groß.

Zur Markteinführung der Z 800 und Z 800 e bietet Kawasaki für Schnellentschlossene momentan „Z 800-Rollout-Aktionen“: Wer jetzt eine Neue kauft, erhält einen Carbon-Slip-on-Auspuff von Akrapovic für nur 300 Euro Aufpreis – das macht 413,40 Euro Ersparnis. Und wer sich jetzt für die Z 800 e entscheidet, bekom­mt sie zur Zeit aufpreisfrei mit einer unteren Motorverkleidung in Schwarz – die kostet für die Z 800 e normalerweise extra. Genug Gründe also, um in nächster Zeit mal bei den Grünen vorbeizuschauen.