aus bma 4/09

von Winni Scheibe

Witthöft Kawasaki Z750B EnduroSchleswig-Holstein ist ziemlich flach. Bei schönem Wetter kann man bei guter Sicht die Nordsee und die Ostsee sehen. Anspruchsvolle Offroad-Strecken – außer Sand, Sand und nochmals Sand – darf man hier oben allerdings kaum erwarten. Und trotzdem, aus Bad Oldesloe stammt Rolf Witthöft.  Der vielfache Deutsche, Europa- und Weltmeister gehört  zu den erfolgreichsten deutschen Geländefahrern.
Sommer 2006, Ortstermin Bad Oldesloe. Gleich in der Industriestraße 21-25 steht das Firmengebäude der Mazda- und Kawasaki Vertragshändler Gebr. Witthöft GmbH. Im Eingangsbereich parken eine Kawasaki ZZR 1400 und eine Kawasaki ER-6n, daneben stehen neue Mazda Autos. Der Showroom zeigt sich schlicht und sachlich. Weder Rennbilder, noch Trophäen, noch Urkunden oder Siegerkränze erinnern an eine außergewöhnliche Motorsport-Karriere. Der Empfang ist herzlich, ich habe mich mit Firmenchef Rolf Witthöft für eine Zeitreise in das Jahr 1978 verabredet. In diesem Jahr wurde der norddeutsche Offroad-Champion mit dem urigen Kawasaki Dampfhammer Z 750-Twin Deutscher Geländemeister. Es dauert nur einen kurzen Moment und ich weiß, hier steht ein dynamisch-sportlicher Geschäftsmann vor mir.

Rolf Witthöft, Jahrgang 1944, wirkt locker 10 Jahre jünger. Wer ihm zuhört, spürt sofort seine Leidenschaft für Motorräder und den Motorsport. Zwar sind die Haare inzwischen fast so weiß wie sein blütenreines Oberhemd, doch von ausgepowert oder Betriebsmüdigkeit keine Spur. Über das aktuelle Programm schwärmt der Holsteiner: „Mit der neuen ZZR 1400 hat Kawasaki ein ganz heißes Eisen im Feuer. Wer sich mit diesem Bike austobt, stößt in die Galaxie der F1-Fahrleistungen. Kawasaki braucht solche Bikes, sie gehören unbedingt zum Image. Mein persönlicher Favorit ist jedoch die ER-6n. Letztes Wochenende war ich mit Motorradfreunden unterwegs, ich saß auf der ER-6n, schon lange habe ich nicht mehr soviel Fahrspaß erlebt.“
Die Motorradbegeisterung ist echt, sie kommt aus vollem Herzen. Auch kein Wunder. Der Bad Oldesloer ist als Sohn eines Kfz-Meisters bereits mit „Benzin im Blut“ auf die Welt gekommen und dieser Bazillus hat ihn bis heute nicht verlassen. Man plaudert noch etwas über die aktuelle Motorradszene, dann erfolgt ein Zeitsprung 30 Jahre zurück. „Eigentlich habe ich meine aktive Geländefahrer-Laufbahn 1976 beendet. Unser Kfz-Betrieb nahm mich immer mehr in Anspruch, auch wollte ich mehr Zeit für meine Familie haben. Was ich jedoch nicht ahnte, nach 16 Jahren Geländesport konnte das nicht gut gehen,“ verrät der sympathische Holsteiner und lacht. „Ende 1977 kam mein Sportfreund Bernd Drews mit einer ziemlich verrückten Idee zu uns. Die Kawasaki Z750B, schlug er vor, wäre genau die richtige Maschine für die neue Geländesportklasse über 750 Kubik“.

Witthöft Kawasaki Z750B EnduroWas sich zunächst wie ein Spaß anhörte, stieß bei Rolf Witthöft, aber vor allem bei seinem Bruder Peter, er ist der Techniker im Familienbetrieb, sofort auf reges Interesse. Und wie es in solchen Kreisen üblich ist, wurden gleich Pläne geschmiedet. Das Fahrwerk müsste man für den optimalen Geländeeinsatz komplett verändern, alles Überflüssige sollte abgebaut werden und an dem Motor wollte man auch arbeiten. Übermaßkolben sollten den Hubraum auf 751 ccm bringen. Im Geiste stand der Gelände-Hammer bereits vor ihnen und Rolf Witthöft erinnert sich: „Was wir uns zunächst als relativ einfache Aufgabe vorgestellt hatten, erwies sich bei näherer Betrachtung als gewaltige Herausforderung. Keine Mutter blieb auf ihrer Schraube. „Der Z 750-Rahmen wurde so geändert, daß der komplette Vorderbau aber auch die Hinterradführung von KTM verwendet werden konnte. Als nächstes kam der Motor an die Reihe. Lichtmaschine, Zündanlage und die beiden Ausgleichswellen wanderten ins Teilelager. Für den Zündfunken sorgte fortan eine Kröber Magnetanlage. Gewichtsreduzierung war ein weiteres Thema. Peter Witthöft bohrte die Nockenwellen hohl und jede Menge „großer Löcher“ in den Zylinderkopf und Zylinderblock. Alle Mühen sollten sich lohnen. Fahrfertig, mit 7 Litern Kraftstoff im Tank, drückte die „Witthöft-GS“ lediglich 152 kg auf die Waage. Pünktlich zum Start der Geländesaison 1978 war das Viertakt-Offroadbike einsatzbereit. Die Resonanz auf die erstmalig in diesem Jahr ausgetragene Geländeklasse über 750 Kubik war beachtlich. Maico, Ducati, Yamaha, Kawasaki, aber vor allem die neue Versuchs-GS von BMW, standen am Start.

Witthöft Kawasaki Z750B EnduroNicht ohne Stolz betont Rolf Witthöft: „Es wurde eine interessante, aber auch spannende Meisterschaft. Besonders für mich als Titelanwärter, weil ich mir beim vorletzten Lauf den rechten Mittelfußknochen gebrochen hatte. Zum DM-Finale hatte ich mir einen Spezialstiefel anfertigen lassen, wurde trotzdem Zweiter in meiner Klasse und war somit erster Deutscher Geländemeister in der Klasse über 750 Kubik. Damit hatte keiner gerechnet, für mich war dieses Comeback ein Riesenerfolg.“ Soweit zur Historie des erfolgreichen Offroadbikes. Die Siegermaschine steht gut unter einer Plane abgedeckt in der Werkstatt. Gleich daneben die Witthöftsche Z500 GS. Ein Spaßmotorrad, wie Rolf Witthöft betont, das er 1980 aus den Fahrwerkskomponenten der KLX 250 und dem Twin-Motor der Z440 zusammengebaut hat. In den Zylinderlaufbahnen stecken Z1100-Kolben, womit der Hubraum auf 510 ccm erhöht werden konnte. Mit diesem Zweizylinder-Geländehüpfer ist Witthöft 1981 und 1982 nur zur Gaudi bei vereinzelten Wettbewerben mitgefahren.

Witthöft Kawasaki Z750B EnduroDas Augenmerk in diesem Bericht gilt weiterhin der Z 751. Rolf Witthöft checkt die Kettenspannung, füllt Benzin nach, dann wird das Bike in einen Transporter verladen. Auf einem nahegelegenen Offroadgelände sollen die Bilder gemacht werden. Den ganzen Tag über ist es schon drückend schwül, der Blick an den Himmel lässt demnächst ein Gewitter erwarten. Die Strecke ist ideal, tolle Sprunghügel, kein weiterer Cross- oder Geländefahrer sind auf dem Kurs. Der Ex-Champion lässt den Donnerbolzen in gekonnter Manier, als wäre es 1978, um die Ecke krachen. Rechtsherum, linksherum, dann noch ein paar Sprünge über einen Hügel fürs Fotoalbum.

Nach gut einer halben Stunde sind die Aufnahmen im Kasten. Es ist knallheiß, Rolf Witthöft nimmt nach der Vorführung den Helm ab, wischt sich mit einem Tuch ein paar Schweißtropfen von der Stirn – das war’s. Es ist kaum zu glauben, der „Offroad-Oldie“ hat eine Kondition wie ein Junger. Eigentlich wäre, nach einem großen Kompliment und dickem Dankeschön an den Gastgeber, die Story hier zu Ende. Ist sie auch, jedenfalls aus Kawasaki-Sicht.
Der Einsatz der Z 751 „Witthöft-GS“ erfolgte nur in der Saison 1978, danach kam die Maschine nie wieder offiziell zum Einsatz. Für die nächsten beiden Jahre erhielt der schnelle Holsteiner nämlich einen BMW-Werksvertrag und wurde 1980 mit der neuen BMW GS 800 Europameister. Doch das ist eine andere, eine neue Geschichte. Trotzdem, Kawasaki kann stolz auf den erfolgreichen Händler in Bad Oldesloe sein.

Die Statistik ist eine echte Erfolgsgeschichte. Seinen ersten Gelände-Wettbewerb bestritt Rolf Witthöft als 16-jähriger 1960 auf einer frisierten 50er DKW Hummel. Zum ersten Mal Deutscher Geländemeister bis 100 Kubik wurde er 1967. Seinen letzten Titel, Europa-Geländemeister auf der BMW GS 800, holte der Holsteiner 1980. Er fuhr die Marken DKW, Kreidler, Hercules, Puch, Zündapp, Kawasaki und BMW.

Insgesamt wurde Rolf Witthöft:
•18facher Deutscher Geländemeister in Einzel- und Mannschaftswertung in den Klassen 100, 125 und über 750 Kubik
•10facher Europa-Geländemeister in den Klassen 125 und über 750 Kubik
•Weltmeister 1975 und 1976 als Kapitän der Deutschen-Nationalmannschaft
•Gesamtsieger 1973 der Int. 6-Tagesfahrt in den USA
•Mehrfacher Gewinner der Silber Vase (Six-Day-Rennen)
•Träger des „Silbernen Lorbeerblattes“ der Bundesrepublik Deutschland seit 1973.