aus bma 11/08

Text: www.winni-scheibe.com
Fotos: Scheibe, Kawasaki

Kawasaki Z 650/750„Stärker, schneller und besser als alle anderen”, Kawasakis Ruf war bekannt. Ein traditioneller  Zweizylinder hatte in dieser Firmenphilosophie eigentlich nichts zu suchen. Trotzdem, 1975 brachte das Werk die Z 750 auf den Markt. Die Strafe folgte auf dem Fuß, der „heavy metal” Twin blieb geächteter Außenseiter.

Die Zeitrechnung in der deutschen  Kawasaki-Werksniederlassung begann eigentlich erst 1975. Ab diesem Jahr war der japanische Motorradhersteller selbst in Frankfurt vertreten. Bekannt waren die spektakulär schnellen Maschinen bei uns allerdings schon länger. Seit Ende der Sechziger kümmerte sich nämlich der Hamburger Motorradgrossist Detlev Louis um den Import. Er brachte die  sensationelle 500er Dreizylinder-Zweitakt-Maschine H1 „Mach III” nach Deutschland, 1971 ließ er die große Schwester, die 750er H2 „Mach IV” folgen. Und als im Herbst 1972 auf der Kölner IFMA die 900 Super 4, kurz „Z1”, präsentiert wurde, war spätestens jetzt jedem klar, welch frischer Wind aus Japan wehte. Entgegen einer internen Abmachung der vier großen japanischen Hersteller, keine Motorräder über 750 Kubikzentimeter auf den Markt zu bringen, hatte Kawasaki mit der 79 PS starken und weit über 200 Sachen schnellen 900er DOHC-Vierzylinder-Viertakt-Maschine dieses „gentlemans agreement” skrupellos gebrochen. Vergleichbares hatte die Branche bis dato noch nicht gesehen. Aggressiv und selbstsicher verkündete Kawasaki die stärksten, schnellsten und besten Maschinen zu bauen. Bei den Fans kamen die pfeilschnellen Feuerstühle natürlich gut an.

Die Zweitaktfraktion fuhr voll auf die 250er, 350er, 400er, 500er und 750er  Dreizylinder-Bikes ab. Sie waren jeweils Klassenschnellste und selbst „Gegner” auf hubraumgrößeren Motorrädern bekamen vor den  Zweitaktraketen meist nur das Rücklicht zu sehen und obendrein mußten sie auch noch die Abgasfahne riechen. In der  Viertaktgesellschaft bestimmte die Z1 das Geschehnis. Erbarmungslos wurde Gott und der Welt gezeigt, wo der Hammer hing. Hatte Hondas CB 750 bereits seit einiger Zeit neue Werte geschaffen, schraubte „Frankensteins Tochter”, wie die Z1 bald genannt wurde, die Meßlatte noch ein gehöriges Stück höher. Mit Vollgas ging es von hier nach da. Der Motor wurde geprügelt bis kein Auge mehr trocken blieb. Eine neue Generation war geboren: „Die Heizer”.

 

Kawasaki Z 650/750Mitte der Siebziger gab es allerdings  auch noch einen ganz anderen Schlag von Motorradfahrern. Und das  waren die echten „Kerle”, die weiterhin auf kernige Maschinen standen. Motorräder, die von einem kräftigen, großvolumigen  Zweizylinder-Viertakter angetrieben wurden, einen Kickstarter, ein vernünftiges Fahrwerk, gute Bremsen und Speichenräder hatten. Eben Maschinen mit Optik zum Durchgucken und ohne jeglichen Firlefanz. Typische Twins  von diesem Schlag waren die „good old British Bikes”, gemeint waren damit die legendären Bollermänner von AJS, BSA, Triumph, Norton, Royal Enfield und Matchless. Alles durch die Bank weg ehemalige Traummaschinen. Ehemalige deswegen, weil zu kaufen gab es sie, außer der Triumph Bonneville und Norton Commando, schon lange nicht mehr. Die englische Motorradindustrie war längst pleite, der Mythos lebte allerdings weiter. Was Mitte der Siebziger aktuell auf dem Markt angeboten wurde, ließ sich leicht an einer Hand abzählen. Das waren aus Italien die  Laverda 750SF sowie die Benelli Tornado S 650 und aus Japan die Yamaha XS 650. So weit, so gut.

Kurz nach dem Importeurswechsel brachte Kawasaki Deutschland Anfang 1976 die brandneue Z 750 für 6500 DM auf den Markt. Ähnlich wie die knapp 1000 DM günstigere Yamaha XS 650, die ja angeblich eine japanische Triumph Bonneville sein sollte, war Kawasakis Twin ebenfalls als kerniges „Männermotorrad” konzipiert. Mit der traditionellen „englischen Motorradbaukunst” hatte die Z 750 allerdings kaum noch etwas am Hut. Typisches Merkmal dieser konservativen Twins war ja bekanntlich der ewig lange Hub. Er sorgte für den „Dampf aus dem Keller” und das „Drehmoment ohne Ende”. Genauso typisch waren aber auch die erbärmlichen und auf Dauer kaum ertragbaren Motorvibrationen. Ein Kreuz war die Zuverlässigkeit, unverschämt war die ständige Öllache unterm Triebwerk.
Beim neuen Kawa-Paralleltwin sausten die beiden Kolben zwar auch in den Zylindern im Gleichschritt auf und ab, man hatte sich aber für ein quadratisches Bohrung/Hub-Verhältnis von 78/78 Millimeter, woraus exakt 745 Kubikzentimeter Hubraum resultierten, entschieden. Das hielt nicht nur die Kolbengeschwindigkeit in Grenzen, die Bauweise schonte auch das Material. Um die aber trotzdem zu erwartenden Vibrationen weitgehendst zu eliminieren, griffen die Kawa-Techniker in die Trickkiste. Vor und hinter der Kurbelwelle platzierten sie je eine Ausgleichswelle. Den Antrieb erledigte eine Kette, die via federbelasteten Gleitschuh auf Spannung gehalten wurde. Eine weitere Maßnahme, die störrischen Eigenheiten des Gleichläufers in Grenzen zu halten, war die Lagerung der Kurbelwelle in Gleitlagern. Alles weitere, Primärantrieb über Mehrfach-Zahnkette, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Fünfganggetriebe und Endantrieb über Kette, entsprachen aktuellem japanischen Motorenbau. So auch oberhalb des Zylinders, kein Detail ließ hier Nostalgie aufkommen. Der Zylinderkopf erinnerte stark an das Z 900 Triebwerk. Die beiden obenliegenden Nockenwellen wurden via Kette auf Trab gebracht, die Betätigung der jeweils zwei Ventile pro Brennraum erledigten Tassenstößel. Mitte der Siebziger durfte man diese Ausführung getrost als High-Tech bezeichnen.

Im Fahrwerksbau hatte man ganz offensichtlich auf Qualität gesetzt. Waren die Rahmen der berühmt-berüchtigten Zweitaktergeschosse und der brutalen Z1 noch extrem als Chaos-Chassis verrufen, bestach die Z 750 mit ausgezeichneten Fahreigenschaften. Der stabil wirkende Doppelschleifenrahmen wurde tatsächlich seinem Ruf gerecht. Handling, Kurvenwilligkeit und Geradeauslauf des 235 kg schweren Twins waren tadellos. Die hydraulisch gedämpfte Telegabel sprach gut an, ebenso überzeugte die Scheibenbremse am Vorderrad, die allerdings nach einer kräftigen Bremshand verlangte. Lediglich die viel zu hart abgestimmten Federbeine mußten sich immer wieder Kritik gefallen lassen. Grobe Fahrbahn-unebenheiten bekamen die Passagiere deutlich im Kreuz zu spüren. Doch dafür gab es Abhilfe und die hieß: Koni. In der damaligen Zeit war die Umrüstung auf diese Federelemente aus dem Zubehörhandel schließlich gang und gäbe. Fortschrittlich war am Hinterrad die Scheibenbremse, Mitte der Siebziger längst keine Selbstverständlichkeit. Die Stopper kamen mit der Fahrdynamik gut zurecht. Richtig in Streß geriet die Bremsanlage aber kaum, denn so berauschend waren die Fahrleistungen nun wiederum auch nicht. Von Null auf 100 km/h vergingen knapp sechs Sekunden, die Spitzengeschwindigkeit lag „flachliegend mit Rückenwind” bei rund 175 Sachen. Nichts Besonderes. Alle vergleichbaren Zweizylinder-Motorräder waren schneller, sogar die Yamaha XS 650. Sie schaffte immerhin gut 180 Klamotten.

Kawasaki Z 650/750Wobei wir beim eigentlichen Knackpunkt sind. Die Z 750 wollte in das von Kawasaki selbst gestrickte  Klischee „stärker, schneller und besser als alle anderen” nicht so recht reinpassen. Schwer enttäuscht waren die Zweizylinderfans vom Klang. Der  erwartete Twin-Sound kam nicht rüber. Ganz gleich ob Yamaha XS 650, die Twins aus Italien oder der Rest von der grünen Insel, die urigen Dampfhämmer erkannte man schon auf Meilen an ihrem kräftigen, unverwechselbaren Viertakt-Sound. Für viele bedeutete diese „Begleitmusik” nicht nur Lebensanschauung, sie gehörte einfach mit dazu. Punktum.

Die Z 750 hatte man dagegen mit ganz anderen Eigenschaften ausgestattet. Ansaug- und Auspuffgeräuschedämpfung waren vorschriftsmäßig eingehalten worden. Fast schon zu gut. Anstatt den kernigen  Viertaktklang in vollen Zügen genießen zu können, säuselte die Maschine nur so vor sich hin. Lediglich das Surren und Pfeifen der vielen Wellen sowie Antriebs- und Steuerketten im Triebwerk war deutlich zu hören. Dafür lief der Leisetreter wie eine Turbine, hing gierig am Gas, und wer beim Gängeausfahren den Drehzahlmesser nicht im Auge behielt, konnte den Motor schnell jenseits von 8000 U/min überdrehen. Einen Drehzahlbegrenzer kannten die damals gebräuchlichen Kontaktzündanlagen nämlich noch nicht. Doch als Drehorgel war die Z 750 ja auch nicht gedacht. Ihre Stärke lag ganz woanders. Und das war der Durchzug. Das maximale Drehmoment von 6,1 mkg erreichte der Twin bereits bei 3000 U/min, die Höchstleistung von 50 PS stand bei 7000 U/min an. Mit diesem breiten Drehzahlband ließ sich hervorragend Motorrad fahren. Nervöses Rauf- und Runterschalten waren dem Z 750-Treiber fremd. War der fünfte Gang eingelegt, bestimmte die Gashand den Vorwärtsdrang. Verwinkelte Landstraßen oder am besten gleich wunderschöne Paßstraßen waren das Eldorado für die Z 750. Nichts Spektakuläres, dafür zum Motorradwandern bestens geeignet. Wer diese Fahrweise bevorzugte, konnte sich wohl fühlen. Aufrecht sitzend, mit der Nase im Wind, ließ sich bis ans Ende der Welt fahren. Ganz anders als die englischen Vorbilder erwies sich der Paralleltwin nämlich als absolut zuverlässig, langlebig und öldicht. Nur haben wollte ihn keiner. Der japanische Dampfhammer stand sich bei den Vertragshändlern die Reifen platt. Allerdings auch kein Wunder. Ausgerechnet das eigene Haus setzte dem Bollermann eine Konkurrenzmaschine direkt vor die Nase. Fast zeitgleich kam die Z 650 auf den Markt. Eine 650er mit 66 PS starkem und quicklebendigem Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor. Als „Hecht im Karpfenteich” ließ sich mit dem nur 220 kg schweren Sportler locker jede 750er Vierzylinder-Maschine versägen, und genau das war es, was die Kawafans von ihrer Marke erwarteten – mit Karacho über die Gass‘.

Kawasaki Z 650/750Der Z 750 hielten die Kawa-Manager trotzdem die Treue und hofften weiterhin auf Kundschaft. Bei Yamaha hatte die direkte Konkurrentin XS 650 ja schließlich auch ihren festen Platz gefunden, und der Verkauf lief gut. Doch die Rechnung hatte man ohne den Wirt gemacht. Wer auf eine Kawasaki abfuhr, verlangte Power und Speed. Nicht zu unrecht waren die Kawafahrer damals als wilde Hunde und Vollgasheizer verschrien. Mit der Z 750 konnten sie nicht viel anfangen. Da halfen auch gewisse Zugeständnisse und diverse Modifikationen nichts. Zum Beispiel die erforderliche hohe Handkraft für die vordere Scheibenbremse. Kawa blieb stur, serienmäßig gab es eine zweite Bremse nicht, als Nachrüstsatz war sie dagegen zu bekommen. Abgesehen von den jährlichen Farbänderungen blieb die Z 750 bis 1978 unverändert im Angebot. Erst ab diesem Modelljahr widmete man sich dem Frontstopper. Der Bremssattel wanderte hinter den Gabelholm, der Handbremszylinder wurde modifiziert. Weitgehend verborgen blieb der geänderte Lichtmaschinengenerator und anstelle der verschleißfreudigen Kunststoffbuchsen in der Hinterradschwinge übernahmen nun Nadellager die Führungsarbeit. Bis ein-schließlich 1979 blieb der Brummbär im deutschen Kawa-Angebot. Rund 1500 Maschinen konnte man in gut vier Jahren absetzen. Andere Modelle machen das in einem Jahr. Verdient hatte der Twin das Mauerblümchendasein jedoch nicht. Aber wie gesagt, die Kawa-Kundschaft war schon immer etwas anders.

Wäre die Z 750 allerdings von Yamaha gekommen, hätte die Welt bestimmt anders ausgesehen. Ganz vergessen wurde der Twin jedoch nicht. 1982 erlebte er als Softchopper Z 750 LTD Twin einen zweiten Frühling. Doch das ist eine neue und ganz andere Geschichte.