aus bma 2/10

Text und Fotos: Sabine Welte

Kawasaki Z 440“Ugly Coyote” hieß früher mal “Hässliches Entlein” und eine kreuzlangweilige Kawasaki Z 440 schafft den Aufstieg zum akkuraten Bobber. Man muss nur wollen können. Ein Custombike unter dem Motto „Hartz IV“ – wie lässt sich so etwas realisieren?

Lonny Griebsch aus Fellbach bei Stuttgart erhielt den Bauauftrag, auf kostengünstigste Weise das Möglichste aus einem 600 Euro-Hobel herauszuholen, mit dem man sich vor dem Eiscafe nicht verschämt hinter die Bordsteinkante verdrücken muss. Oder auf der anderen Straßenseite parken. Sprich, aus einem Haufen Schrott das zu schöpfen, was hier jetzt zu sehen ist.

„Es mag ja sein, dass es an der niedrigen Kaufkraft des Euro liegt, oder daran, dass jeder, der an diesem Projekt beteiligt war, unhöflicher Weise dafür Geld verlangt hat – aber nach circa einer Woche wird einem ziemlich schnell klar, dass man heutzutage zwar für 300 Euro nach Malle fliegen kann, aber ein Bike zu bauen, das nach was aussieht und dann auch noch einen gewissen qualitativen Standard besitzt, ist mit einem Minimal-Etat einfach nicht mehr möglich.“

Kawasaki Z 440Das leicht verbittert klingende Statement von Lonny kommt nicht von ungefähr. Im Zuge der dann auch noch wild wuchernden Wirtschaftskrise seit den frühen Monaten des Jahres 2009 wissen wohl auch noch eine Reihe ehemals gut situierter Kradbesitzer, wie schwer es ist, seinem Hobby zu frönen und sogar noch den einen oder anderen Euro locker zu machen für das geliebte Zweirad. Geschweige denn, auch noch was außerhalb des Regeletats für Verschönerungsarbeiten ausgeben zu können.

Aber manchmal muss es ja auch gar nichts Großes sein, also kein hubraumstarkes Gebinde, mit dem man vor dem Eiscafé vorfährt um jede Menge „Ahs“ und „Ohs“ einzuheimsen. Hier steht ein Bobber auf den fein-weiß lackierten Felgen, der in seiner ganzen Anmut und Schlichtheit auf Anhieb zu überzeugen vermag – aber eben nicht auf der üblichen Art bei dieser Gattung von kostümierten Motorrädern, also Custombikes, diese Chopper mit all der schwellenden Chromprofelei und dem üppig barockem Schnickschnack.

Kawasaki Z 440Dennoch, die ehemals als Z 440 auf die Kräder-Welt gekommene Kawasaki wegen ihrer ursprünglichen Genetik oder gar ihrer Industrie-grauen Lackierung als Billigheimer abtun zu wollen, wäre wie die Behauptung, dass Geld schön macht. Allein, es macht vielleicht glücklicher, aber hier ist eher akkurate Handwerkskunst, ästhetischer Feinsinn und pure Phantasie gefragt. Fingerspitzengefühl und Ideenreichtum, das war hier die angesagte Challenge – und trotzdem nicht gleich fünf Monatsgehälter oder mehr dafür auf den Kopp zu hauen. Lonny hat das geschickt arrangiert. Mit ein paar kleinen, aber effektiven Kniffen.

Die ursprünglich am Hinterrad verbauten Federelemente fädelte er an der Front ein, so dass sie dem Gefährt ein bisschen ein nostalgisches Springergabel-Flair verleihen. Man könnte fast von Recycling reden, mit einem Touch Retro, dabei aber auch wie beim Auftritt des Großbürgertums, die mit den wirklich fetten Krädern. Also formiert sich hinten das moderne Mono-Federbein einer agilen Yamaha R6, passend weiß lackiert, zum Aufnehmen der heutigen Stressmomente am Hinterrad. Tauglich allemal, teuer nicht wirklich. Überhaupt das Heck: der Rahmen jedenfalls musste weg. Stattdessen reduzierte der blonde Mann mit dem überaus jugendlichen Aussehen diesen rückwärtigen Part auf solch luftige Ansicht wie die auf diesen Fahrradsattel – anstelle der Gartenbänke im Stile der langatmigen 80er Jahre des letzten Jahrtausends. Nicht gerade und lang sondern reduziert auf den einen Fahrer.

Um sich jetzt aber nicht in einem wild wuchernden Kabelsalat ohne Rückendeckung zu verheddern, erfand der smarte Schwabe den Tunnel unterm etwas angehobenen Tank, wo die Schnüre trickreich schon viel eher verschwanden. Um den Bobber-Gedanken des verkürzten und frei liegenden Hecks bis ins letzte Detail zum Ende zu führen, verwendete der Custom-Ice-Experte statt eines fetten Fenders ein schmales Fahrradschutzblech als hintere Radabdeckung. Wie saugend angepasst den schmalen Reifen, ganz linientreu – wie der feine weiße Aal-Strich, der sich von vorn bis hinten über das Krad mit der Grundierungsfarblackierung zieht. Mehr braucht kein Designer. Reduktion in seiner puristischsten Reinheit.

Kawasaki Z 440Da wirkt der geschwungene Ersatz-Heckrahmen und die zarte Hinterradführung fast schon verspielt, wenn da nicht die ernstzunehmenden Kegelspitzen der Front an Riser und Gabelbrücken an die Härte des Alltags erinnern würden. Wirkt wie eine Trutzburg, die Vorderfront, mit wehrhaften Zinnen.

Dagegen wirkt die originale Auspuffanlage, liebevoll ans Fahrzeug angepasst, fast so leicht wie ein Sonntagsausflug – so locker luftig hängt das Edelstahlgebilde am schmalen Krad. Würde ihm keiner zutrauen, welch ein sonores Klangvolumen solch ein schlichtes Rohr hervorbringen kann, sobald das Triebwerk kraftvoll anschlägt. Ein simpler Rundscheinwerfer mit unschuldsweißem Kranz toppt das Gesamtbild mit der ausladenden, gerade geführten Lenkstange. Allein, die als harmlose Blinker bezeichneten Ochsenaugen an deren Enden bringen ein bisschen Farbe ins Spiel. Aber nur so viel, dass man nicht gleich in purem Luxus zu schwelgen gewillt ist.

Trotzdem, so viel Hirnschmalz und Handarbeit, wie hier drin steckt, um ein einst saft- und kraftloses Krad für den Brot- und Butteralltag auch mal salonfähig außerhalb von Kohlehalden und hart gebeutelten Hartz IV Empfänger zu gestalten, der kann hier nichts anderes erwarten als einen volkswirtschaftlich angemessenen Preis: Lonny rückt seinen „Ugly Coyote“ nicht unter 5.000 Euronen raus. Nicht gegen goldene Sprüche oder sonstige Heilsversprechungen. Da kann weder die ARGE was dran drehen noch irgend so ein Märchenerzähler, der was von hässlichen Enten, stolzen Schwänen oder gar von einem Königreich für einen bescheidenen Bobber babbelt.