aus Kradblatt 1/14
von Klaus Herder

Nach nur drei Jahren hält Kawasaki trotzdem eine Modellpflege für angebracht. Laut Marketing-Gegeige der Presse-Info handelt es sich dabei um „umfangreiche Updates, die den sportlichen Touring-Charakter zusätzlich unterstreichen, die moderne Technologie weiter ergänzen und die Alltagstauglichkeit verbessern“. Keine ganz einfache Aufgabe, denn an der Ur-SX gab’s eigentlich herzlich wenig auszusetzen. Die unorganisch und ziemlich hässlich rangeklöppelten Koffer, das deutliche und gewöhnungsbedürftige Aufstellen beim Bremsen in Schräglage, die nicht ganz optimal gestalteten Rückspiegel – sehr viel mehr gab’s eigentlich nicht zu meckern. Machen wir es kurz: Selbst diese bescheidenen Nörgel-Ansätze sind ab sofort Geschichte. Anstelle der extrem breit bauenden und lieblos montierten 35-Liter-Koffer sind nun – natürlich wieder gegen Aufpreis – formschöne 28-Liter-Behältnisse von Givi an Bord. Die fassen jeweils einen ausgewachsenen Integralhelm, überzeugen beim An- und Abbau mit einer Zentralschließung per Zündschlüssel und schmiegen sich hautnah ans neue SX-Heck. Praktisch unsichtbaren Kofferträgern sei Dank, und damit sieht auch die kofferlose SX noch richtig schick aus. Die SX-Zweitauflage rollt nun auf ultraklebrigen Bridgestone S20 statt auf den schon etwas in die Jahre gekommenen BT 016, und zudem spendierten die Kawa-Techniker hinten eine härtere Feder und strafften wie an der voll einstellbaren Upside-down-Gabel die Dämpfung. Von besagter Aufstellneigung sind zwar noch leichte Reste zu spüren, doch die sind nun wirklich vernachlässigbar – Operation Fahrwerk (und damit der zweite kleine Kritikpunkt) voll gelungen. Ganz nebenbei und ausschließlich im Sinne der Bequemlichkeit kann nun die Vorspannung des Federbeins per Handrad variiert werden. Eine wirklich feine Sache. Bleiben noch die Rückspiegel: komplett neu gezeichnet bieten sie jetzt die volle Rücksicht.
Bei der Verpackung der unverändert nur 231 Kilo schweren SX tat sich ansonsten eher wenig: neue Edelstahl-Endkappen mit größeren Auslässen für den eine Vier-in-Vier-Anlage vorgaukelnden Vier-in-zwei-in-Vorschalldämpfer-in-zwei-Auspuff sowie neue, etwas leichtere Räder – mehr hat sich äußerlich eigentlich nicht getan. Die Windschutzscheibe ist wie bisher manuell in drei Positionen einstellbar, und das Cockpit mit seiner durchaus übersichtlichen Kombination aus Digital- und Analoganzeige gibt sich pragmatisch-nüchtern wie bisher. Verbesserungen gibt es trotzdem zuhauf, doch die bleiben zumeist unsichtbar. Spürbar sind sie aber oft sofort. Zum Beispiel auf der Sitzbank, deren Polster einen neuen, etwas dickeren, angenehm straffen Schaumstoff spendiert bekam. Dank flacherer Sitzaufnahme blieb es aber bei moderaten 820 mm Sitzhöhe für den Fahrer. Der Soziusplatz fällt 10 mm höher als bisher aus, was dem Kniewinkel des Mitfahrers gut tun dürfte. Unterm Strich: Die bisher schon recht entspannte, trotzdem nicht tourermäßig entkoppelte Sitzposition hinterm 19-Liter-Tank ist nun noch etwas bequemer.
Die SX startet wie bisher: völlig problemlos. Der Reihenvierzylinder brabbelt von der ersten Sekunde an zufrieden vor sich hin. Sein Hubraum blieb mit 1043 cm³ unverändert, in Sachen Leistung und Drehmoment legte der Motor aber etwas zu. Statt 138 PS und maximal 110 Nm stehen nun 142 PS bei unverändert 10000/min und 111 Nm bei bereits 7300 statt 7800/min zur Verfügung. Feinarbeit an den Nockenwellen und im Ansaugbereich sowie ein modifiziertes Mapping des Steuergerätes sind für den Leistungs- und Druckzuwachs verantwortlich. Dabei ging es den Kawasaki-Ingenieuren wohl weniger um eine Verbesserung der Papierform. Eine noch direktere Gasnannahme, ein noch breiteres nutzbares Drehzahlband mit noch besseren Durchzugswerten und ein noch spontaneres Hochdrehen im Jetzt-geht-die-Post-richtig-ab-Bereich – also oberhalb von 7000 Touren – waren die Optimierungs-Ziele und sind Antworten auf Fragen, die eigentlich keiner gestellt hat. Denn wenn man der SX nämlich schon bislang irgendetwas nicht vorwerfen konnte, dann waren das zu wenig Druck oder eine unbefriedigende Gasannahme.

Nicht wirklich überraschend also, dass der Reihenvierer ziemlich druckvoll bereits ab Standgas zur Sache geht. Die Arbeit im Sechsganggetriebe geht unverändert leicht und locker vom Fuß. Die letzte Fahrstufe ist nun etwas länger übersetzt, aber längst noch kein dynamikmordender Overdrive – das passt perfekt. Übermäßiges Rühren im Getriebe ist aber gar nicht angesagt, denn die bärige Durchzugskraft des SX-Motors verführt dazu, den letzten Gang schon innerorts einzulegen und ihn dann für sehr lange Zeit auch im Landstraßenbetrieb drin zu lassen. Einziges Problem bei der ganzen Sache: Wie kann das breite Grinsen im Fahrergesicht noch breiter als bisher werden? Denn die Art und Weise, mit der die SX auch aus niedrigsten Drehzahlregionen vehement anschiebt und dann gnadenlos durchzieht, ist noch etwas beglückender als bisher. Und noch feiner berechenbar, denn ab sofort hat die SX wie das Flaggschiff ZZR 1400 serienmäßig eine dreistufige Traktionskontrolle an Bord. In den Betriebsarten 1 und 2 geht es um maximalen Vortrieb, Betriebsart 3 ist die richtige Wahl, wenn es mal richtig rutschig wird und Wheelies völlig unangebracht wären. Wer mit der SX dann doch mal auf der Rennstrecke unterwegs sein möchte – ein gar nicht sooo abwegiger Gedanke – kann das KTRC („Kawasaki TRaction Control“) genannte System auch abschalten. Bei jedem neuen Anlassen ist das System aber automatisch aktiviert und legt die zuletzt gewählte Betriebsart ein. Zur Traktionskontrolle gesellen sich zwei Powermodi: „Full Power“ mit vollem Druck und „Low Power“ mit maximal 70% Spitzenleistung und sanfterer Gasannahme – ein nettes, aber nicht wirklich zwingend erforderliches Feature. Der SX-Motor lässt sich auch ohne Elektronik-Helferlein sehr feinfühlig beherrschen, der perfekten Abstimmung und Gasannahme sei Dank.
Zur Motor-Feinarbeit gesellt sich ein nicht minder umfangreiches Bremsen-Update. Die beiden vorderen Scheiben im „Petal-Design“ werden von radial montierten Monobloc-Bremssätteln in die Zange genommen. Die von Tokico stammenden Vierkolben-Festsättel arbeiten mit unterschiedlich großen Kolben. Viel Handkraft ist nicht erforderlich, damit die Stopper spontan, aber nicht rennmäßig scharf zupacken. Fein dosieren lässt sich die Sache außerdem, und in Verbindung mit dem (in Deutschland) serienmäßigen Bosch-ABS kann’s für die Verzögerungsabteilung nur ein Urteil geben: goldrichtig und perfekt zum SX-Charakter passend.
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