aus bma 2/11 – Fahrbericht

von Klaus Herder

Kawasaki Z 1000 SX Modell 2011 mit SoziaNatürlich war es 2010 ein ganz feiner Zug von Kawasaki, das seit 2003 angebotene Urvieh Z 1000 von 125 auf 138 PS aufzublasen. Mehr Hubraum, weniger Masse, dazu mehr „Charakter“ in Form kräftigerer Vibrationen und einer aggressiveren Sitzposition, obendrauf ein direkteres und deutlich strammer abgestimmtes Fahrwerk – alles ganz prima, alles ganz toll. Wer konnte da schon Nein sagen, schließlich sind wir doch alle echte Kerle und wirklich harte Hunde. So ein klitzekleines Problem blieb da allerdings: Die Z 1000 ist ein sehr, sehr nacktes Motorrad; und die meisten von uns sind deutlich über 20 Jahre alt. Was in Kombination bedeutet, dass die Leidensfähigkeit nicht unbedingt so weit geht, ein böses Motorrad, das wir richtig toll finden, auch richtig toll zu kaufen. Oder anders gesagt: Wer das nackte Miststück richtig, also wirklich richtig geil findet, hat nicht unbedingt die Kohle, um es zu kaufen. Und wer die Kohle hat, wird sie – allen Stammtisch-Beteuerungen zum Trotz – dann doch nicht ausgerechnet für den herrlichen Sado-Maso-Hobel Z 1000 raustun. Man wird halt nicht jünger…

Kawasaki Z 1000 SX Modell 2011 KofferDoch Kawasaki hat ein Herz für weiche Hardliner und stellt dem ungehobelten Streetfighter Z 1000 eine verkleidete, bequemere und etwas weicher abgestimmte Schwester zur Seite. Die Sache ist laut Kawasaki ein „Sport-Touring-Bike“ und trägt die Modellbezeichnung Z 1000 SX. SX statt SM bedeutete aber viel mehr, als nur die Montage einer Verkleidung samt Windschild. Lenker, Cockpit, Sitzbank, Tank, Übersetzung – überall legten die Kawasaki-Techniker Hand an. Die Unterschiede zur nackten Basis-Z sind weit vielfältiger als auf den ersten Blick ersichtlich. Das wird schon bei der ersten Sitzprobe deutlich: Alles wirkt weniger aggressiv, ist deutlich entspannter und stimmiger. Statt eines Rohrlenkers ist eine Art „hoher Stummellenker“ montiert, die beiden Alu-Lenkerhälften sind direkt an die verlängerten Gabelholme geklemmt, die Griffe wurden 10 mm weiter nach innen gerückt und weiter in Richtung Fahrer gereckt – das sorgt für eine aufrechtere, entspannt-lässige Haltung des Oberkörpers. Die untere Körperhälfte darf sich über einen breiteren und dicker gepolsterten Sitzplatz freuen. Gleiches gilt fürs Sozius-Brötchen, das im Unterschied zur Z 1000-Sitzgelegenheit dauerhaft nutzbar ist und nicht nur Alibifunktion hat. Auch an vermeintliche Kleinigkeiten dachten die SX-Macher: Die Fahrerfußrasten sind in Gummi gelagert, Fahrer- und Beifahrerrasten (die aber leider immer noch sehr hoch montiert sind) sind zudem mit Gummiauflagen bestückt. Wer schon mal die kernigen Z 1000-Vibrationen über einen längeren Zeitraum genießen durfte, wird das besonders zu schätzen wissen. Der Mitfahrer darf sich zudem über recht massive, ebenfalls vibrationskillend in Gummi gelagerte Haltegriffe freuen.

Kawasaki Z 1000 SX Modell 2011 CockpitEine klare Verbesserung gibt’s auch von der Cockpit-Front zu vermelden: Anstelle des futuristischen, aber auch recht unübersichtlichen Z 1000-Displays mit seiner Balken-Segment-Anzeige kommt bei der SX eine fast schon klassisch wirkende Kombination aus Analog- (Drehzahlmesser) und Digitalanzeige (Tacho) zum Einsatz. Das Design stammt von der Ninja ZX-6R, bekam in der SX aber eine eigenständige Beschriftung und Farbgebung verpasst. Über einen kleinen Drucktaster unterhalb der LCD-Anzeige lässt sich die Arretierung des Windschilds entriegeln, anschließend kann die Scheibe – natürlich nicht während der Fahrt – dreifach über einen Bereich von 20 Grad Neigungswinkel (was 9 cm Höhe ausmacht) verstellt werden. Und noch eine weitere bemerkenswerte Sache ist im Cockpit-Umfeld zu finden: das Zündschloss. Was bei den meisten anderen Motorrädern nun wirklich keine weitere Erwähnung wert wäre, macht bei der SX den Unterschied zur nackten Z. Die Verlegung des Zündschlüssel-Platzes von der Tankoberseite ins Cockpit erlaubte es, den frei gewordenen Raum für zusätzlichen Sprit zu nutzen. 19 statt 15 Liter bunkert die SX, ohne dass ihr Tank bei der Bauhöhe zulegte und ohne dass sich der gute Knieschluss verschlechterte.

Kawasaki Z 1000 SX Modell 2011 BremseDer Druck aufs Knöpfchen bietet keine Überraschungen: Der bei der 2010er-Überarbeitung von 953 auf 1043 cm³ vergrößerte Reihenmotor brabbelt unverändert dumpf aus den beiden auffälligen Doppelschalldämpfern. Nach wie vor sorgt die gelungene Abstimmung des 138 PS (bei 9600/min) starken Viererpacks für Entzücken. Wer Vierzylinder eigentlich nicht mag, kann vom Kawa-Treibsatz durchaus bekehrt werden. Kein anderer Motor dieser Klasse geht so spontan und willig, dabei dennoch sanft, fein dosierbar und ruckfrei zur Sache – perfekte Gasannahme, genau so muss das sein! Die Leistungsabgabe erfolgt über den gesamten Drehzahlbereich angenehm gleichmäßig. Untertouriges Bummeln macht der Motor genauso locker mit, wie gnadenloses Ausdrehen der Gänge bis in den sanft eingreifenden Begrenzer, der knapp oberhalb von 10500/min abriegelt. Im Alltag ist man zwischen 4000 und 7000 Touren bestens aufgehoben und damit immer noch sehr zügig unterwegs. Von den bei 7800/min anliegenden maximalen 110 Nm sind auch im unteren Drehzahlbereich immer genug vorhanden, um jederzeit für ganz großen Durchzug zu sorgen. Das knackig und sehr präzise zu schaltende Getriebe macht jeden Gangwechsel zum Vergnügen; und wie es sich für eine Z gehört, macht auch der heiser röhrende Sound mächtig Laune. Eine weitere Z-Tradition hat auch die SX zu bieten: Trotz Ausgleichswelle bleiben jederzeit feine Vibrationen spürbar. Das muss laut Kawa­saki so sein. O-Ton der Presse-Info: „Eine bestimmte Menge an Vibrationen macht den besonderen Charakter des Motorrads aus. Parallel zur Drehzahl ansteigende Vibrationen unterstreichen das Beschleunigungsempfinden.“

Dabei hätte es eigentlich gar nicht extra nötig getan, besagtes Beschleunigungsempfinden zu unterstreichen; denn die Macht, mit der die SX vorwärts stürmt, ist auch ohne Vibrations-Unterstützung eine ziemlich eindrucksvolle Angelegenheit. Ab 7000/min legt der Motor noch eine Schippe drauf, und da macht es herzlich wenig, dass die SX mit 231 kg immerhin neun Kilo mehr als ihre nackte Schwester wiegt und ihre Übersetzung mit 41 statt 42 Zähnen am Kettenrad geringfügig länger ausfällt. Die Durchzugswerte sind trotzdem phänomenal. Konkret: Für den Zwischenspurt von 60 auf 140 km/h benötigt die SX im sechsten und letzten Gang nur 6,5 Sekunden – ein Wert, der im Bereich der 200 PS starken Yamaha Vmax liegt. Die nackte Schwester zieht trotz weniger Masse nicht besser durch, die SX liegt einfach besser im Wind. Was sich auch bei der Höchstgeschwindigkeit auswirkt: Kawasaki verspricht für die nackte Z schon beachtliche 240 km/h; die SX legt noch 5 km/h drauf – und ist konzeptbedingt natürlich die deutlich bessere Ma­schine, um dauerhaft auch nur ansatzweise in solche Geschwindigkeitsbereiche vorzustoßen.

Kawasaki Z 1000 SX Modell 2011 Wer den Windschild in die höchste Stellung gebracht hat, kann sich recht entspannt der Tempobolzerei hingeben. Zwar liegen Kopf und Schultern auch dann noch gleichmäßig umströmt im Fahrtwind, doch der Oberkörper wird wirkungsvoll entlastet. Ein Dauertempo über 200 km/h ist so durchaus machbar, ohne mit massiven Verspannungsschäden rechnen zu müssen. Auch wer auf der SX heftig an der Kordel zieht, wird erfreulicherweise nicht mit übermäßigem Spritkonsum bestraft. Bei flotter Landstraßen-Gangart werden praktisch immer unter sechs Liter auf 100 Kilometern abgefackelt; und auch zügiger Autobahnbetrieb kostet keinen erwähnenswerten Aufschlag – die SX ist somit ein guter Kostverwerter.

Die Vollverschalung hat der Kawasaki im Hinblick auf das möglichst zügige Herunterreißen von möglichst vielen Kilo­metern naturgemäß sehr gut getan, doch ihr eigentliches Revier ist das gleiche, wie das der Z 1000: die Landstraße.

Kawasaki Z 1000 SX Modell 2011 Die SX wiegt zwar besagte neun Kilo mehr, doch tut das dem famosen Handling keinen Abbruch. Wunderbar leichtfüßig lässt sich die Kawa von einer Schräglage in die andere werfen. In Sachen Neutralität, Zielgenauigkeit und Lenkpräzision verdient sie sich Bestnoten. Von der etwas störrischen Bockigkeit ihrer Pirelli-bereiften Schwester beim Einlenken ist auf Bridgestone BT 016 praktisch nichts mehr vorhanden. Allerdings stellt sich auch die SX beim Bremsen in Schräglage deutlich auf – das ist etwas lästig und gewöhnungsbedürftig, aber kein Drama. Unterm Strich wuselt die Z 1000 SX deutlich leichtfüßiger und dynamischer durchs Kurvenlabyrinth, als es Hubraumklasse und Fahrzeugmasse vermuten lassen.

Zum flotten Charakter passen auch die knackig abgestimmten Tokico-Stopper. Wunderbar dosierbar und mächtig wirkungsvoll packen die Vierkolbensättel in die 300er-Scheiben. Das serienmäßige ABS lässt sich mit seiner sportlich-aggressiven Auslegung nicht lumpen und greift erst sehr spät regelnd ein. Wer es darauf anlegt, kann einen ganz kleinen Stoppie hinlegen, legt sich aber dabei nicht hin, denn seine ureigenste Aufgabe erfüllt der Blockierverhinderer tadellos.

Bleibt die Sache mit der fast schon etwas ungesunden Härte der Z 1000-Hinterradfederung. Entwarnung: Die SX ist an der Hinterhand deutlich softer abgestimmt, aber nicht weichgespült. Das horizontal platzierte Back-Link-Federbein arbeitet mit reduzierter Zug- und Druckstufendämpfung, was dem Fahrverhalten spürbar gut tut und der SX-Besatzung auch auf langen Strecken einen ordentlichen Komfort beschert. Im Unterschied zur Z 1000 kann die Federbasis nun bequem per Stufenkranz und nicht mehr über Nutmuttern verstellt werden. Ein weiterer Unterschied: Die SX hat im Vergleich zur nackten Z ein um 25 kg erhöhtes zulässiges Gesamtgewicht, macht unterm Strich netto 195 und damit 16 kg mehr Zuladung. An der Vorderhand blieb alles unverändert bei der bewährten und voll einstellbaren 41er-Upside-down-Gabel.

Die Z 1000 SX kostet in Grün oder Schwarz ambitioniert kalkulierte 12595 Euro. Sie ist damit 1000 Euro teurer als die nackte Z, und sie ist ein herrliches Eisen, um auch als Ü40-Jähriger mit sehr viel Spaß sehr viele Kilometer zu reißen. Ein waschechter Tourer ist sie – glücklicherweise – deshalb noch lange nicht. Dafür fehlen ihr, um ein paar der wenigen Kritikpunkte zu nennen, so praktische Kleinigkeiten wie ein Hauptständer (geht wegen Vorschalldämpfer nicht), besseres Licht, ein noch bequemerer Soziusplatz und ein verstellbarer Kupplungshebel. Zwei 35-Liter-Koffer gibt es zwar beim 700 Euro teureren Sondermodell „Z 1000 SX Tourer“, doch deren Anbringung wirkt alles andere als organisch. Koffer stehen ihr einfach nicht, denn die Z 1000 SX ist eher ein bequemerer Sportler als ein sportlicher Tourer. Die Verkleidung sorgt für passablen Windschutz, aber auch dafür, dass sie nicht mehr ganz so radikal auftritt wie ihre nackte Schwester. Zusammen mit den vielen Detailänderungen hat die Einkleidung die Z 1000 deutlich alltagstauglicher gemacht – was insgesamt für noch mehr Fahrspaß sorgen wird.