aus Kradblatt 12/19 von Torsten Thimm

Der Fulldresser für Reisefreunde

Versys, ein mittlerweile etablierter Begriff bei Kawasaki und ihren Anhängern. Erstmals vorgestellt im Jahr 2006 als Versys 650 hat dieses vielseitige Multitool das Segment der ehemaligen Sporttourer als Zielgruppe im Auge. Und auch ihre große Schwester mit dem 1000er Motor setzt, wie sollte es anders sein, auf dieses Marktsegment. Etwas größer als die 650er und in der getesteten SE Variante mit einer Ausstattung, die in dieser Klasse ab Werk nur von wenigen Mitbewerbern erreicht wird, geht sie an den Start. 

In den Alpen - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019 Die Versys 1000 SE: Anders sein als die anderen das ist es, was Kawasaki mit der Versys 1000 gewagt hat und pflanzte selbstbewusst den Reihenvierzylinder der Z-Modelle in einen höhergelegten Sporttourer. Bewusst vermied man von Beginn an den Begriff Enduro, denn genau das ist die Versys nicht und möchte sie auch gar nicht erst sein. Straßenorientiert auf 17 Zoll-Rädern geht es voran, natürlich mit vollem Komfort, Hightech-Ausstattung, einer markanten Optik und dem Fahrgefühl der Grünen aus Akashi. Für den, der sich darauf einlässt, ist sie ein echter Spaßbringer. 

Vollausstattung - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019 Waren die alten Versys Modelle mit ihren übereinanderliegenden Scheinwerfern optisch schon gewöhnungsbedürftig, ist es die Neue noch immer, wenn auch irgendwie komplett anders. 

Aus dem alten Barock wurde ein Modern-Style und bekanntlich liegt ja die Schönheit im Auge des Betrachters. Für den, der auf schnittige, zerklüftete Formen und die Reflexionen des Sonnenlichtes darin steht, hat Kawasaki genau ins Volle getroffen. Die echten Fans der Marke haben sich längst auf das Future-Design ihrer Marke eingestellt und nehmen es mit Freude so wie es ist. Grund dafür ist sicherlich auch, dass die Versys mit den neuen Linien und ihrer Verkleidung erheblich besser zum Rest der Kawasaki Familie passt als vorher. Wer allerdings hier am Anfang noch Zweifel hat und trotzdem aufsteigt, um eine Runde mit ihr zu drehen wird danach erst einmal kein Wort mehr über die Optik verlieren, sondern das Gefühl des Vierzylinders und des gut gemachten elektronischen Fahrwerks lieben. 

Schaltassistent - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019 Ich empfand das auf unserer Tour zum Monte Grappa in den Dolomiten jedenfalls so, muss aber natürlich gestehen, dass sich die SE mit ihren umfangreichen elektronischen Helfern noch einmal erheblich von der normalen Versys 1000 ohne SE unterscheidet. Sieht man aber von den ganzen Gimmicks ab, bleibt bei beiden Versionen der Motor immer noch der Gleiche und auch die Sitzposition sorgt dafür, dass man entspannt seine Ziele erreicht. Gerade der immer wieder diskutierte Vierzylinder passt nämlich ausgezeichnet in das Sportreisetourerkonzept und schiebt auf der Straße, je nach eingestelltem Fahrmodus, kraftvoll voran. In der Versys 1000 darf er, etwas anders konfiguriert als in der Z1000, mit dem Drehmoment spielen und muss sich nicht vor der Konkurrenz verstecken. Souveränität ist das Zauberwort, das man ihm zuschreiben kann. Mit 120 PS bei gut 9000 Touren und einem Drehmoment von 102 Newtonmeter bei 7500 Umdrehungen ist er ein potenter Geselle, der die Bestimmung der Kawasaki Versys 1000 SE deutlich unterstreicht. Mit all ihrer Ausstattung ist sie ein echter Sporttourer für die Straßen dieser Welt. 

In den Alpen - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019 Wer nun denkt, dass es für die Kawasaki Versys 1000 SE eine lange Liste von zubuchbaren Zuberhörpaketen gibt, der liegt falsch. Die gefürchtete Qual der Wahl hat man auf der Versys 1000 SE erst gar nicht, denn hier ist bereits alles drin, was man an einem voll ausgestatteten Tourenmotorrad haben möchte. Und zwar sowohl in Sachen Komfort als auch im Bereich der Sicherheitsfeatures. 

Adaptives Kurvenlicht, Tempomat, Heizgriffe, Schaltassistent rauf und runter (KQS), einstellbare und auch selbst programmierbare Fahrmodi, das oben bereits erwähnte elektronisch verstellbare Fahrwerk sowie das hauseigene Kurven-ABS sind an Bord. Abgerundet wird die Ausstattung durch die KTRC (Kawasaki Traction Control), eine integrierte Wheelie-Control, Sturzpads, eine Kühlerverkleidung, Navivorbereitung in Form einer Grundplatte am Lenker, Zusatzscheinwerfern und vieles mehr. Einzig das Keyless Go fehlt. Praktisch ist es, doch wer es nicht hat vermisst es auch nicht wirklich. 

Aber widmen wir uns doch noch einmal dem zweiten Highlight der SE-Versys, dem elektronischen Fahrwerk. 

Das Fahrwerk ist wirklich ein Sahnestück und hat mit der 43 Millimeter USD-Gabel von Showa und dem dazu passenden hinteren Monofederbein, ebenfalls von Showa, 153 Millimeter Federweg vorne und 150 Millimeter hinten zu bieten. Komfortables Gleiten und Ausbügeln jeglicher Unebenheiten, macht es mit links, ohne dabei auch nur im Ansatz zu schwammig oder weich zu wirken. Kawasaki selbst nennt dieses System KECS (Kawasaki Electronic Control Suspension) und das bedeutet, dass es sich in Millisekunden an den jeweiligen Fahrbahnzustand anpasst und die Dämpfung optimiert. An die verschiedenen Fahrmodi gekoppelt wird es von Rain, über Road bis hin zu Sport immer straffer und passt sich dabei dem Ansprechverhalten des Motors an, ohne zu hart zu agieren. Der Komfort überwiegt im kompletten System, selbst wenn man den vierten und frei programmierbaren Rider-Mode verwendet. Da das hintere Federbein gleichzeitig noch elektronisch in der Federvorspannung angepasst werden kann, bietet die Kawa nicht nur im Solobetrieb Komfort, auch mit Gepäck und/oder Sozius ist sie up to date. 

Cockpit - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019 Die Funktionen der Versys-Armaturen sind nach den ersten Fahrten und mit etwas Übung selbsterklärend und damit meine ich sowohl die Schaltwippen der linken Lenkerarmatur wie auch die Übertragung des Befehls von dort zum übersichtlichen Cockpit. Das ist zweigeteilt und verfügt über ein Farb-TFT-Display einerseits und über einen analogen Drehzahlmesser andererseits. Der Drehzahlmesser ist dabei von allen wichtigen Kontrollleuchten umrahmt, während das digitale Display vor Informationen nur so strotzt. Bestens ablesbar, im Übrigen auch bei einfallendem Sonnenlicht, sieht man direkt vor sich die Fahrmodi, die Ganganzeige, die Außentemperatur, den Füllstand im Tank, die Restreichweite und sogar einen Neigungsmesser. Außerdem kann man noch fleißig in den Settings der Maschine spielen und natürlich auch die Bluetooth-Funktion des Cockpits verwenden. So lässt sich ein Smartphone mit der  Kawasaki-App RIDEOLOGY einbinden (iOS + Android), über die sich verschiedene Funktionen detailliert einstellen lassen, Routentracking inkl. umfangreicher Daten aufgezeichnet (Datalogging sogar mit Drehzahl und eingelegtem Gang)  sowie eingehende Anrufe im Display angezeigt werden können.

Armatur links - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019 Der große Vorteil der Versys, nicht wirklich verwunderlich, ist und bleibt aber natürlich die aufrechte, sehr bequeme Sitzposition. Die hohe Scheibe bietet dabei einen sehr effizienten Windschutz. Um möglichst vielen Fahrern gerecht zu werden, ist die Scheibe zusätzlich um 40 Millimeter manuell höhenverstellbar, wofür man aber besser kurz rechts ranfährt. Das Einstellen ist ein wenig fummelig. Durch die fehlende Rastung macht die Scheibe während der Fahrt unter Umständen sonst nicht das, was man gerne möchte. Armatur rechts - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019

Für kurzbeinige Menschen wie mich war die Maschine, die Kawasaki uns für die ausführliche Probefahrt in die Alpen zur Verfügung stellte, nicht in jeder Lage einfach zu handeln. Das lag daran, dass die niedrigere Sitzbank (minus 20 Millimeter, 407 Euro) zu dem Zeitpunkt noch nicht verfügbar war. Die 1000er Versys ist keine kleine Maschine und in vollem Ornat (Basismodell fahrfertig lt. Kawasaki 257 kg), wiegt sie gleich noch ein paar Kilogramm mehr. Beim Aufsteigen und auch beim Rangieren wünscht man sich da einen sicheren Stand. Erheblich weniger merkt man das Gewicht dann beim Fahren, denn mit ihrem breiten Lenker lässt sich die Maschine flink um die Ecken dirigieren, was hier und da mit einer leichten Fünkchenbildung an den angenehm tief montierten Fußrasten untermalt wird.  

Kurvenfahrlicht & Zusatzscheinwerfer - Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019Um das Gewicht und die Geschwindigkeit dabei im Zaum zu halten braucht es natürlich gute Bremsen und auch hier zeigt die Kawasaki eindrucksvoll, was sie kann. Unterstützt durch ABS und sogar Kurven ABS, hier KCMF (Kawasaki Cornering Management Function) und KIBS (Kawasaki Intelligent Anti-Lock Breaking System) genannt, halten die Bremsen in jeder Fahrsituation was sie versprechen. Das Großartige dabei ist, dass man als Fahrer tatsächlich nur wenig von der Elektronik mitbekommt und sich voll und ganz auf die 310 Millimeter Doppelscheibenanlage mit radial montierten Monoblock-Bremssätteln verlassen kann. Das ABS spürt man allenfalls auf Schotter oder einer nassen Fahrbahn, wobei es sanft eingreift und auch genauso regelt. Die Bremsen insgesamt haben Kawasaki-typisch ein sportliches und gut dosierbares Ansprechverhalten, was für komfortables Sporttouring perfekt geeignet ist. 

Fazit: Kawasaki ist mit der Versys 1000 ein wirklich tolles Motorrad für die große Tour gelungen. Sie ist mächtig in jedwede Richtung und zugleich eine echte Kawa in ihrer Formensprache und mit ihren sportlichen Genen. Der Motor ist in Verbindung mit dem Fahrwerk dabei das Herzstück, das man einfach immer wieder gerne erlebt. Zudem lässt die Ausstattung keinerlei Wünsche offen. Die gefahrene SE-Variante gibt es in Deutschland neben dem Basismodell übrigens in zwei Ausführungen, als Tourer mit Seitenkoffern, jeweils mit 28 Litern Volumen und Gleichschließung sowie den passenden Innentaschen dazu. Sie ist mit Handprotektoren ab Werk und dem passenden Tankpad als Zubehör ausgestattet.  Die Grand Tourer genannte Ausführung, die ihr auch auf den Bildern seht, setzt in Sachen Ausstattung noch einen drauf und verfügt zusätzlich über ein 47 Liter fassendes Topcase mit Innentasche, LED-Zusatzscheinwerfern, eine 12 Volt Bordsteckdose und den Kawasaki eigenen Motorschutzbügel. 

Die Versysmodelle sorgen meiner Meinung nach dafür, dass sich die Konkurrenz in Sachen Werksausstattung etwas einfallen lassen muss, um dranzubleiben. Der Preis ist nicht billig aber für das Gebotene durchaus fair. Die SE Grand Tourer kostet inklusive allem 16.745 Euro ihre nacktere Schwester, ohne SE im Namen, 13.345 Euro, jeweils inkl. Überführung. Mit beiden bekommt man viel Motorrad und zudem eins, das nicht an jeder Ecke 5-mal steht. 

Kawasaki Versys 1000 SE, Modell 2019