aus Kradblatt 8/15 von Oliver Decker
Kawasaki Versys 1000 mit Handschaltung
Aufgrund des Beitrags im Kradblatt 7/15 von Dennis mit seiner Plexuslähmung möchte ich auch gerne die Möglichkeit nutzen, anderen Motorradfahrern nach einem Unfall Mut zu machen.
Ich bin 1961 in Günzburg geboren und in Augsburg aufgewachsen. Mit 16 Jahren habe ich den damaligen Führerschein für das Kleinkraftrad gemacht. Mein erstes „Mopped“ war eine Yamaha RD50. Mein erstes Gefährt mit 18 war kein Auto, sondern die Yamaha RD 400. Der Nachfolger der RD war dann die dreizylindrige Yamaha XS750. Es folgte eine lange Durststrecke wegen der Familie. Autos standen dann doch eher im Vordergrund bis ich mit Mitte 40 meinem Vater die BMW R 1100 R abgekauft habe.
Nach 2 Jahren wollte ich dann doch mehr Leistung haben, als die 78 PS der BMW. Der örtliche BMW Händler hat auf mein Verlangen jedoch nicht reagiert und mich in die Hände meines Sportkameraden und Kawasaki-Händlers „getrieben“ .
Der Luggi (Ludwig Eder, www.motorrad-eder.derad-eder.de) meinte mal zu mir, wenn ich mir was ausleihen wolle, solle ich doch zu ihm kommen.
So stand ich an einem Samstag bei ihm im Verkaufsraum und fragte nach einer Probefahrt. Seine Frage nach was denn, bezeugte ich durch einen Fingerzeig auf die schwarze 1400 GTR – das war 2008. Nach dem Wochenende und der ausgiebigen Probefahrt wollte selbst meine Frau nicht mehr absteigen, so wohl hat sie sich hintendrauf gefühlt. Also Kaufvertrag unterschrieben. Nun war ich stolzer Besitzer des für mich schönsten Tourenmotorrads auf dem Markt.
Es folgten 3 Jahre Fahrfreude – auch bedingt durch die vielen Freundschaften, die im 1400 GTR-Forum entstanden sind. Da ich es nicht weit in die Berge hatte, waren die Touren Richtung Südtirol und in die Dolomiten die schönsten. Man mag es kaum für möglich halten, aber die GTR war eine richtige Bergziege. Über 45 tkm habe ich in den 3 Jahren gefahren.
Und dann kam mein Unfall: Eine Woche nach meinem 50. Geburtstag fuhr ich mit meinem damals 16-jährigen Sohn hintendrauf zum McDonalds in die nächste Ortschaft. Waren doch nur ein paar Kilometer. Nach der Arbeit die Jeans angelassen und nur die Motorradjacke, Motorradstiefel, Handschuhe und den Helm angezogen und losgefahren. Kann doch nix passieren (so leichtsinnig denkt man wenn es nur vor die Haustüre geht). Auf der Rückfahrt, mit den leckeren Burgern im Koffer, habe ich „leichtsinnigerweise“ ein vor mir fahrendes Motorrad überholen wollen. Die Strecke war kurvenreich und wegen des zur damaligen Zeit hoch stehenden Maisanbaus doch recht unübersichtlich. Und so kam es, dass ich in einer Rechtskurve beim Überholen zu weit herausgetragen wurde und frontal mit einem entgegen kommenden PKW zusammengestoßen bin.
Mein letzter Gedanke war: „das war’s jetzt“. Als ich wieder zu mir kam, rutsche ich auf der Straße entlang. Jetzt dachte ich mir „rutschen ist gut, ich lebe noch“. Die Beine haben geschmerzt, ich konnte mich nicht aufrichten. Ersthelfer waren sofort zur Stelle. Mir war nicht bewusst, wie schwer ich verletzt war.
Meine Gedanken befassten sich mit meinem Jungen. Der stand jedoch schon wieder und es schien ihm gut zu gehen. Tatsächlich hat er nur eine kleine Schürfwunde am Rücken davongetragen, da er die Jacke nicht mit der Hose und dem Reißverschluss verbunden hatte. Irgendwann hat man mir das linke Bein abgebunden. Somit war mir klar, es dürfte doch eine etwas schwerere Verletzung sein. Der inzwischen hinzugekommene Notarzt erklärte mir, dass man mich jetzt ins Krankenhaus fliegen würde. Dann schlief ich wegen der Beruhigungsspritze ein.
Irgendwann bin ich im Krankenhaus mal kurz wach geworden – ich hatte kein Zeitgefühl – und so an mir herunter gesehen. Der rechte Fuß war bandagiert, die Zehen konnte ich (noch) nicht bewegen, und da wo ich den linken Fuß vermutete, senkte sich die Bettdecke ab. Irgendwie war mir da klar (wenn man davon reden kann), dass man mir das Bein amputiert hatte. Dies war auch meine erste Frage an meine Frau, als ich auf der Intensivstation wieder erwacht bin.
Klar ist man erst mal traurig. Ich wollte im ersten Moment auch nie wieder Motorrad fahren. Aber nach ein paar Tagen änderte ich meine Einstellung zu: mal sehen, was wieder geht. Der Wille war da, das Motorradfahren wieder probieren zu wollen. Mit meinem Humor, meiner Willensstärke und auch Dank meiner Familie habe ich den Lebensmut nicht verloren. Es wird schon irgendwie weitergehen. Dann läuft man halt künftig mit Prothese.
Meine Genesung zog sich etwas hin, da das rechte Sprunggelenk nochmal operiert werden musste und ein paar Wochen lang nicht belastbar war. Im Dezember 2011 kam ich wieder mit einer Prothese versehen und den ersten Gehversuchen nach Hause. Für mich stand fest, jetzt erst mal gesund werden und laufen lernen.
Im Februar 2012 habe ich mit Krücken und Rollstuhl bewaffnet die IMOT in München besucht. Mit lachendem Gesicht bin ich auf einer Z1000SX rumgekrabbelt.
Im Mai 2012 hatte ich das erste mal wieder einen Helm auf und bin einen CanAm Spyder Probe gefahren. Ich hab mir gedacht, mit 3 Rädern kann ich nicht umfallen. Angst war keine dabei. Es hat mir sogar richtig Spaß gemacht.
Im Mai 2013 war es dann soweit. Ich hatte Lust aufs Motorradfahren. Prothesentechnisch war ich gut versorgt. Da man ohne linken Schaltfuß nicht schalten kann, musste es erst mal was mit Automatik sein. Also an einem Donnerstag ab zum Aprilia Händler. Der Großroller SRV 850 hatte es mir angetan. Nach der ersten Sitzprobe die Ernüchterung, das war es nicht, was ich haben wollte. Hab den Händler dann auf die Aprilia Mana angesprochen. Der holte eine hervor. Mein erster Gedanke, sieht gut aus. Abends daheim war ich neugierig und habe bei mobile.de nach weiteren Angeboten gesucht. In Frankfurt bin ich fündig geworden. 4 Jahre alt, nur 280 km auf dem Tacho und mit 4.200 Euro ausgezeichnet. Einen Freund in Frankfurt angerufen, der hat sich die Mana am nächsten Tag angesehen, für gut befunden, gekauft und mir am Samstag auf dem Hänger gebracht. Da stand sie nun und ich wusste gar nicht, ob ich noch fahren kann. Mann was habe ich mir zuvor Gedanken gemacht. Mit welchem Fuß hält man an usw. …
Ich hatte echt Muffe. Die ersten Kilometer waren auch noch recht wacklig. Aber mit jedem gefahrenen Kilometer kam das Gefühl wieder zurück. In eineinhalb Jahren habe ich dann knappe 10 tkm Kilometer zurück gelegt.
Jetzt kam wieder dieser Wunsch nach mehr auf. Meine Prämisse: wenig Gewicht (+/- 250kg, niedrige Sitzposition, handlich zu fahren und ausreichend Leistung). In der engeren Wahl standen die neue BMW R 1200 RS und aber auch die Kawasaki Versys 1000. Die hat mir zuvor schon der „Luggi“ Eder auf Grund des Handlings wärmstens empfohlen. Jetzt mit dem Facelift gefiel sie mir sehr gut. Die ersten Sitzproben dann auf der Motorradwelt am Bodensee im Januar 2015 und im Februar auf der IMOT.
Inzwischen hatte der Luggi das Geschäft an seinen Sohn übergeben. Schnell waren wir uns einig und der Kaufvertrag für die Versys in der Grand Tourer Variante unterschrieben. Der Florian und sein Mechaniker haben sich mit Eifer an die Arbeit gemacht, um mir die Versys auf Handschaltung umzubauen. Die Schaltung hat die Fa. Költgen (www.koeltgen.de) aus Krefeld – spezialisiert auf behindertengerechte Umbauten – geliefert. Pünktlich zum Drachenfest konnte ich die Versys übernehmen.
Die Schaltung funktioniert elektromagnetisch. Am Lenker sind zwei Druckschalter verbaut, der rote schaltet runter, der grüne hoch. Gekuppelt werden muss trotzdem noch. Die Elektrik ist unter der Sitzbank verbaut. Unten ist anstelle des vorhanden Pedals der Schaltzylinder verbaut. Dessen Gestänge macht nichts anderes, als den Hub von ca. 16–18 mm Schaltweg an der Welle statt des serienmäßigen Schalthebels nachzumachen.
Ich habe jetzt schon einige Kilometer auf der Uhr und viel Spaß damit.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Kawasaki Versys 1000 mit Handschaltung”
Chapeau, alle Mal!
Hab deine Geschichte gerade übers GTR1400-Forum gefunden und gelesen. Respekt für deinen Willen wieder zu fahren. Bist ein echter und leider leidgeprüfter Biker.
…da zieh ich den Hut…
Achim