aus bma 1/13
von Patric Birnbreier

Kawasaki Ninja 300 vs. 250 (rechts)Nichts ist mehr so wie früher. Da rechneten wir noch in Viertellitern. Halbe Kanne, volle Kanne, Dreiviertelkanne und Faxedose! Doch den vollen Liter konnte damals kaum einer bezahlen. Die Jahres-Versicherungsprämie für ‘ne Tausender kostete locker den Monatslohn eines Gesellen. Und wir reden hier nur über die Haftpflicht! Die Kaskomentalität war eh noch nicht so verbreitet. Also gab man sich mit ner SR 500, Güllepumpe, oder irgend einer GS zufrieden. Natürlich einer von Suzuki. BMWs waren ebenfalls unbezahlbar. Und außerdem auch noch schwer „out“!
 
Neuerdings haben wir es in der Welt der Reiteisen mit 700ern, 800ern, oder gar 650ern mit 800er Motor und ähnlich schwer nachvollziehbaren Maßeinheiten zu tun. Und jetzt kommt auch noch Kawasaki daher und macht aus der uns bisher so wohltuend bekannt vorkommenden Viertelliter-Ninja eine 300er Ninja. Was soll das denn bitteschön! Volksverwirrung vom Feinsten! Oder was?

A2 Einheitsbrei statt A1 Steak-Sauce 
Kawasaki Ninja 300Ganz und gar nicht. Das geeinte Europa hat sich mal wieder etwas Neues ausgedacht. Am 19. Januar 2013, also nur für den Fall, dass die Maya sich geirrt haben, oder etwa ihren Kalender aus schlichter Schreibfaulheit nicht weiter geführt haben sollten, tritt, mal wieder, eine einheitlich, garantiert bürokratisiert verkomplizierende Führerscheinregelung in Kraft. Die neue Klasse A2 berechtigt dann zum Führen von Reiteisen bis 35 kW. Aber bitte mit nicht mehr als 0,2 Kilowatt pro Kilo Motorradgewicht. Die Körpermasse des Reiters bleibt dabei freilich unberücksichtigt. Was natürlich total ungerecht für Übergewichtige ist. Naja, vielleicht klagt ja noch eines der Doppelwhopperkinder vor dem Europäischen Gerichtshof gegen diese furchtbar diskriminierende Regelung. Dann könnten wir uns durchaus legale 300er mit Turbolader vorstellen. So bleibt es jedoch zunächst bei den 39 Saugpferdchen der frisch gepimpten Grünen aus Akashi. Die mit 29 kW bei 174 Kilogramm Wettkampfgewicht locker im Limit bleibt. 

WzT braucht so ein Pony?

Kawasaki Ninja 300 FrontDeutsche Berufsketzer könnten angesichts der lokalen Zulassungsstatistik schnell auf diese rhetorische Fragestellung zurückgreifen: „Wer zum Teufel braucht so ein Pony, wenn er seine 1200er GS doch prima für 2 Jahre drosseln kann!“ Noch ist nicht überliefert, ob BMW tatsächlich einen A2-Kit für die große GS anbieten will, um nun auch noch den allerletzten Nichtbajuwaren auf die Kuh zu schnallen. In der europäischen Gesamtrealität, um mal beim Thema zu bleiben, verkaufte sich der Viertel-Ninja tatsächlich 13.000 Mal seit seinem Erstauftritt 2009. Besonders in Spanien und Italien scheinen sich die jugendlichen und jung gebliebenen Reiter an den innerörtlichen Sprintqualitäten der beweglichen 250er zu erfreuen. Nur konsequent also, wenn Kawasaki in dieses Zukunftsprojekt investiert. Zumal nun durch die geänderte Führerscheinregelung in Deutschland durchaus auch hierzulande Zuwachspotential zu erwarten ist. Besonders auch bei den Damen, die ja bekanntlich leichte Eisen mit niedriger Sitzposition bevorzugen. Doch kann man die Krauts und Krauterinnen denn wirklich dazu verleiten, einen derart sportlichen Zwerg zu reiten, wenn mit 500er und 700er Hondas, einer 650er BMW und anderem Großkalibrigen mit gedämpfter Leistung auf die Kundschaft geschossen wird? Wie wir wissen, ist Hubraum doch durch nichts…

Warum nicht gleich ZX-3R?

Kawasaki Ninja 300 CockpitZugegeben war die kleine Ninja in der bisherigen Konfiguration ein etwas schlappes Gerät, das zwar im urbanen Zweikampf aufgrund seiner Wendigkeit durchaus obsiegen konnte, allerdings auf der Landstraße und auf der Autobahn dem vierrädrigen Wahnsinn hilflos ausgeliefert war. Ein echter Quirl, den man gehörig zwirbeln musste, um in Schwung zu bleiben. Schaltfuß und Kupplungshand schliefen garantiert nicht ein, auf dem 250er Ninja. Nachdem jedoch der Hubraum von 249, auf 296 cm gewachsen ist und aus dem alten Drehfix mit nun 49 mm Hub, bei gleich gebliebenem Kolbendurchmesser von 62 mm, fast ein Stroker wurde, kann auch im Sechser die Ortsdurchfahrt gemeistert werden. Natürlich liegt dann beim Beschleunigen am Ausgangsschild kein bäriger Schub an, der die (hoffentlich) schmale Sozia vom Sessel schleudert. Aber es kann ohne Murren und Ha­cken in den Landstraßenmodus gewechselt werden. Die Sitzposition taugt dann entspannt bis hinauf zum Schweizer-Garde-Maß und auch die Gepäckhaken suggerieren Tourentauglichkeit. Warum nicht auch mal mit ‘ner 300er in den Urlaub wandern? Abenteuer ist, was man draus macht! Und für 180 auf dem Tacho reicht’s allemal! Wer die Renngene in der 300er Ninja sucht, wird ab 7.500 Umdrehungen fündig. Dann heißt es Sturmhaube runter, Messer zwischen die Zähne und Wurfsterne aus den Taschen geholt. Fast schon sensationell, wie scharf die Kleine durch den Taunus pfeift. Es brüllt und kreischt aus dem Ansaugtrakt, als wären wir in der Moto3 unterwegs. Das Fahrwerk und die stark verbesserte IRC Roadwinner Erstbereifung funktionieren auch bei diesen herrlich herbstlich nassen Bedingungen ohne Tadel. Der nun in Gummilagern aufgehängte Parallel-Twin zwirbelt drehfreudig, aber kultiviert unter dem angenehm voluminösen Tank. Die Schalterei funktioniert prächtig und wird von einer, in diesem Hubraum- und Preissegment eher ungewöhnlichen Antihopping-Kupplung unterstützt. Durch eine spezielle Formung der Kupplungsscheiben benötigt sie zudem 25 Prozent weniger Handkraft beim Trennen. Nein, das ist nicht nur für die Damen gut, sondern auch für die Playstation „geplagten“ Unterarme der Jugend. Doch zurück auf die Straße:  Der generierte Vortrieb ist mehr als ausreichend, um seinen frischen A2er gleich wieder an die Ordnungsmacht aushändigen zu müssen. Hätt‘ ich doch nur meine Rennkombi eingepackt, anstelle der Moppedjeans…

ABS in Serie

Kawasaki Ninja 300„Alle in Deutschland verkauften Ninja 300 werden ABS haben, erklärt der niederländische Presse-Offizier. Außer dieser hier, die Sie heute testen werden!“ Was uns gleich wieder zum alten Sprichwort führt: „Planung ersetzt den Zufall lediglich durch einen Irrtum!“. Auf jeden Fall sehen die neuen Bremsen schon mal super aus. Petal-Bremsscheiben vorn und hinten. Das sieht zwar unheimlich giftig aus, ist es aber gar nicht.  Trotzdem freuen wir uns natürlich auf die ABS-Serienkräder für die Piefkes, die mit erscheinen dieses Artikel bei den Kawasaki-Vertragshändlern stehen sollten! 
Nach der Landstraßenhatz mit Start-Ziel-Sieg, rolle ich gemütlich in Mainz ein. Die Ninja sticht. Nein, nicht mich, sondern beim Publikum. Hätte nicht erwartet, dass ein Krad, nur unwesentlich größer, als ‘ne 80er, so viele Blicke auf sich zieht. An der grotesken Erscheinung eines zu großen Menschen auf einem viel zu kleinen Motorrad kann es auch nicht liegen. Der Blick in die vorbeiziehende Schaufensterfront bestätigt mein Sitzgefühl. Ich passe hier gut drauf. Keine Frage. Was also fasziniert die Motorrad affinen Betrachter. Ein Gespräch auf dem Parkplatz gibt Aufschluss: „Cool… das ist die neue ZX-6 R!?“ Kawa hat bei der neuen Optik ganze Arbeit geleistet. Rattenscharfes Design im ZX-10R Look. Auch sonst gefällt die Ninja 300 durch viele technisch hochwertige Lösungen und solide Verarbeitung. 

Die unverbindliche Kawasaki-Preisempfehlung für die 300er Ninja ABS beträgt 5595 Euro zzgl. Nebenkosten. Gepaart mit den geringen Unterhaltskosten bei Steuern und Versicherung lassen sich schon so einige unterhalsame Kilometer mit dem kleinen Sportler abspulen. Probiert sie einfach selbst mal aus…