Kawasaki 750 H2 Mach IVDas Gas war rechts, und wer in den 70er Jahren mithalten wollte, drehte den Quirl bis zum Anschlag voll auf. Es wurde geheizt, bis die Heide wackelte

aus bma 11/09

von www.winni-scheibe.com

Kawasaki 750 H2Mach IVAls er mit 18 Lenzen den FĂŒhrerschein frisch in der Tasche hatte, sollte natĂŒrlich möglichst schnell ein Motorrad her. Andere an seiner Stelle wĂ€ren zunĂ€chst erst auf eine 250er oder 350er gestiegen. FĂŒr den WesterwĂ€ldler stand dagegen das Wunschbike bereits schon lange fest, es sollte eine 500er oder noch besser, eine 750er Zweitakt-Kawasaki sein. Damals gab es nĂ€mlich in seiner Gegend ein echtes Dreizylinder-Nest. Einer hatte die 500 H1 Mach III, ein anderer die 750 H2 Mach IV, und dann gab es noch einen mit der kleinen 250 S1 Mach I. Das fĂ€rbte natĂŒrlich ab. Über eine Anzeige wurde er fĂŒndig, und wenig spĂ€ter stand eine gebrauchte 750 H2 vor der TĂŒr. „3000 Mark kostete mich 1976 der Spaß. DafĂŒr hatte die knapp ein Jahr alte Zweitaktrakete erst wenige Kilometer auf der Uhr, und auch sonst war das Dreizylinder-Geschoß piccobello in Schuss”, erinnert sich der Zweitaktfan. Was folgte, so Heep, war seine „Sturm- und Drangzeit”, eben die „wilden Siebziger”. Der Motorradboom war voll am Brummen, und kaum einem konnte es damals schnell genug gehen. Das Gas war rechts, und wer mithalten wollte, drehte den Quirl bis zum Anschlag voll auf. Junge Burschen, die noch dazu ein 70 PS starkes und ĂŒber 200 Sachen schnelles Bike unter dem Allerwertesten hatten, „Gingen uff de Gass”. Es wurde geheizt, bis die Heide wackelte, und das Einzige, was man fĂŒrchtete, war, dass einem der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Um die technischen Belange kĂŒmmerte sich jeder selbst, davon verstand man schließlich was. Fast alles drehte sich unter den damaligen Kumpels ums Motorrad und Motorrad fahren. RĂŒckblickend betrachtet war es eine abenteuerliche, aufregende und auch sehr schöne Zeit. Drei Jahre wĂ€hrte die Bikerfreude, oder besser gesagt Kawa-Leidenschaft, dann folgte fĂŒr Erwin Heep ein neuer Lebensabschnitt: Heirat, HĂ€usle bauen, Kinder. Der Speedbolzen wurde zwangslĂ€ufig verkauft, Helm und Lederkombi auf dem Dachboden verstaut.

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Kawasaki 750 H2 Mach IVGut 15 Jahre hatte die liebe Seele Ruh, bis im November 1995 ein Inserat alte Geister weckte: Verk. Kawasaki 750 H2B, Bj. 74, sehr gut, orig. Zustand, lĂ€uft, komplett, wenig km. Erst eine (fast) schlaflose Nacht, dann eine Reise nach Mannheim und der Zweitakt-Triple wechselte fĂŒr 7300 Mark den Besitzer. Die aus den USA privat importierte Mach IV war tiptop gepflegt, nur Kfz-Brief und TÜV-Abnahme fehlten noch. FĂŒr den Kfz-Mechaniker jedoch kein Problem. Um die Technik machte er sich keine Gedanken, das wĂŒrde er schon hinkriegen, und das erforderliche Datenblatt ließe sich bestimmt vom Kawasaki-HĂ€ndler um die Ecke besorgen.

Doch Pustekuchen! H2? Mach IV? Dreizylinder? Zweitakter? Ne 750er? Baujahr 1974? „HĂ€mer nett, kriegmer nett, gibts nett”! Mit dem VertragshĂ€ndler war nicht zu handeln. Es sei denn, der Bittsteller hĂ€tte die neue knallgelbe ZZR 1100 RR hoch vier bestellt, denn, so der Fachmann fachmĂ€nnisch, die sei gerade super IN. Da Frust bekanntlich erfinderisch macht, galt der nĂ€chste Besuch der TÜV-PrĂŒfstelle. Doch auch hier zog er eine Niete. Ein Datenblatt hatte man nicht, doch fĂŒr die Vollabnahme wĂŒrde es auch eine Briefkopie tun, vertröstete man ihn. Nun folgte der dritte Anlauf. Im Nachbarort fahndete Heep nach dem KĂ€ufer seiner ehemaligen H2, einem gewissen Heinz-Georg Homa. Und siehe da, der Gesuchte hatte das gute StĂŒck sogar noch. Alles weitere war Formsache, problemlos erhielt die zwanzig Jahre alte Kawa das TÜV-GĂŒtesiegel.

Bei der H2 sollte es im Hause Heep aber nicht bleiben. Der nĂ€chste Streich war eine H2A von 1973. Doch bei diesem 2000-Marks-SchnĂ€ppchen ließ sich nicht viel erwarten. „Die Maschine war total vergammelt. Den Kabelbaum hatte jemand brutal herausgerissen, etliche Teile fehlten, falsche Sachen waren angebaut, im Prinzip habe ich da einen Schrotthaufen aus dem Schuppen gezogen. Nur der Tank hatte sĂ€mtliche Misshandlungen ĂŒberstanden. Bis auf ein paar Schrammen war er fast neuwertig, und er erhielt sofort einen Ehrenplatz im Hobbyraum”, beschreibt Erwin Heep das Anfang 1996 getĂ€tigte „Entsorgungs-GeschĂ€ft”.

Kawasaki 750 H2 Mach IVZunĂ€chst sollten die Brocken als TeiletrĂ€ger dienen. Dann kam die Idee, das Motorrad im Racing-Look herzurichten, was aber gleich wieder verworfen wurde. LĂ€ngst hatte sich der Eigner zu einer Generalrestauration entschieden. Hieran war der bereits erwĂ€hnte Heinz-Georg Homa nicht ganz unbeteiligt. Durch den engagierten Dreizylinder-Kenner lernte Erwin Heep den H2-Club mit Sitz in Remagen kennen und erfuhr so, was mittlerweile in der Szene abgeht. Gab es frĂŒher kaum eine Kawa, die nicht aufgemotzt, umgestrickt, getunt oder veredelt war, zĂ€hlen heute originalgetreue Exemplare zu den SahnestĂŒcken.

FĂŒr das geplante Vorhaben war der Club eine fast unverzichtbare Anlaufstelle. Besonders, wenn es um die Ersatzteilversorgung ging, denn die wird von Jahr zu Jahr immer schlechter. Dabei wurde die Mach IV 49546 mal gebaut. Also alles andere als ein Exote. Normalerweise erwartet man ja, dass das Kawasaki-HĂ€ndlernetz fĂŒr den Teilenachschub zustĂ€ndig ist. Doch bei Kawa vollzog sich Mitte der Siebziger ein Importeurswechsel. Bis Ende 1975 war der Hamburger MotorradhĂ€ndler Detlev Louis aktiv, ab 1976 kĂŒmmerten sich die Japaner in ihrer Frankfurter Werksniederlassung dann aber selbst um das GeschĂ€ft. Und so kommt es, dass Mitarbeiter beim Importeur, aber auch VertragshĂ€ndler an der „Front”, die Dreizylinder-Zweitakt-Modelle meist, wenn ĂŒberhaupt, nur vom Hörensagen her kennen.

Diese Erfahrung hatte unser Dreizylinderfan ja bereits mit seinem US-Bike gemacht. Und so verließ er sich lieber auf das Know-how von Heinz-Georg Homa sowie seinen H2-Clubkameraden und den Dreizylinder-Spezi Fritz Zanft aus MĂŒlheim-KĂ€rlich. „Ohne diese Leute hĂ€tte die Restauration bestimmt doppelt so lange gedauert. Allein bei der Beschaffung der Ersatzteile wĂ€re ich ohne diese Anlaufstellen aufgeschmissen gewesen”, betont Heep. Bevor er sich an die eigentliche Arbeit machte, besorgte er sich zunĂ€chst eine Kopie des H2-Werkstatthandbuches und erstellte eine eineinhalb Seiten lange Liste aller benötigten Teile. In den nĂ€chsten Monaten wurde eine Position nach der anderen abgehakt. Kaum Probleme gab es bei der Beschaffung der Verschleißteile. Der Wunsch nach einer neuen Auspuffanlage ließ sich dagegen nicht erfĂŒllen. Neue TĂŒten scheint es auf der ganzen Welt nicht mehr zu geben. Hier muss man nehmen, was zu kriegen ist und anschließend KrĂŒmmer und SchalldĂ€mpfer je nach Zustand aufarbeiten und zum Neuverchromen geben. Auch das vordere Schutzblech und der Lichtmaschinendeckel konnten sich nur als Gebrauchtteile auftreiben lassen. Anfang 1997 legte der Hobbyrestaurator los und konzentrierte sich als erstes auf das Triebwerk.

Der Aufbau des schlitzgesteuerten Aggregates, mit horizontal teilbaren MotorgehĂ€usen, ist denkbar einfach. Beim Zerlegen des luftgekĂŒhlten Triebwerkes wird die Schose einfach auf den Kopf gedreht und die untere GehĂ€usehĂ€lfte abgenommen. Spezialwerkzeug ist im großen und ganzen hierfĂŒr nicht erforderlich. Die gepresste Kurbelwelle ist in sechs WĂ€lzlager gelagert, die Hubzapfen sind jeweils um 120 Grad gegeneinander versetzt. Der rechtsseitig angeordnete PrimĂ€rantrieb erfolgt ĂŒber ZahnrĂ€der, die KraftĂŒbertragung ĂŒbernimmt eine Mehrscheibenkupplung im Ölbad. Das klauengeschaltete FĂŒnfganggetriebe entspricht japanischem Baumuster, gestartet wird das Kraftpaket via Kickstarter, einen Anlasser sucht man vergeblich. Ist die MotorunterhĂ€lfte abgenommen, bleiben alle Innereien zunĂ€chst im oberen GehĂ€use liegen, was das Hantieren ungemein vereinfacht. Die Bestandsaufnahme ergab eine defekte Kurbelwelle, dafĂŒr ließen sich Kolben, Zylinder und Getriebe weiterhin verwenden. WĂ€ren neue Kolben erforderlich gewesen, wĂ€re das aber auch kein Malheur, immerhin gibt es fĂŒnf Übermaß-Kolben. Das Instandsetzen der kaputten Dreizylinderwelle wurde Heinz Ehmer anvertraut. „Je nach Gashand hĂ€lt die H2-Welle 40.000 bis 50.000 Kilometer, dann sind sĂ€mtliche Lager, Wellendichtringe und Schleuderbleche fĂ€llig. Die Pleuel brauchen nur alle 100.000 km erneuert zu werden”, verrĂ€t der H2-Club Vorsitzende und Kurbelwellenspezialist. Ganz billig ist die Angelegenheit jedoch nicht. FĂŒr die Revision der Heepschen Welle waren 1.000 Mark fĂ€llig, hĂ€tten auch noch die drei Pleuel ersetzt werden mĂŒssen, kĂ€men noch einmal 1.050 Mark hinzu.

Kawasaki 750 H2 Mach IVZwischenzeitlich widmete sich Erwin Heep der Optik. Zylinderköpfe, Zylinder und MotorgehĂ€use ließ er glasperlenstrahlen, die Seitendeckel polieren, die drei Rundschieber-Vergaser schrubbte er mittels Kaltreiniger und WurzelbĂŒrste selbst sauber.

Nachdem die frischĂŒberholte Kurbelwelle wieder auf der Werkbank lag, machte er sich an den Zusammenbau. „Im Prinzip gibt es hierbei weder Kniffs noch besondere Tricks zu beachten. Wer sorgfĂ€ltig werkelt, kann im Grunde nichts verkehrt machen. Lediglich auf das axiale Spiel der Getriebewellen sollte man achten,” betont Heep und erklĂ€rt: „Mit dem Einhalten der Toleranzen haben es die Japaner offensichtlich nicht so genau genommen, es gibt allerdings auch keine Angaben, wie klein oder groß das Spiel sein muss. Hier ist FingerspitzengefĂŒhl erforderlich. Wackeln die Wellen zu stark hin und her, lĂ€sst sich das Spiel mit 0,5 mm dicken Shims ausgleichen.” Außer einem Dichtungsset und neuen Vergaser-Ansauggummis bekam das Triebwerk auch noch frische KupplungsbelĂ€ge und einen neuen Generator spendiert. Von den original Kreuzschlitzschrauben hĂ€lt Erwin Heep jedoch nicht viel und drehte kurzerhand moderne Imbusschrauben ein. Puristen mögen dies als Stilbruch betrachten, fĂŒr unseren Praktiker ist diese Modifikation aber vertretbar.

Auch beim Herrichten des Fahrwerkes blieb keine Schraube auf der anderen. Alle schwarz lackierten Bauteile, wie Rahmen, Schwinge, HauptstĂ€nder, SeitenstĂŒtze und Batteriekasten, wurden erst zum Strahlen und dann zum Kunststoffbeschichten gegeben. Sprenglerhandwerk war beim Ausbeulen der Seitendeckel und des HeckbĂŒrzels angesagt. Diese Sachen sind nĂ€mlich nicht aus schnödem Kunststoff sondern noch aus echtem Blech. Nachdem die FlĂ€chen in ihre alte Form zurĂŒckgebracht worden waren, wurde gespachtelt und grundiert. Auch der, fĂŒr 200 Mark recht gĂŒnstig erstandene, Tank erhielt seine Vorarbeit und wurde dann zusammen mit den anderen Teilen zum Lackieren in einen Fachbetrieb gegeben. Als Farbe kam natĂŒrlich nur das original Kawa-Gold in Frage.

Kawasaki 750 H2 Mach IV BremseBeim Zusammenbau brauchte nur ins Regal gegriffen zu werden. „Wenn man bereits alles da hat, und es brauchen nur noch nach und nach die Sachen zusammengeschraubt werden, macht die Restauration einfach viel mehr Spaß”, versichert der Kawa-Fan, gibt allerdings auch zu bedenken: „Bis ich die Teile aber tatsĂ€chlich zusammenhatte, war ruckzuck ein Jahr vergangen, und bei manchen Preisen hat es mich fast vom Hocker gehauen. Ohne die 2.000 Mark Kaufpreis, habe ich rund 8.000 Mark nur fĂŒr die Teile ausgegeben, Telefonate, Wege und Arbeitszeit nicht mitgezĂ€hlt.”

Das Werk von Erwin Heep kann sich sehen lassen. Nichts hat das „rauchende Ungeheuer” von Kawa an Faszination verloren. Wird das Dreizylinder-Triebwerk in Gang gesetzt, steht die Umwelt zunĂ€chst im Nebel. Doch nur fĂŒr einen kurzen Augenblick. Im Nu sind die 71 PferdestĂ€rken auf Trab, und mit dem typischen Zweitaktgescheppere ist die Mach IV lĂ€ngst ĂŒber alle Berge verschwunden. Das war frĂŒher so, daran hat sich nichts geĂ€ndert. Wer es genau wissen will, braucht mit dem 210 kg schweren Geschoss bis zur 100er-Marke vier Sekunden, bis 150 Sachen gerade mal zehn Sekunden und die 200er-Schallmauer knackt die 750er auch noch alle male. Mit diesen Werten ließ sich vor 25 Jahren mĂ€chtig Eindruck schinden. Böse Zungen behaupteten sogar, dass die H2 waffenscheinpflichtig sei. Sicherlich berechtigt. Der Motor war jedenfalls schneller als das Fahrwerk, und wer mit der H2 auf der letzen Rille um die Ecken gepfiffen ist, hatte danach meist viel zu erzĂ€hlen. Denn auch die legendĂ€re „Z1” aus gleichem Haus war nicht viel schneller, und das wollte was heißen. Doch das ist nun wiederum eine ganz andere Geschichte.

„Aus dem Heizeralter bin ich allerdings heraus”, gibt Erwin Heep unumwunden zu. „Abgesehen von den Erinnerungen an die siebziger Jahre, begeistern mich die Fahrleistungen jedoch immer wieder aufs Neue. Sprint- und Durchzugscharakteristik sind einfach enorm und, schließlich darf man nicht vergessen, dass das Motorrad von 1973 ist. Eben ein recht rĂŒstiger Oldie!”

Club Adresse: H2 Club – Kawasaki Dreizylinder Postfach 1224 53402 Remagen

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