aus bma 01/06

von Volker Kahlich

Isle of man - Rennen Jedes Jahr treffen sich auf der Isle of Man (IoM) bis zu 40.000 Motorradfahrer, um dem legendären Tourist Trophy (TT) Straßenrennen beizuwohnen. Entsprechend verwundert fielen die Kommentare meiner Kumpels aus, als ich norddeutscher, meist ruhiger und gesetzter, Mittvierziger mich in dieses Getümmel stürzen wollte. Wohl jeder Motorradbegeisterte hat schon davon geträumt einmal bei der TT auf der IoM dabei zu sein. So zögerte ich (Yamaha XJ 900 S) nicht lange, als sich mir die Gelegenheit bot mit Matthias (Yamaha XV 1000), Andy (Honda CBR 1000 RR), Marek (Kawasaki XS 650) dem Alltag in Stade durch einen Kurztrip zur TT vom 2. – 8. Juni zu entfliehen.
Wie konnte es anders sein, wenn man Richtung Groß Britannien fährt, mußte es regnen. So war es leider auch am Tag unserer Abreise, und wir waren froh den Komfort der P & O Fähre zu genießen, als diese am 2. Juni gegen 21 Uhr in Rotterdam die Leinen los machte. Die Regenwolken waren inzwischen der Sonne gewichen, und wir genossen die sinkende Sonne auf dem Deck mit einem erfrischenden Bier. Ausgeruht warteten wir am nächsten Morgen gegen neun Uhr, wann sich in Hull der Bauch der Fähre öffnen würde und uns in den Linksverkehr in Richtung nächstes Etappenziel Heysham entließe.
Der Himmel war bedeckt und wie erwartet ungewohnt war dann zunächst der Linksverkehr. Waren mit der „Pride of Rotterdam” schon einige Motorradfahrer unterwegs, so war die Fähre „Lady of Mann” von Heysham nach Douglas mit Motorradfahrern überfüllt. Spätestens jetzt wurde klar, warum es sich empfiehlt rechtzeitig, also ein halbes Jahr vor Reiseantritt, zu buchen.

 

Was es bedeutet, während der Renn-/Trainingszeiten auf der IoM unterwegs zu sein, erfuhren wir bei unserer Ankunft in Douglas. Da gerade auf dem Rennkurs trainiert wurde und unser Campingplatz Cronk Dhoo direkt an der Rennstrecke bei Greeba lag, mußten wir warten bis das Training vorbei war. So hieß es bereits am ersten Abend Rennatmosphäre zu schnuppern, was wir bei „Quarterbridge”, einer 90° Rechtskurve in Douglas, taten.
Vor und nach jedem Rennen/Training fährt ein sogenannter Marshall, gekennzeichnet mit einer neongelben Weste, mit seiner Straßenmaschine die Rennstrecke ab. Erst wenn er sein OK gibt, kann das Rennen gestartet werden, bzw. wird die Strecke für den Straßenverkehr wieder freigegeben. Kaum war der Marshall durch, wurden alle Absperrungen beseitigt. Verblüffend schnell herrschte hektische Betriebsamkeit auf den Straßen, und wir mitten drin auf dem Weg zum Zeltplatz. Diesen erreichten wir dann Gott sei Dank doch noch im Hellen um 21:30 Uhr nach kurzer Irrfahrt.
Isle of man - Rennen Die Cronk Dhoo Camping Site ist auf einem gepflegten hügeligen Farm-Gelände angesiedelt. Uns war nach Ruhe, darum entschieden wir uns möglichst weit oben auf dem Hügel die Zelte aufzubauen. So konnten wir die herrliche Aussicht genießen, und der ständige Motorenlärm auf der Straße drang nur noch gedämpft zu uns herauf.
Leider regnete es am nächsten Morgen. Wir fuhren rechtzeitig los um in Douglas einzukaufen. Dummerweise hatten wir so viel Zeit vertrödelt, daß wir es nicht mehr schafften aus Douglas vor dem Rennen rauszukommen. Eigentlich wollten wir uns einen Tribünenplatz entlang der Rennstrecke sichern. Dazu kam es aber nicht mehr, denn mittlerweile war es 12 Uhr, und die Straße war für Training und Rennen gesperrt.
Per Zufall gelangten wir dann nach „Bray Hill”, einer geraden Strecke einen Berg hinunter nahe Start/Ziel. Hier lernten wir die britische Geduld kennen. Die Strecke war noch nicht ganz abgetrocknet vom Regen, der inzwischen aufgehört hatte. Stunde um Stunde wurde jedoch der Start des Superbike-Rennens verschoben. Schließlich entschied die Rennleitung, das Superbike-Rennen auf Sonntag „Mad Sunday” zu verschieben und nur ein paar Trainingsrunden Superstock und anschließend drei Runden Sidecar-Rennen durchzuführen, weil es mittlerweile zu spät geworden war.
Als dann endlich die ersten Rennfahrer gegen 16:30 Uhr vorbeibrausten kam mir unwillkürlich der Begriff „gehirnamputiert” in den Sinn. Die Fahrer holten hier auf der abschüssigen Strecke inmitten eines Wohngebietes wirklich alles aus den Maschinen raus, was wohl den Reiz dieser Stelle für die Zuschauer ausmacht. Ein Fahrfehler auf der engen Straße, und man knallt gegen die auf der Insel so typische Steinmauer. Aber solche Gedanken wurden schnell verdrängt durch die Faszination, die wohl den Straßenrennsport ausmacht, und die selbst mich total in ihren Bann zog.
Nachdem es in der Nacht geregnet hatte, krochen wir am Mad Sunday aus unseren Zelten. Normalerweise findet am Mad Sunday, dem Sonntag zwischen den beiden Veranstaltungswochen, kein Rennen statt, und ein Teil der Strecke von Ramsey nach Douglas wird als Einbahnstraße ausgewiesen. So kann jeder auch einmal Rennfeeling hautnah erleben. Daher wohl auch der Name. Die Leute fahren dann wie die Verrückten!
Man ist ja lernfähig, auch im Alter, darum wollten wir heute rechtzeitig los um uns möglichst im Norden der IoM, im äußeren Bereich der Rennstrecke, einen Beobachtungspunkt zu suchen.
Isle of man - Logo Je weiter wir nach Norden an diesem Tag fuhren, desto regnerischer und trüber wurde es. Da wir dieses Mal genügend Zeit bis zum Rennen hatten, steuerten wir zunächst den nördlichsten Punkt der IoM an, den Leuchtturm am Point of Ayre. Vom Point of Ayre wendeten wir uns südöstlich in Richtung Ramsey. Das Wetter wurde zunehmend besser. Wir stellten unsere Motorräder am Hafen ab und shoppten ein wenig durch die auch am Sonntag geöffneten Läden. Schließlich suchten wir uns einen Platz auf einer langen Geraden im Stadtzentrum kurz vor „Parliament Square” (90° Rechtskurve). Die Rennfahrer beschleunigten aus einer Kurve heraus, teilweise hoben die Vorderräder ab. Wahnsinnige Geschwindigkeiten und man war von der Strecke nur durch ein Absperrungsseil getrennt. Radio Manx berichtete, teilweise auch in deutscher Sprache, vom aktuellen Rennverlauf. So war man immer informiert und wußte ziemlich genau, wann der in Führung liegende Lokalmatador John McGuinness wieder vorbeibrauste.
Nach dem Rennen war geplant, von Ramsey entlang der Mountain Road nach Douglas zu fahren. Damit hätten wir die Rennstrecke auch einmal komplett umfahren. Doch am Ortsausgang stauten sich hunderte Motorräder. Ich weiß leider nicht warum. Jeder wollte im Uhrzeigersinn wie die Profis den Rennkurs umfahren. Wir entschlossen uns wegen des Staus gegen den Uhrzeigersinn wieder zum Zeltplatz zu fahren. Es war einfach unglaublich, wie viele Motorräder auf der rechten Spur bereits schon standen oder uns noch entgegen kamen.
Zu Anfang fuhren wir noch sehr vorsichtig, wurden aber ständig überholt. Ein bißchen Spaß will man ja auch haben, so paßten wir uns den herrschenden Geschwindigkeitsverhältnissen an. Kurvige und gerade Stücke wechselten sich. Schließlich fuhren wir, was unsere Kisten hergaben, die Vernunft war nahezu ausgeschaltet. Immerhin kam uns noch auf der Gegenfahrbahn eine entlose 60 km lange Motorradkarawane entgegen, und die wollte mindestens ebenso schnell unterwegs sein wie wir.
Mein Mut zum Risiko wurde dann aber ziemlich bald genommen, als mir in einer S-Kurve gleich mehrere Motorradfahrer auf meiner Spur beim Überholen entgegenkamen. Gut, wenn man da nicht voll am Limit fährt. Viele Motorradfahrer auf einer schönen Strecke praktisch ohne Limits, das führt fast zwangsweise zu einer Dynamik, die Dich einfach mitreißt. Ohne Rücksicht auf Risiken und Konsequenzen wirst Du in einen Fahrrausch versetzt. Es wird immer wieder von vielen Unfällen auf der IoM während der TT berichtet. Ich kann mir jetzt vorstellen, warum.
Isle of man - Cronk Dhoo Camping Site Mit einem Hochgefühl und froh unbeschadet zu sein, erreichten wir unseren Zeltplatz. Wir machten uns frisch und fuhren nach Douglas zur abendlichen Mad Sunday Party. Für tolle Stimmung sorgten Bierzelte mit Live Musik, ein Jahrmarkt und tolle Stuntshows.
Am nächsten Tag ließen wir es ruhig angehen. Es war immer noch sonnig, und wir beschlossen jetzt den Süden der Insel nach dem Rennen zu erkunden. So stellten wir uns in Douglas an die „Governor’s Bridge”, dem wohl langsamsten, doppel U-förmigen Streckenabschnitt der TT. Hier konnte man die Rennfahrer um die Kurven kriechen sehen. Es war interessant dabei zu beobachten, wie unterschiedlich doch die Kurvenlinie gefahren wurde. Noch während des Rennens machten wir uns auf den Weg in Richtung Süden in den geschichtsträchtigen Teil der IoM. Castle Town war viele Jahrhunderte die Hauptstadt der Insel. Wie der Name schon andeutet, steht hier eine Fe-stung, die den kleinen malerischen Hafen bewacht. Das alles wirkt maritim und südländisch. Port Erin im Südwesten der IoM erinnert an einen Badeort fernab vom Trubel der TT. Sehr schön ist auch Peel im Westen. Dort genossen wir bei Kaffee und Kuchen an der Strandpromenade die Aussicht auf die Ruine St. Patrick’s. Auf der Fahrt nach Peel fuhren wir an einem Unfall vorbei, der erst kürzlich passiert sein mußte. Motorradfahrer sicherten und leiteten den Verkehr. Polizei und Rettungskräfte waren noch nicht da. Bei aller Raserei auf der IoM blieb es Gott sei Dank der einzige Unfall, den wir wahrnahmen.
Da wir es immer noch nicht geschafft hatten, die Rennstrecke ganz zu umfahren, starteten wir einen zweiten Anlauf. Das Rennen war gerade beendet, und wir fuhren mit den Massen nordöstlich nach Ramsey, um von dort endlich über die Mountain Road nach Douglas zu kommen. Wie es der Teufel wollte, war auch dieses Mal die Strecke gesperrt. Benzin war wohl ausgelaufen und mußte erst beseitigt werden. Wir übten uns in Geduld und legten eine kurzweilige Zwangspause ein. Das Warten lohnte sich, denn sonst hätten wir den wohl schönsten Streckenabschnitt verpaßt, die Mountain Road entlang dem Snaefell, den mit 650 m höchsten Berg auf der IoM. Neben der schönen Straße kann man von der Mountain Road die herrliche Aussicht zurück nach Ramsey oder in Fahrtrichtung nach Douglas genießen.
Angekommen in Douglas bummelten wir noch ein wenig durch die Fußgängerzone. Leider war damit unsere Zeit auf der IoM so gut wie abgelaufen. Unsere Gedanken kreisten schon um die Vorbereitungen der Abfahrt frühmorgens am nächsten Tag.
So war für uns um 5:30 Uhr am Dienstag die Nacht zu Ende, gegen sieben Uhr wollten wir bei der Fähre sein. Auf der Fähre suchten wir uns dieses Mal gleich einen Sitzplatz. Die Fähre war zwar voll, aber nicht überfüllt wie bei der Anreise.
Bei der Rückfahrt in strahlendem Sonnenschein durch England ist dummerweise die XV 1000 von Matthias liegen geblieben. Da wir die Maschine nicht flott kriegten, mußten wir sie notgedrungen stehen lassen. So hieß es Gepäck verteilen und Matthias als Sozius mitnehmen. Der ADAC in Verbindung mit dem britischen AAA regelte derweil Reparatur und Rücktransport. Man kann sich vorstellen, daß wir drei Kreuze machten, als wir abends auf der „Pride of Rotterdam” beim Abendbuffet saßen. Wohlbehalten, aber auch kaputt, waren wir dann am nächsten Tag gegen 16 Uhr zu Hause.
Zuerst dachte ich, schön das Du von Dir jetzt behaupten kannst, einmal bei der Tourist Trophy auf der IoM dabei gewesen zu sein. Ein Motorradtraum ist in Erfüllung gegangen. Doch je länger ich zurückblicke, desto mehr reift in mir der Gedanke, irgendwann noch einmal zur IoM zu fahren. Drei Tage auf der Insel sind zu kurz um die Insel in Ruhe zu erkunden. Sie bietet viel mehr als einfach nur die TT. Ob ich dem Bann der Insel noch einmal erliege, wer weiß, die Zeit wird es zeigen.