aus bma 08/03

von Michael Schories

Irland„Wo fahren wir denn dieses Jahr im Herbsturlaub hin?” fragt mich Frank und sieht versonnen in sein drittes Glas Guinness. Ich habe auch keine Idee und starre die irischen Straßenschilder, die die Wände unseres Lieblings-Irish-Pub zieren an. Ich bestelle mir noch einen „Jameson”- den besten irischen Whisky überhaupt. Zeitgleich ordert Frank eine Tüte Original-Irische-Essig-Chips bei der Bardame, Plumps, Plötzlich fällt der Groschen: IRLAND!!! Dorthin könnte man doch mal wieder reisen. Die letzte Begegnung mit der grünen Insel liegt fünf Jahre zurück und ein Guinness im Herstellungsland trinken wäre ein weiterer Grund für einen Trip zu den alten Kelten. Eine Freundin erzählt uns zwar prompt, dass ihre letzte Rucksacktour durch Irland an 12 von 14 Urlaubstagen von heftigsten Regenfällen begleitet war, uns kann das aber nicht mehr von dem Reiseziel abbringen.
Um ganz sicher zu gehen, starten wir ein paar Tage später um fünf Uhr morgens nach Rotterdam, wo unsere Fähre in Richtung Hull in Nordengland abfährt. Unsere Kalkulation war aber wohl doch etwas übervorsichtig, oder wir etwas zu flink unterwegs. Jedenfalls landen wir am Fährterminal vier Stunden bevor das Einchecken losgeht. Dafür war unser erster Urlaubstag aber völlig regenfrei und wir freuen uns, dass wir ausnahmsweise die Bikes nicht umsonst geputzt haben. An Bord unserer Fähre bekommen wir dann unser erstes Urlaubs-Guinness serviert. Leider versteht der Schankwirt nichts von irischem Bier und zapft das Pint in weniger als 30 Sekunden. Wir lassen uns die Laune aber nicht davon verderben, dass unsere Gläser zu zwei-dritteln nur mit Schaum gefüllt sind.

 

Am nächsten Morgen erreichen wir noch vor Sonnenaufgang England. Die nächtliche Fährfahrt hat uns keinen Urlaubstag extra gekostet. Wir verlassen zwar als letzte Gäste die Fähre, kämpfen uns aber Dank der motorradeigenen Wendigkeit in kürzester Zeit an die Spitze der Warteschlange am Zollschalter vor. Die Abfertigung hier verläuft reibungslos und schnell.
Da wir am späten Nachmittag unsere Fähre von Wales nach Dublin erreichen wollen, durchqueren wir England nur via motorway, also Autobahn. Der Linksverkehr bereitet uns dabei keine Schwierigkeiten. Lediglich bei den Ausfahrten von Rastplätzen und Tankstellen müssen wir kurz nachdenken wie wir uns in den Verkehr einfädeln. Da die Briten sehr disziplinierte Fahrer zu sein scheinen, klappt das hervorragend.
Keltischer FriedhofAuf den letzten 100 Kilometern bis zum Fährhafen sehen wir zunehmend walisische Flaggen in den Vorgärten und des öfteren auch Autoaufkleber mit Botschaften wie „Haltet Wales sauber, werft euren Müll in England weg”. Ganz so „United” scheint das Vereinigte Königreich doch nicht zu sein, aber das soll uns keine Kopfschmerzen bereiten. Wir erreichen unsere Fähre wieder einmal überpünktlich und können uns auch noch einen kleinen Stadtbummel durch Holyhead erlauben. Die relativ kurze Überfahrt nach Dublin genießen wir im Halbschlaf; die Autobahnkilometer durch England und Wales haben doch geschlaucht. Als wir die irische Hauptstadt erreichen dämmert es bereits und wir beschließen ohne um den Preis zu feilschen eine Privatpension irgendwo im Stadtzentrum für die Übernachtung zu nehmen. Für etwa 40 DM pro Person mieten wir dann auch ein akzeptables Zimmer mit gutem Frühstück und drei Minuten Fußweg zum nächsten Pub. Und dort bekommen wir endlich auch ein richtig gezapftes Guinness. Wir konnten zwar bisher noch keine irischen Pfund eintauschen aber die Bezahlung mit Visa-Card ist selbst in der kleinsten Kneipe kein Problem. Punkt Mitternacht glauben wir dann plötzlich in einem Film zu sein: Alle Pubbesucher stehen auf und singen die irische Nationalhymne, wir werden von ein paar trinkfesten Rentnern eingehackt und zum mitschunkeln bewegt. Außerdem halten wir plötzlich ohne es bestellt zu haben ein weiteres Guinness in den Händen. Wir wehren uns natürlich nicht gegen diese gastfreundschaftliche Geste und bewegen verlegen unsere Lippen zu den unbekannten Melodien und Texten. Dass wir aus Deutschland kommen wurde schon zuvor registriert und wir dürfen ein ums andere mal erklären wie „Prost” ausgesprochen wird.
Am nächsten Morgen servieren die Töchter des Pensionsbetreibers unser Irish-breakfast. Da wir bis zum Abend nicht mehr dinieren wollen, schlagen wir uns die Bäuche so voll, dass vom Übernachtungsobolus kaum Profit übrig geblieben sein dürfte. Unsere Gedanken sind während des Frühstücks aber bereits beim heute geplanten Höhepunkt: dem Besuch der Guinness-Brauerei. Wenig später haben wir uns dann auch an den relativ ruhigen Großstadtverkehr Dublins gewöhnt und kommen schon nach wenigen Minuten in der St. James Gate an, wo wir natürlich nahezu direkt vor dem Haupteingang parken. Anschließend fühlen wir uns dann ca. zwei Stunden wie in unserem Wallhalla. Alles dreht sich hier um Bier. Leider können wir die Gratis-Bierverkostung zum Abschluss des Rundgangs nicht voll auskosten, da wir ja noch raus auf`s Land wollen. Alkohol und Motorradfahren verträgt sich auch hier nicht.
Heiliger Münzen-BaumAuf der Fahrt über kleine Nebenstraßen Richtung Westen halten wir kurz auf einem Parkplatz an einem altem keltischem Friedhof an. Quer über dem Parkplatz liegt eine mächtige Eiche, die scheinbar vom Blitz gefällt wurde. Wir stehen noch keine zwei Minuten, als ein betagtes Auto abbremst und unmittelbar neben dem Baum zum Stehen kommt. Kurz darauf beobachten wir, wie die zwei älteren Herren aus dem PKW mittels Hammer ein paar Geldmünzen in den Baum einschlagen. Während wir uns noch verwundert ansehen passiert das gleiche Ritual ein zweites mal, dieses mal von einer ca. 40-jährigen Frau zelebriert. Wir sind restlos von der Heiligkeit dieses Baumes überzeugt und sortieren aus unseren Portemonaies mehrere deutsche, britische und irische Münzen aus, um sie anschließend mit dem Unterboden einer Cola-Dose in den Stamm zu rammen. Welche Götter haben wir jetzt beschwichtigt? Ich will das Ende unserer Reise nicht vorweg greifen, aber zumindest das sei erwähnt: Wir hatten im gesamten Urlaubsverlauf nur zehn Minuten Regen!
Auf dem Weg zu unserem Ziel, der Dinglebay sehen wir trotz (glücklicherweise) fehlendem Regen tagtäglich mehrmals herrliche Regenbögen. Außerdem verdient Irland immer wieder seinen Namen „grüne Insel”. Angenehm ist zudem, dass unsere Übernachtungen, je weiter wir uns von Dublin entfernen, komfortabler und trotzdem billiger werden. Auf der Dingle-Halbinsel bezahlen wir nur noch ca. 25 DM pro Person für Bed and Breakfast mit Ausblick auf das Meer und inklusive hausgemachtem Begrüßungskuchen und Tee. Zum Teil profitieren wir natürlich auch davon, dass jetzt in der Nachsaison die Preise doch erheblich unter denen des Sommers liegen.
Einer der Höhepunkte der Tour ist die Fahrt über den schmalen O´Conners Pass. Es ist sicher nicht annähernd so hoch wie beispielsweise ein Alpengipfel. Dafür startet man aber auf Meeresspiegelhöhe und hat alle 500 Meter einen atemberaubenden Blick auf den Atlantik. Vorsicht ist aber geboten, da die Straße selbst für einen PKW und ein entgegenkommendes Motorrad stellenweise zu eng ist. Aber auch langsam fahren kann ja soooo schön sein…
Leider sehen wir in der Dinglebucht nicht den berühmten Delphin, der uns sowohl von Einheimischen, als auch von Reiseprospekten angekündigt wurde. Aber die bezaubernden Küstenstraßen und malerischen kleinen Dörfer entlang der Nebenstrecken sind eigentlich schon aufregend genug. Zumindest in einem Punkt behalten die Reiseführer aber Recht: Der Irlandumrundende Golfstrom sorgt hier selbst Mitte Oktober noch für gleichmäßig angenehme Temperaturen. Oder wirkt nach wie vor der heilige Baum und unsere Münzen???
Wieder auf dem Weg Richtung Osten beschließen wir einen Kurzaufenthalt in Kilkenny und wollen auch hier eine Brauereibesichtigung starten. Leider ist das gerade wegen saisonbedingter Bauarbeiten nicht möglich und wir müssen uns mit einem kühlen Rotblonden in einem Pub der Stadt begnügen. Aber zum fünften mal auf diesem Trip kommen wir in den Genuß handgemachter Livemusik, wenn hier der Begriff des „Traditionells” zum Teil auch sehr weit gefasst wird….
Ausgerechnet am Wochenende landen wir wieder in Dublin, was die Suche nach einer preiswerten Übernachtung selbst jetzt im Herbst schwierig gestaltet. Irgendwie schaffen wir es dann doch ein Zimmer für wenig Geld zu bekommen, leider liegt das Niveau der Bude dafür auch knapp an der Schmerzgrenze des ästhetischen Empfindens. Aber wir wollen ja nur darin schlafen. Abends gehen wir dann erneut in den uns schon bekannten Pub und genießen erneut Livemusik, die heute sogar von einer irischen Tanzaufführung begleitet wird. Wir sind begeistert und sorgen mit dafür, dass der Bierumsatz an diesem Abend alle Daxwerte prozentual übersteigt.
Mist, wenn man am nächsten Morgen schon um fünf Uhr aufstehen muss, um die Fähre nach Holyhead in Wales zu erreichen. Irgendwie schaffen wir die paar Kilometer aber doch und retten auf dem Weg auch noch einen deutschen Yamaha-Fahrer mittels einer Dose Pannenspray vor dem drohenden „next ferrie in four hours”-Nirvana. Jeden Tag eine gute Tat halt. Da unser Pfadfinderehrenwort gilt, sind wir auch nicht an der Einladung zu einem Frühstücks-Guinness interessiert. Vielleicht liegt es aber auch nur am dicken Kopf vom Vortag.
Ende für die XJIn der Nähe von Manchester übernachten wir ein weiteres mal und sind angenehm überrascht, dass wir hier für ein sehr gut ausgestattetes Zimmer über einem altehrwürdigem Pub gerade mal 22 DM pro Person abdrücken. Beim abendlichen Bier eine Etage tiefer geht es in den Gesprächen natürlich hauptsächlich um Fußball. Das wir keine Manchester-United-Fans sind, wird uns verziehen, als bekannt wird, dass auch Bayern München nicht zu unseren Favoriten zählt. Leider ist unser Lieblingsteam aus dem Nordosten Deutschlands hier Niemandem bekannt. Aber nach mehreren Newcastle-Brown-Ale wird uns mehrfach versprochen, in Zukunft auch auf die Ergebnisse von Hansa Rostock, in der entsprechenden Fachpresse zu achten. Heute Abend glauben wir einfach alles, wahrscheinlich sogar, dass Fish`n Chips wirklich eine vollwertige Mahlzeit ist. Absolut vollwertig ist dafür mal wieder das Frühstück am nächsten Morgen, dass uns der Großvater der Pensionsbesitzer in der Küche serviert. Zumindest sind wir so gesättigt, dass es locker bis zur abendlichen Fähre nach Rotterdam reicht. Dort treffen wir, wie der Zufall es so will, den Yamaha-Fahrer aus Dublin wieder und er hat endlich die Möglichkeit sich mittels Guinness für das Pannenspray zu bedanken.
Die letzten Kilometer zurück nach Deutschland hätten so beschwerdefrei sein können, wenn das Wörtchen „wenn” nicht wäre. Nachdem wir schon in Irland dank eines Hufnagels den Reifen von Franks Yamaha flicken mussten, reißt nun die alte „Wunde” ständig neu auf und 300 Kilometer vor der Haustür geht überhaupt nix mehr. Die Yammie muss auf den ADAC-Trailer. Welch ein unrühmliches Ende einer sonst so schönen Tour. Aber, die Sonne lacht noch immer. Vielleicht haben wir nur eine Münze zuwenig in den heiligen Baum geschlagen???