aus Kradblatt 2/21 von Anke Boll
Anke und ihr Indianer …
Etwas über ein Jahr ist es nun her, dass ich mich in dich verliebt und vom Fleck weg „geheiratet“ habe. Dein schwarzmatter Körper und die schnörkellose Kontur hat meinen Blick eingefangen und mein Herz erobert. Der Kopf sagte nein, deine Intruder 1500 ist doch auch so schön und nach vielen Modifikationen auch jetzt genau richtig. Und der Preis erst mal, dafür kann man sich schon einen Mittelklassewagen kaufen. Versicherung und Steuer werden auch teurer, lass das mal lieber …
Aber wo die Liebe hinfällt, da gibt es keine Vernunft und ich bin gerne unvernünftig.
Ich bin schon viele Motorräder gefahren, besonders auf meinen Motorradtouren in Amerika und Australien, aber es waren immer Harley-Davidson. Die erste war eine Road King, das war nach meiner damaligen Intruder 800 schon ein Brocken, aber wie bei allen Motorrädern gilt: wenn sie rollen, dann rollen sie. Die Heritage Softail fand ich mega gemütlich und die Sportster mega ungemütlich. Irgendwann landete ich auf der Harley-Davidson Street Glide und habe seitdem immer diese ausgewählt. Sie fährt sich leicht, ist als Cruiser und Tourer gleichermaßen unterwegs und nimmt die Kurven wie meine Yamaha 1100 aus den Anfängen meiner Motorradkarriere.Die Chieftain, die auf dem ersten Blick der Street Glide ähnelt, hat aber bis auf den cooleren Namen „Indian“ noch weitere gute Unterschiede. Einmal die Fahrmodi: man kann aus drei auswählen Tour, Standard und Sport – damit kann man cruisen, touren und auch recht sportlich unterwegs sein. Aber Achtung, bei Sport leert sich der Tank recht schnell und die sonst verbrauchten 5,7 Liter auf 100 km werden fix überschritten.
Für mich auch ganz entscheidend und praktisch: der Leerlauf geht sofort butterweich rein, meine Kupplungshand ist dankbar dafür. Bei Harley ist es für mich oft ein Krampf und im Stau möchte man damit nicht stehen.
Auch eine super Sache ist die ECU (engl. Engine Control Unit = Motorsteuergerät), bei einer Umgebungstemperatur von 59 Grad und Betriebstemperatur schaltet der hintere Zylinder ab und ich habe an der Ampel nicht mehr das Gefühl, mein Oberschenkel stände in Flammen. Bei Harley gibt es das auch aber da spielt nur die Betriebstemperatur des Motors eine Rolle und bis die Abschaltung erfolgt, hat man fast schon Brandblasen am Bein.
Bei schlechterem Wetter oder Autobahnfahrten finde ich es angenehm, das elektrische Windschild hochfahren zu können.
Auch wenn ich mit der Street Glide schon gern kurvige Strecken gefahren bin, merke ich tatsächlich bei der Chieftain eine noch leichtere Handhabung durch den geringeren Wendekreis.
Was ich auf den langen geraden Straßen Amerikas zu schätzen gelernt habe, ist Mucke an Bord. Ohne wird man dösig und da ich nicht sehr musikalisch bin reichte mein „lalala“ unterm Helm nicht, um mich wach zu halten. Auch die Chieftain punktet mit einem guten Entertainment-Display mit allem SchnickSchnack und gutem Sound.
Für uns Ladys nicht ganz unwichtig: der Stauraum in den Koffern ist großzügig und es passt etwas mehr rein als bei der Harley, die man auch im Gegensatz zur Chieftain, immer mit dem Schlüssel öffnen und verschließen muss. Bei der Chieftain ist eine Zentralverrieglung eingebaut.
Nun kommen wir zum Gewicht: die fast 400 kg sind natürlich „für Frau“ aber auch für so manchen Mann eine Herausforderung beim Rangieren. Am Anfang, als meine Dark Horse noch brandneu war, schob sie sich schon etwas schwer, aber nachdem sie nun knapp 8000 km hinter sich hat rollt sie schön leicht und ich habe keine Schwierigkeiten sie zu bewegen. Wie gesagt, wenn sie rollen, dann rollen sie. Sicher, ich und auch viele Männer, können sie nicht mehr halten, wenn sie erst mal kippt und über den Punkt drüber ist, aber dafür gibt es ja die Sturzbügel und zum Abstellen suche ich mir schon immer einen geeigneten Untergrund.
Was mich etwas geärgert hat bei dem Preis ist, dass der Scheinwerfer nicht heller ist als ein Teelicht – möchte man etwas sehen, darf man sich gern für über 500 Euro einen Besseren kaufen.
Und alles in Mattschwarz, mit dunklen Blinkern hinten aber vorne die orangen Schalen, so was passt absolut nicht. Also auch da habe ich noch etwas investiert und dunkle angebaut.
Ich bevorzuge ein Bremspedal, was leider nicht dran war. Den Miniknubbel muss man beim Bremsen erst mal finden, genauso auch beim Schalthebel. Also Bremspedal dazu gekauft und den längeren Schalthebel. Man hätte auch eine Schaltwippe nehmen können aber damit bin ich noch nie klargekommen.
Ein absolutes Muss für mich: einen neuen Indianerkopf mit Beleuchtung, dem ich dann auch noch einen Häuptlingsschmuck aufsetze – etwas Auffälliges wollte ich dann doch haben.
Ach ja und das ABS – cool, meine Trude hatte das ja nicht und ich war doch erstaunt wie viel sicherer es damit ist. Hab schon so manche Vollbremsung hingelegt, was die Trude mit einem kecken Arschwackeln ausglich, die Chieftain bleibt da ganz souverän in der Spur.
Anmerk. d. Red.: Anke führt die Firma Wildwest Motorradreisen, die nicht nur USA-Touren im Programm hat. Ab 2021 werden u.a. auch geführte Reisen auf Indian-Motorrädern in Andalusien/Spanien und Griechenland angeboten. Infos gibt’s online unter www.wildwest-motorradreisen.de oder Telefon 0176-56413472.
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