aus bma 06/09
Text: Jens Möller
Fotos: Stefanie Töllner
Auf den Matsch-Geschmack gekommen…
Es war irgendwann in diesem Frühjahr. Der Körper hatte sich schon mental auf die damit verbundenen Gefühle eingestellt, doch das scherte das Wetter nur wenig. Trübsal war angesagt, so grau wie der Wolkenschleier am Himmel. Gute Gründe also, sich zum wiederholten Male in seine Stammkneipe zu setzen. Nach ein paar Bier, mit dem Nachbarn am Tresen innerhalb der letzten zwei Stunden das Leben ausgetauscht, seins und meins. Morgen würde da am Tresen jemand anderes sitzen, wenn sich nichts ändern würde, bliebe es also erneut beim Schweigen ins Bierglas nach den redseligen zwei Stunden…
Mein Handy klingelt. Dran ist mein Kumpel Jörg aus Rotenburg. Der Jörg, der sich dort als formidabler Schrauber und Husaberg-Vertragshändler enduroX, Tel. 04261/6826, sein Leben so angenehm wie möglich macht. Und weil er davon spontan etwas teilen möchte, soll ich mal bei ihm vorbei gucken. Die neuen Enduro-Modelle von Husaberg, die FE 450 und die FE 570, ständen nun schon seit geraumer Zeit bei ihm, und die FE 450 würde sich doch nun wirklich mal für einen Fahrbericht der örtlichen Presse anbieten.
Über soviel Zutrauen und Rücksichtnahme bin ich natürlich erst einmal sprachlos. Nachdem ich mir noch einen letzten Schluck aus der Bierflasche gönne, werfe ich ein, dass mir das Thema Enduro nicht sonderlich liegen würde. Meine ganze Erfahrung auf unbefestigtem Untergrund rührt von leichten Sandkastenspielen mit einer großen Pseudo-Enduro von BMW her, was mein Vertrauen in die Fortbewegung auf unbefestigtem Terrain nicht wirklich gesteigert hat. Schlicht gesprochen könnte man auch einfach sagen, dass mir beim Gedanken an einen Fahrbericht mit der Husaberg FE 450 gehörig der Stift ging, so viele frische Unterhosen kann ich dafür gar nicht einpacken.
Jörg lässt aber nicht locker, und da die Fähigkeit „Nein“ zu sagen auch nicht zu meinen Stärken gehört, bin ich samt Fotografin ein paar Tage später bei ihm in Rotenburg. Wir einigen uns vorher noch darauf, die Husaberg als puren Gebrauchsgegenstand zu sehen, weshalb Fahrzeugschäden als Abnutzung von Eigentümer bedingungslos akzeptiert werden. Meine eigene Gesundheit werfe ich wagemutig selbst in diese Waagschale. Und ob Jörg wirklich zu seinem Wort gestanden hätte, will ich dann doch lieber nicht wissen, es ist schließlich ja alles gut gegangen.
Damit ich endlich den satten Schlag des Einzylinders mit der untypischen 70 Grad-Neigung erfahren darf, geht es aber zunächst in den Transporter und ab in die Randgebiete von Rotenburg. Irgendwo im Nirgendwo angekommen lädt Jörg die etwa 120 Kilogramm leichte Enduro aus dem Bulli, zeigt mir den Pfad, auf dem ich fahren soll und verabschiedet sich mitsamt dem Fotografen in den Wald. Ein flüchtiger Blick auf den zugewiesenen Pfad offenbart eine Spurbreite von etwa 15 Zentimetern, offenes Wurzelwerk und feuchten Matsch. Äh, Jörg, können wir den Weg noch mal überdenken… Zu spät, der ist außerhalb der Hörweite, und ich habe die Hose schon voll, bevor ich nur einen Meter gefahren bin. Also los jetzt, Mut und Gas. Sanft, wirklich supersanft, schiebt der 449,3 ccm große und auf 11,8:1 verdichtete Motor mit Einspritzanlage vorwärts. Und das, obwohl hier die ungezügelten knapp 50 Pferde antreten, die sich mit sanften Eingriffen ins Mapping der Einspritzanlage finden lassen. Doch dazu später mehr.
Nach wenigen Sekunden ist der Baumwurzel-übersäte Abschnitt geschafft, Moped heile und Tester glücklich. Irgendwie war das gar nicht so schwer, was den Mut für weitere Taten noch steigert. Leicht lassen sich sanfte Hänge erklimmen, immer mit genug Schub am 18 Zoll großen 140er-Hinterrad, auch gewährleistet durch die leichtgängige und wohldosierbare Kupplung, deren Griff sogar gegen Sturzeinwirkungen klappbar ausgeführt ist. Was folgt ist eine gute Stunde enduromäßiger Fortbewegung, zwar auf Novizen-Niveau, aber absolut stressfrei, zumindest im negativen Sinn. Denn positiv gesprochen rinnt während dieser Stunde ein Schweißbach aus allen Körperporen, die Endurobrille beschlägt dauernd und die Arme werden immer länger. Was daran so Positiv ist? Der Weg zu diesem Zustand, denn er gestaltet sich auf der Husaberg FE 450 so leicht wie fast nur möglich, so fehlerverzeihend wie man es sich wünscht, ohne dabei irgendwie weichgespült oder inkonsequent zu wirken.
Einen Gutteil trägt dazu der Motor bei. Wie beschrieben um 70 Grad nach vorn geneigt, soll er für gerade Ansaugwege und eine Kurbelwelle möglichst nah am Fahrzeugschwerpunkt sorgen. Das macht das Handling leichter, verbessert aber auch gleichzeitig die Fahrzeugstabilität. Und es wirkt. Auch wenn der direkte Vergleich mit anderen Modellen hier jetzt fehlt, präsentiert sich die Husaberg sehr ausgewogen, dynamisch, fahraktiv und dennoch leicht zu beherrschen.
Daran hat auch das Fahrwerk der Husaberg einen großen Anteil. So verwöhnen vorne 300 mm Federweg, während es hinten sogar 335 mm sind. Dass dabei auf hochwertige Ware von WP zurückgegriffen wird, verwundert nicht, wenn man sich vor Augen führt, das Husaberg zum KTM-Konzern gehört, genau wie eben auch WP. So ziert die Schwinge auch das KTM-typische PDS-Federbein, was für eine direkte Anlenkung steht. Das spart bewegte Teile und Fahrzeugmasse, macht die Abstimmung des Federbeins aber oft schwerer, da die Progression des Federbeins ebenfalls über die Feder und nicht über die Umlenkung erfolgen muss. Husaberg hat diese Problematik dadurch gelöst, dass die Federelemente eher weich und sanft ansprechen, so viel Komfort beim Fahren bieten und locker für 90% aller Endurobelange reichen. Positiver Effekt auch hier: Es keilt nichts aus, der Grip ist einwandfrei und das Motorrad lässt sich sehr leicht händeln, auch in verzwickten Situationen, bleibt selbst bei fahrerischer Gewalt aufgrund von Nichtkönnen überaus lässig, wie ein guter Freund. Das alles summiert sich wieder zum bereits erwähnten, stressfreien Fahren, was den Kopf für die Spurwahl und die Bremspunkte frei macht.
Wenn es mit der Spur nicht geklappt hat, ist das auch kein Problem. Einfach eine Hand in die Griffmulde des aus Polyethylen gefertigten Hecks gelegt, und die Fuhre so rumgewuppt. Richtig gelesen, das Heck ist gänzlich aus Kunststoff, dabei stabil, leicht und fast nicht kaputt zu bekommen, ergo ideal für einen Enduroeinsatz. Dieser Maxime folgt die Husaberg FE 450 auch noch an weiteren Stellen. So ist die Sitzbank leicht abgenommen, der Luftfilterwechsel gelingt ohne Werkzeug, das ganze Motorrad ist überaus schrauberfreundlich und hochwertig aufgebaut. Beispiele gefällig? So zieren die Husaberg neben dem Fahrwerk von WP edle Armaturen von Magura, der Lenker ist auch von der gleichen Firma, und gestartet wird ausschließlich über einen E-Starter. Zuverlässig und Körperenergie-sparend, wer will schon vollgeschwitzt Totpunkte suchen und hektisch auf Kicker treten?
Das alles macht den Preis der FE 450 natürlich nicht günstiger, aber wertiger. So nimmt man doch umso lieber in 985 mm Sitzhöhe Platz und freut sich über das gelungene Sitz-Arangement, das schon fast an Honda-Tugenden erinnert: Hier fühlt sich jeder sofort wohl, das passt für alle.
Husaberg ist bei den FE 450/570-Modellen aber noch einen Schritt weiter gegangen. Die Ausrüstung der beiden Kräder mit einer Einspritzung ist nicht gerade klassenüblich, verdient aber ob ihrer gelungenen Funktion schon mal ein Lob. Besonders wenn man, wie Jörg, dann seinen Blau/Gelben-Elektronik-Kasten herausholt und über die serienmäßige Schnittstelle Einfluss auf das Mapping nehmen kann. Klar fällt so etwas unter Manipulation, doch soll an dieser Stelle auch nur die Möglichkeiten aufgezeigt werden, die so etwas bietet, beispielsweise bei der Auslesung des Fehlerspeichers oder bei der Einstellung auf verschiedene Streckencharakteristiken im Endurobetrieb. Und das, ohne sich groß die Hände schmutzig zu machen oder sich dann doch wieder die Pianistenhände für den Vergaserausbau zu wünschen. Dass man mit KTM eine starke Kraft im Rücken hat, mag diese durchaus mutige Entwicklung bestärkt haben, mutig ist sie in der Konsequenz aber allemal, da auch das aktuelle Programm von Husaberg auf eben jene beiden Modelle gekürzt wurde.
Bleibt am Ende also nur der Hut, den man vor Husaberg und der Entwicklung der FE 450 ziehen muss. Im Gegensatz zum steten Motto: Hier ein paar Gramm weniger, dort den Rahmen etwas stabiler, hier etwas mehr Kraft, wie es im Endurosport durchaus üblich ist, hat Husaberg mal fast alles gewagt und fast alles gewonnen. Zumindest für den Lust-Endurofahrer, für den die Stunde Toben im Wald oder auf Wiesen ein kleines Wochenhighlight bedeutet, der aus Spaß gefordert aber nicht überfordert werden will, der aktuelle Technik schätzt, auch wenn sie im Fall der Husaberg FE 450 mit 9.095 Euro kein Sonderangebot darstellt, aber sie als Ergänzung und Erleichterung des Fahrens sieht und nicht als Beschränkung des eigenen Könnens. Aber was red` ich. Probieren Sie es doch einfach mal aus, nur mal so `ne Stunde im Wald auf Stollen fahren. Ich jedenfalls hab schon länger keine Kneipe mehr von innen gesehen, dafür ist meine Lebensgeschichte aber auch deutlich länger geworden. Und so schlecht schmeckt Dreck gar nicht…
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Husaberg FE 450 (Mod. 2009)”
BOSS
Hi, hatte eigentlich nach Einträgen zu meiner Person gesucht. Jetzt bin ich hier gelandet. Ich bin die letzten 30 Jahre begeisterter Moped-Fahrer (früher Harley- dann diverse andere- jetzt Kawa) und empfinde einen fehlenden Kickstarter als Manko. Mopedfahrer, die den ADAC anrufen müssen, sind arme Pfannen. Passt aber ganz gut zu Moped-Clubs die aus Anwälten und Ärzten bestehen.