Horex Regina
Horex Regina – der Name geht jedem Klassik-Fan runter wie Öl. Winni Scheibe stellt uns die faszinierende Baureihe vor…

aus bma 10/09

von Winni Scheibe (www.winni-scheibe.com)

Horex ReginaMit der SB 35 hatte Horex ein heißes Eisen im Feuer. Das war allerdings 1938, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Nach 1945 sah die Welt jedoch ganz anders aus. Aus der Not machte das Werk in Bad Homburg eine Tugend und entwickelte aus dem Vorkriegsmodell die 350er Regina. Eine Maschine, die 1950 zum Traummotorrad und wenig später sogar zum Bestseller werden sollte.

Der Name Horex war bereits seit 1923 bekannt. Die Viertakt-Maschinen vom Firmenchef Fritz Kleemann aus Bad Homburg am Fuße des Taunus genossen einen guten Ruf, waren solide verarbeitet und ausgesprochen zuverlässig. Chefkonstrukteur war der talentierte Ingenieur Herrmann Reeb. Gemeinsam mit dem nicht weniger genialen Konstrukteur Richard Küchen hatte er noch kurz vor Kriegsausbruch einen 350er Einzylinder-ohv-Blockmotor entwickelt. Als Einbaumotor lieferten die Bad Homburger das Triebwerk nach Nürnberg ins Victoria-Werk für das KR 35-Modell und ab 1938 gab es von Horex die SB 35, das „SB” stand für „Sport-Block”. Dass ausgerechnet dieses Modell zwölf Jahre später Urahne der erfolgreichen Regina-Baureihe werden sollte, ahnte damals natürlich noch niemand. Im und kurz nach dem Krieg hatte man genügend andere Sorgen. Und so ist es leicht verständlich, dass nach der Erlaubnis zur Wiederaufnahme der Motorradproduktion 1948 genau diese Maschine zunächst auf Band gelegt wurde. An die Planung oder gar Entwicklung neuer Modelle war so schnell noch nicht zu denken. Lediglich einige Neuerungen bekam die SB 35 spendiert. Zum Beispiel saß der Tachometer nun direkt im Lampengehäuse. In Westdeutschland war Ende 1948 Horex die erste Firma, die für rund 1800 Mark eine 350er Maschine anbieten konnte. In der damaligen Zeit allerdings ein teurer Spaß, doch wirtschaftlich ging es in Deutschland schon bald rasant bergauf. Es gab wieder Arbeit und es wurde Geld verdient. In den meisten Fällen brauchten die Leute jedoch ein Motorrad, um überhaupt an die Arbeit zu kommen. Ein Auto konnten sich die Wenigsten leisten, auch gab es davon noch viel zu wenige. Über eine rege Nachfrage brauchte sich Fritz Kleemann also nicht zu beschweren. In den folgenden zwei Jahren konnte der Hesse immerhin weit über 1000 Einheiten vom SB 35 Modell verkaufen.

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Horex ReginaJedoch noch lange kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Bereits Anfang 1949 begann die Entwicklung eines neuen Motorrades. Ende 1949 war es so weit. Horex stellte die 350er Regina vor. Eine wunderschöne Einzylinder-Maschine mit moderner Teleskop-Federgabel, Geradweg-Hinterradfederung, Vollnabenbremsen, verchromtem Tank und ebenfalls zwei verchromten Schalldämpfern. Richtig neu waren im Prinzip allerdings nur die Komponenten ums Fahrgestell, der gemuffte und hartgelötete Einrohr-Hauptrahmen war ein alter Bekannter vom SB 35-Modell. In der neu entwickelten, hydraulisch gedämpften Teleskopgabel mit Alu-Tauchrohren steckten pro Holm zwei Federn, 150 ccm Gabelöl übernahmen die Dämpfung. Gelagert war sie in Rillenlager, obere und untere Gabelbrücke waren polierte Aluminium-Schmiedeteile. Die Konstruktionszeichnungen für die Hirafe (Hinterradfederung), auch Geradwegfederung genannt, hatte Herrmann Reeb bereits vor dem Zweiten Weltkrieg in der Schublade liegen, doch aus Kostengründen und vielleicht auch aus ideologischen Überlegungen ließ sich seine Idee nicht umsetzen. Viele Fachleute waren sich damals noch einig, dass ein gefedertes Hinterrad für die Straßenlage keine Verbesserung bringen würde. Für die Regina konnte Chefkonstrukteur Reeb die Hinterradfederung aus geschmiedeten und polierten Aluminiumbauteilen, jedoch ohne Dämpfersystem, nun verwirklichen. Für die Aufnahme der von BMW als Lizenznachbau übernommenen Geradwegfederung musste jedoch ein neues, mit dem Hauptrahmen verschraubtes, Heckteil konstruiert werden. Diese Ausführung war allerdings so ausgelegt, dass sich die SB 35 mit dem neuen Federungssystem nachrüsten ließ. Fast schon zum Standard der damaligen Motorradtechnik gehörte eine vollgekapselte Antriebskette. Die Kettenschmiere hatte daher keine Chance, die Bekleidung der Passagiere oder das Hinterrad zu verschmutzen.

Eine echte Sensation waren die Leichtmetall-Vollnabenbremsen mit jeweils 150 mm Durchmesser, die man eigentlich nur von Rennmaschinen her kannte. Eingespeicht waren die Laufräder in verchromte Stahlfelgen, denen man als Blickfang einen mit weißem Rand eingefassten roten Innenstreifen spendiert hatte. Für Ästheten unter den Motorrad-Fans war diese Ausführung die Show schlechthin, es sah einfach verdammt edel aus. Die gleiche Mühe hatte man sich auch beim Kraftstofftank gegeben. Auf das verchromte Spritfass waren dezent beidseitig Zierstreifen von Hand liniert, im Vorderfeld prangte „königlich” die Horex-Plakette. Im Mittelteil saß das Kniegummi und auf dem Tankrücken war ein mit weißem Rand eingefasstes rotes Feld lackiert. Auf Wunsch war auch Schwarz mit Gold als Einfassung lieferbar.

Bei der Antriebseinheit blieb es dagegen beim Bewährten, nur wenig verändert hatten die Techniker es vom Vorgängermodell SB 35 übernommen. Schließlich handelte es sich um einen ausgereiften und zuverlässigen Langhuber. Aus 69 mm für die Bohrung und 91,5 mm für den Hub ergaben sich exakt 342 Kubikzentimeter Hubraum, den 6,35:1 verdichteten Eintopf gab man mit 15 PS bei 3500 U/min für die Dauerleistung und 18 PS bei 5000 U/min für kurzzeitige Höchstleistung an. Weiterhin wurden Zylinder und Zylinderkopf aus Grauguss gefertigt. Die Steuerung der untenliegenden Nockenwelle erledigte eine über Federschuh gespannte Steuerkette, die gebaute Kurbelwelle war zusammengeschraubt, die Lagerung erfolgte linksseitig in zwei Horex-Rollenlagern und rechts in einem DIN-Kugellager. Entgegen vielfach üblicher Bauweise, das Getriebe hinter dem Motor anzuflanschen, war bei der SB 35 und natürlich auch bei der neuen Regina Motor und Getriebe in einem Block untergebracht. Falls das Vierganggetriebe aber mal kaputt gehen sollte, ließ es sich selbst bei eingebautem Motor herausnehmen und reparieren. Um dies zu ermöglichen, war der vertikal geteilte Motorblock viergeteilt, zwischen dem linken Kurbelgehäuse und dem Primärdeckel befand sich ein zusätzliches Zwischengehäuse. Den Primärantrieb übernahm eine Simplexkette, für die Kraftübertragung zum Schaltgetriebe sorgte eine Kork-Lamellen-Kupplung. Ganz anders als beim SB 35-Motor lag bei der Regina die Schaltung nun auf der rechten Seite. Aktiviert wurde der Gangwechsel über eine Schaltwippe. Zum Einlegen des ersten Ganges sowie zum Runterschalten wurde hinten auf die Wippe getreten, zum Hochschalten musste man mit der Stiefelspitze vorne auf die Schaltwippe drücken. Warum die Schaltung plötzlich auf die rechte Seite gewandert war, ließ sich leicht erklären. Firmenchef Fritz Kleemann wollte die Regina schließlich im Inland und im Ausland verkaufen. Und da weltweit englische Bikes (ihr Schalthebel befand sich schon seit eh und je auf der rechten Seite) die Nase vorn hatten, wußte natürlich jeder und erwartete dies auch, dass rechts geschaltet wurde. Das Zeug für einen Verkaufsrenner hatte die Regina. Im Fahrbetrieb überzeugte sie durch eine gute Straßenlage, tadellose Bremsen, durchzugstarken sowie kräftigen Motor.

Horex ReginaMitverantwortlich für den tollen Erfolg waren sicherlich aber auch die sportlichen Ergebnisse. Bestes Pferd im Horex-Rennstall war zweifellos Friedel Schön. Der talentierte Rennfahrer war „Meister in allen Klassen”. Er wurde mit der Renn-Regina deutscher Zementbahnmeister, auf der Straße und im Gelände holte Friedel Schön 1950 insgesamt 28 Goldmedaillen. Im Herbst 1951 präsentierten die Bad Homburger auf der IFMA die 500er „Imperator”. Eine moderne Zweizylinder-Maschine mit obenliegender Nockenwelle und 30 PS, die allerdings so nie in Serie gehen sollte. Erst 1954 brachte das Werk die 26 PS starke Imperator mit 400 Kubik auf den Markt, doch das ist wiederum eine ganz andere Geschichte. Gleich neben dem 500er Prototyp von 1951 stand auf dem Podest die 350er Regina Sport und die lief tatsächlich ab Anfang 1952 bis Ende des Jahres vom Band. Die Horex-Leute bezeichneten die Sport als „verbessertes Serienmodell, entwickelt aus der Serie-Regina für besondere Ansprüche”. Und das bedeutete zunächst mehr Leistung. Als erste Regina erhielt die Sport einen neu entwickelten Aluminium-Zylinderkopf mit Einport-Auspuffsystem rechts. Den Vollschaft-Kolben lieferte Mahle, die Verdichtung hatte man auf 7:1 erhöht, die Gemischaufbereitung erledigte ein 27er Amal-Pumpenvergaser. Das Ergebnis des Motortunings konnte sich sehen lassen, der Single leistete 20 PS bei 6000 U/min. Aber auch optisch und in der Ausstattung machte die Sport richtig was her. Der Dampfhammer war in „Fisch-Silber-Grau” lackiert, Kickstarter, Fußbremshebel, Schaltwippe, Kupplungshebel am Getriebe und die Sattelfeder waren verchromt, serienmäßig waren der Aluminium-Lenker und das „Rennkissen” hinter dem Schwingsattel. Auf Wunsch konnte man die Sport jedoch auch in schwarz bekommen, als Sonderausstattung gab es Leichtmetallfelgen und eine Zwei-Personensitzbank. Gegenüber dem 115 km/h schnellen und 1975 Mark teuren Standardmodell war die Sport gut zehn Sachen schneller und der Aufpreis betrug 275 Mark. Wer seine Regina nachträglich frisieren wollte, konnte den Sport-Umbausatz für 440 Mark beim Horex-Händler bestellen.

Horex ReginaDer Verkaufserfolg für die Regina war weiterhin gestiegen. Monatlich produzierte das Horex-Columbus-Werk, wie sich die Firma bis 1952 nannte, mittlerweile 1200 Maschinen. Für 1951 bedeutete das einen Ausstoß von insgesamt 14.400 Motorrädern und somit war die Regina die meist gebaute 350er überhaupt! Trotzdem. Zur Hauptaufgabe Hermann Reebs gehörte die ständige Verbesserung „seiner Regina”. Dazu zählte aber nicht nur der Motor sondern auch das Fahrwerk. Bleiben wir zunächst beim Triebwerk. Anstelle einer Kette übernahmen nun schrägverzahnte Leichtmetallzahnräder die Steuerung der Nockenwelle. Die Simplexkette für den Primärantrieb wurde gegen eine Duplexkette ausgetauscht und im gleichen Aufwasch verzichtete Reeb auf das Zwischengehäuse hinter dem Primärdeckel. Zwar ließ sich das Getriebe nun nicht mehr bei eingebautem Motor herausnehmen, dafür vereinfachte sich die Herstellung und Bearbeitung der jetzt nur noch drei Motorgehäusen. Bisher war eine Kork-Lamellen-Kupplung für die Kraftübertragung zuständig, sie war nach längerer Standzeit fürs Festkleben bekannt und unter Extrembedingungen konnte es auch passieren, dass die Kork-Beläge zum Quellen neigten, was das Auskuppeln erschwerte. Ab der „Regina 1” wurde eine Jurid-Lamellen-Kupplung verwendet, was den Ärger ein für allemal beendete.

Beim Fahrwerk hatte man noch größeren Aufwand getrieben. Der Einrohrrahmen wurde verstärkt, der Steuerkopf stand erheblich steiler wodurch sich der Nachlauf von 110 auf 75 mm und der Radstand von 1435 auf 1390 mm verringerte. Ein weiterer Punkt zur besseren Handlichkeit war die neue Teleskopgabel mit nur noch einer Feder pro Holm sowie ein geändertes Dämpfersystem. Ebenfalls neu waren Gabelbrücken, Lampenhalterung, Kupplungs- und Handbremshebelhalterung aus Aluminium sowie der 18 Liter „Büffeltank”. Um den Regina-Fahrer auch bei Schmuddelwetter besser zu schützen, wurden vorderer und hinterer Kotflügel jeweils rechts und links mit einem zusätzlichen Spritzschutz versehen. Die Modifikationen kamen an und stolz verkündete das Werk 1952, dass alle sieben Minuten eine Regina vom Band laufe. Auf die Monatsproduktion bedeutete das 1700 Maschinen und für das ganze Jahr 20.400 Motorräder. Gut 25 Prozent der „Regina 1”, wie das neue Modell nun hieß, gingen als Exportmaschinen in nicht weniger als 59 Länder.

Horex ReginaBei uns verstanden viele Horex-Kunden plötzlich die Welt aber nicht mehr. Man rannte den Händlern die Türen ein, doch bis die Kaufleute in Bad Homburg es endlich geschnallt hatten, verging weit über ein Jahr. Erst spät im Sommer 1953 stand die „Regina 2” auch in Deutschland im Laden. Dafür war das Modell gründlich überarbeitet worden. Herausragende Merkmale waren der Aluminium-Zylinderkopf mit Einportsystem links, die Aluminium-Hochschulterfelgen sowie die neuen seitlich tief heruntergezogenen Schutzbleche. Ohne nennenswerte Änderungen blieb die „Regina 2” bis zum Produktionsende 1956 im Programm. Als „Standard-Modell” bezeichnete Horex die „Regina 250 V”, wobei es sich im Prinzip nur um eine günstige, um nicht billigere zu sagen, „Regina 2” handelte. Durch Verzicht auf luxuriöse Ausstattung und Sonderlackierung ließ sich die „Regina 250 V” von 1955 bis 1956 zu einem attraktiven Preis anbieten.

In der Regina-Baureihe war die 400er die größte und auch ausgereifteste Maschine. Doch alle Anstrengungen, die Horex in das Motorrad gesteckt hatte, waren vergeblich. Es nutzte auch nicht mehr viel, dass ab Anfang 1954 die „Regina 2” und die „Regina 3” mit dem neuen „runden” Motorgehäuse sowie dem geänderten Kurbeltrieb ausgestattet wurden. Bereits ab 1953 war der Motorradverkauf stark rückläufig. Konnte Horex 1953 noch 17.500 Reginas an den Mann bringen, ließen sich 1954 nur noch 12.500 Maschinen absetzen.

Zahlen und Fakten:
Als 1950 die 350er Regina auf den Markt kam, machte man sich zunächst noch keine Gedanken über die Bezeichnung der Nachfolgemodelle. Betriebsintern nannte man 1952 die zweite Generation Regina 2. Doch als die 250er da war, die offiziell als „Regina 2“ bezeichnet wurde, änderte man nachträglich die Zuordnung. Die 350er „Ur-Regina“ wurde in „Regina 0“ umbenannt, das 350er Folgemodell in „Regina 01“, die 250er in „Regina 02“, und als die 350er Regina den Alu-Zylinderkopf bekam, begann die Baureihe „Regina 03“. Fast zeitgleich kam die 400er Regina auf den Markt, sie erhielt die Bezeichnung „Regina 06“. Soweit so gut. In der Horex-Modellübersicht und in den Prospekten sieht es jedoch etwas anders aus. Die erste ist die „Regina“, das Folgemodell die „Regina 1“, die 250er Baureihe wird von Anfang bis Ende mit „Regina 2“ bezeichnet, die 350er mit Alu-Kopf ist die „Regina 3“ und zu guter Letzt die 400er ist die „Regina 4“. Alles klar?!

Produktionszahlen:
1950: 8.400 im Jahr
1951: 14.400 im Jahr
1952: 20.400 im Jahr
1953: 17.500 im Jahr
1954: 12.500 im Jahr
1955: 7.000 im Jahr
1956: 2.500 im Jahr

Szene:
Die „Horex-Sternfahrt“ gibt es seit 1955, sie wird ohne Unterbrechung jedes Jahr ausgerichtet. Horexfahrer sind in fast 20 Horex-Clubs organisiert. Mit Literatur über die Regina-Baureihe wird der Horex-Fan nicht gerade überschwemmt. Dafür gibt es vom Horex-Spezialisten Klaus-Jörg Habermann, Dorfstraße 19, 54587 Birgel, die beiden Stammwerke „Der Dampfhammer“ Teil 1 und 2.

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