Tausche gebrauchte Pan European gegen neue Trans Alp. Wie konnte es dazu kommen und wie kann man das verschmerzen? Helmut hat die Abrüstung gewagt. Fazit: Fahrspaß hängt eher an der eigenen Einstellung als an Messwerten….
aus bma 8/13
von Helmut Grigull

Beides hat (vorgeblich) mit tugendhafter Vernunft zu tun und steht somit schon im Gegensatz zum Motorradfahren überhaupt. Dittsche würde sagen: Gesundschrumpfen ist das Zauberwort. Sind wir nicht alle etwas dittsche?
Da steht sie nun. Erster Eindruck: Wenig spektakulär, eher unauffällig, hoch, schmal. Zubehör: Ein Original-Kofferset, welches den Popo noch erträglich rundet. Um Himmelswillen keine Alukästen, die, mögen sie auch noch so praktisch sein, jedem Moped das Image einer mobilen Aktenvernichtungstonne verpassen. Ebenfalls aus Abscheu: Kein Topcase. Mit Zähneknirschen: Eine lange Scheibe in Form eines überdimensionalen Schuhlöffels, nicht wirklich hübsch, praktisch eben. Habe ich die Scheibe noch erfeilschen können, so hat es für den Hauptständer nicht mehr gereicht.
Zweiter Eindruck: Ernüchternd schlichte Spiegel wie am Kinderrad, zur Versöhnung durchaus schöne Speichenräder. Die Radabdeckungen aus Plastik, ein wenig Chrom am Auspuff. Praktische Windabweiser für die Griffel und ein unpraktisch geformter Tank. Da kann ich den alten Tankrucksack gleich vergessen, und so wie das Ding geformt ist, wird auch kein anderer darauf halten.
Bleiben wir beim Tank: Kryptische Positionsdaten. Mal eben bei Gurgel Earth nachgeforscht: Hm, mitten in den französischen Alpen. Was hat dieses Krad mit Gebirge zu tun? Gelegentlich wurden in einsamen Bergen griechische Götter aufbewahrt. Und biblische Gesetzestafeln. Aber Motorräder? Das Kind musste halt einfach einen Namen haben. Ötzikrad wäre in der Tat nicht Umsatz fördernd. Dann schon besser ein alpines ‘uvre suggerieren.
Sicher bin ich bloß ein Banause, denn warum sonst habe ich meine Pan abgestoßen und dafür dieses Vehikel angeschafft. Ein Schritt, den ich nicht rechtfertigen kann/will. Muss man sich für dieses Moped entschuldigen? Klares Nein! Sieht ja auch mittlerweile gefälliger aus. Hat ja nun auch ein paar PS mehr, ein bisschen Verkleidung, ein bisschen Koffer, ein bisschen hier und da. Eben von allem die Hälfte. Gottlob auch weniger Gewicht, und das war der Knackpunkt. Endlich mal wieder wendig sein, sorglos Bordsteine ab- und Schlaglöcher durchpoltern, etwas Fahrtwind spüren, auch dort einparken können, wo es vorwärts nicht raus geht; weniger Langstrecken-Dampferkapitän, mehr Kurztrip-Citydurchmogler. Im Alter wird man halt komisch.
Schreiten wir zur Tat. Wie immer bei Honda: Einmal mit dem Zündschlüssel winken und sie springt an. Leider auch wie immer bei Honda: Dieser Zündschlüssel ist ein scharfkantiges, Hosentaschen zerfetzendes Unding in waffentauglicher Länge mit Chance auf Selbstkastration beim Hinsetzen. Um es komplett zu machen: für die Koffer ein Extraschlüssel, natürlich genau so ein Ungetüm und durch nichts vom Zündstichel zu unterscheiden. Das Licht ist sofort eingeschaltet, das schreit nach einem separaten Schalter. Gesagt – getan und gleich ein Paar Heizgriffe montiert; ich lebe in Norddeutschland, nicht in Kalifornien.
Sind wir also vollständig und machen uns auf die Piste. Wie gesagt in Niedersachsen. Das heißt, die Straßen werden seit Jahrzehnten nur notdürftig gepatchworked, sind also reichlich holperig. Dafür haben wir ja nun einen tüchtigen Federweg und stollenähnliche Reifen.
Das Fahrwerk vermittelt sofort Vertrauen, hält guten Straßenkontakt. Wer denkt, das Ding federt wie eine Ente, ist auf dem Holzweg. Im Gegenteil, von achtern werden gelegentlich Arschtritte im XL-Format ausgeteilt. Kurze, harte Asphaltwellen lassen einen geänderten Atemrhythmus und den Wunsch nach einem Sport-BH aufkommen. Uff! Nun ist der hintere Dämpfer verstellbar, irgendwann finde ich noch ein softeres Setup. Klappern tut dabei nix, alles schön solide. Auch kein böser Lärm. Die Akustik, ja die… Was kann man nicht alles hören: Das Schlurfen der Kette, das Rödeln der Reifen, und der Motor hält ein ganzes Mechanik-Orchester bereit. Je nach Drehzahl. Fängt an mit Bollern, was beim Anfahren in Hämmern übergeht. Wird ab 75°C Motortemperatur sanfter. Dann, ab 4500 U/min mehr Schnurren mit Vibrato und irgendwo muss ein Schnüffelstück stecken, ich höre es ganz klar schnüffeln.
Die Begeisterung für Drehzahl- und Drehmoment habe ich mit der Pan beim Händler abgegeben. Da habe ich meine Ansprüche abwärts korrigieren müssen. Doch es ist nicht solch ein Rückschritt, wie anfangs befürchtet. Jederzeit wird willig Gas angenommen und auch merkbar umgesetzt. Vibrationen, wie damals bei meiner Guzzi, die mir die Zeiger der Armbanduhr vom Zifferblatt geschüttelt haben, sind nicht zu spüren. Währenddessen entzieht die Einspritzung dem Tank durchschnittlich 5 Ltr/100 km.
Wer schon mal geflogen ist, weiß, was ruckfreie Beschleunigung ist. Ein Airbus erreicht locker 950 km/h ohne ein einziges Mal zu schalten. Da müssen wir hier mal realistisch bleiben, denn vorausschauende Schaltarbeit ist gefragt. Nur dann wird stets genug Schub angeboten, um sich als Motorradfahrer nicht genieren zu müssen. Untertouriges Umherbummeln im großen Gang mögen die zwei Puncher im Maschinenraum nicht. Enge Kehren müssen im Ersten gefahren werden.
Dafür darf anständig gedreht werden. Für einen Zweizylinder erfreulich willig und ruhig. Die bescheinigten 44 kW sollen bei 7750 U/min anliegen. Das liest sich recht zweitakttypisch und wird sicher auch funktionieren. In diese Regionen habe ich das Triebwerk jedoch nie getrieben. Erstens ist das im Alltag nicht nötig und zweitens befürchte ich für derart gehetzte Bauteile, zumindest auf Dauer, ein Schleudertrauma, sprich Angst vor spanabhebenden Vorgängen. Versprochen sind 170 km/h und die sind auch machbar. Ohne üppige Verkleidung empfinde ich 130 km/h schon als echte Geschwindigkeit, so ist der Gedanke an ausdauernde Autobahnfahrten schnell abgelegt.
An den wichtigen Bauteilen wie Getriebe, Kupplung, Bremsen brauche ich gar nicht lange herum zu mäkeln, denn da gibt es nichts zu kritisieren. Alles so, wie man es von Honda erwarten darf: problemlos und zuverlässig, einfach gut.
Dem Scheinwerfer entfleucht weniger Licht, als die Größe vermuten lässt. Eher ausreichend als ausleuchtend. Darin gibt eine H11-Leuchte ihr Bestes. Ob ich im Falle des Ausfalles unterwegs an einer Dorftankstelle nun gerade ein so exotisches Stück bekomme, scheint mir unsicher.
Die Instrumente zeigen die Drehzahl mittels Zeiger, die Geschwindigkeit als Zahl. Treibstoffanzeige in Form von Balkensymbolen. Dazu ein Thermometer für das Kühlmittel. Ab 103°C startet rechts unter dem Tank ein etwas größerer PC-Lüfter, der aber die nötige Temperaturabsenkung durchaus bewältigt. Allerhand Kilometerzählmethoden, mehr als nötig. Alles gut erkennbar. Die Sitzposition ist entspannt, der Platz auch für zwei, nicht allzu feiste Mitteleuropäer ausreichend.
Fahrer(innen), die gern schon mal eine dicke Kralle aufgrund schwerer Kupplung bekommen, haben hier mit dem erfreulich leichtgängigen Seilzug kein Problem. Dafür wird etwas Beinlänge gefordert, das Gefährt ist recht hochbeinig, dadurch wiederum kniefreundlich.
Als Transalpinist sollte man besser unbeschwert reisen. Das Koffervolumen ist durch den hochgezogenen Auspuff rechts stark begrenzt. Leider hat auch der linke Koffer eine platzraubende Aussparung. Wofür, ist mir noch nicht aufgegangen, bestenfalls thermische Gründe, oder als optisches Gleichgewicht. Einen Helm bekommt man nicht unter. Fächer oder Ablagen in der Kunststoffpelle gibt es nicht.
Wie schon bei der Pan, trifft mein Zorn wieder den Konstrukteur des Gepäckträgers. Schöne Handgriffe für die Sozia, aber als Verzurrhilfe eher stylisch als praktisch. Kratzempfindlich obendrein. Die erste Pan hatte unter der Sitzbank vorklappbare Haken. Da konnte man auf der unbesetzten Soziuspritsche seine Kutte prima mit Gummistrapsen festbändseln. Das war mal ‘ne Idee, wurde leider nicht fortgesetzt. Unterhalb der Sitzbank geht es zwangsläufig ebenfalls eng zu – muss man halt sein Vorzelt zu Hause lassen.
Wie gesagt, von allem die Hälfte. Auch vom Kaufpreis und in der Unterhaltung. Außer Benzin und einem Hinterreifen bei 6000 km habe ich in drei Jahren nichts ver- oder gebraucht. Kein Öl, kein gar nix.
Wer im Motorrad eine bezahlbare Ergänzung zum Auto sucht, darf hier sorglos zugreifen. Wer weniger Alltag und mehr Exklusivität auf zwei Rädern wünscht, muss sich an die dicken Dinger halten.
Man kann mit einer Harley genauso wie mit einer Solex Spaß haben. Vor lauter kW- und km/h-Gewucher ist in den letzten Jahren das Wichtigste fast in Vergessenheit geraten: Fahrspaß hängt eher an der eigenen Einstellung als an Messwerten.
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Kommentare
4 Kommentare zu “Honda XL 700 V Transalp”
Aus dick mach dünn. Kam von einer dicken BMW R 1200 RT, einem echten Reisesofa, schwer, schnell, sicher. Soweit so gut. Für die Werkstattkosten kann man sich im Laufe mehrerer Jahre glatt ne neue gebrauchte BMW kaufen (kleines elektronisches Steuerteil für die Ganganzeige fast 300 Euronen …). Hatte die Nase von 288 Kg voll, deshalb die „Transe“, eine 700 mit ABS aus 2009. Hatte vor der BMW ne Varadero, kannte also Honda – und bin nicht enttäuscht worden. Alles funktioniert, nichts klappert, wac
kelt oder macht Dinge, die nicht sein sollen. Verbrauch ca. 5 Liter ist o. k.. Das Beste aber ist die Leichtigkeit, beim Rangieren, beim Fahren und überhaupt. Bin immer mit Kumpels unterwegs, von denen jeder mind. doppelt so viele PS hat wie ich. Das ist nur auf der Autobahn ein kleiner „Nachteil“. In den Bergen, auf Landstraße und in Kurven merkt man nichts davon. Habe jetzt zwei Koffer (Kunststoff) und einen kleinen Tankrucksack dran. Bei Bedarf kommt eine Rolle dazu, das reicht dann locker auch für mehr als zwei Wochen. Du hast recht: Die eigene Einstellung ist das Maß der Dinge – meine und die der Transe passen da perfekt zusammen. Bodo
Oje – bin mir selbst untreu geworden. Mal wieder. Diesmal wieder so’n fettes Teil: die CTX. Auch dazu bald eine Story.
Danke für Kommentar und Zuspruch!
Hallo,
Danke für den tollen Bericht.
Neben GS1200 und KTM 1190 Adventure bin ich zwischenzeitlich Besitzer einer Transalp 700. ….und bereue es seit dem keine Sekunde. In meinen Augen eines der universellsten Adventure-Bikes. …robust, zuverlässig, fahraktiv, günstig im Unterhalt. Sie hat schon auf einigen Touren Ihre Qualtitäten unter Beweis stellen dürfen. ..und seit dem bleiben BMW und KTM leider des öfteren in der Garage. 😉
Klare Kaufempfehlung!
Grüße, Michael
Habe mir eine XL700VA Transalp als Zweitmotorrad gekauft, musste sie leider etwas tieferlegen. Das Motorrad brauche ich um bei Ausfahrten mit meinem Club ein KURVENTAUGLICHES Gefährt zu haben.
Mein erstes Motorrad ist eine Harley Softail Deluxe, die wiegt mit Zubehör um die 360 Kg, Spitzkehren und enge Kurven erfordern schon ein gutes Handling. Für US-Strassen und langgezogene Kurven kein Problem – bei den Amis ist ja Bagdad bei Deutschland um die Ecke, dort sind die Dimensionen halt etwas anders.
Die Transe ist ein gutmütiges Moped, Fahrwerk, Bremsen etc. sind absolut empfehlenswert – habe den Kauf bis dto nicht bereut. 😆