aus bma 8/13 von Helmut Grigull

Honda XL 700 V TransalpIm Juli 2009 eingetauscht. Gebrauchte Pan European gegen neue Trans Alp. Wie konnte es dazu kommen und wie kann man das verschmerzen?

Beides hat (vorgeblich) mit tugendhafter Vernunft zu tun und steht somit schon im Gegensatz zum Motorradfahren überhaupt. Dittsche würde sagen: Gesundschrumpfen ist das Zauberwort. Sind wir nicht alle etwas dittsche?

Da steht sie nun. Erster Eindruck: Wenig spektakulär, eher unauffällig, hoch, schmal. Zubehör: Ein Original-Kofferset, welches den Popo noch erträglich rundet. Um Himmelswillen keine Alukästen, die, mögen sie auch noch so praktisch sein, jedem Moped das Image einer mobilen Aktenvernichtungstonne verpassen. Ebenfalls aus Abscheu: Kein Topcase. Mit Zähneknirschen: Eine lange Scheibe in Form eines überdimensionalen Schuhlöffels, nicht wirklich hübsch, praktisch eben. Habe ich die Scheibe noch erfeilschen können, so hat es für den Hauptständer nicht mehr gereicht.

Zweiter Eindruck: Ernüchternd schlichte Spiegel wie am Kinderrad, zur Versöhnung durchaus schöne Speichenräder. Die Radabdeckungen aus Plastik, ein wenig Chrom am Auspuff. Praktische Windabweiser für die Griffel und ein unpraktisch geformter Tank. Da kann ich den alten Tankrucksack gleich vergessen, und so wie das Ding geformt ist, wird auch kein anderer darauf halten.

Bleiben wir beim Tank: Kryptische Positionsdaten. Mal eben bei Gurgel Earth nachgeforscht: Hm,  mitten in den französischen Alpen. Was hat dieses Krad mit Gebirge zu tun? Gelegentlich wurden in einsamen Bergen griechische Götter aufbewahrt. Und biblische Gesetzestafeln. Aber Motorräder? Das Kind musste halt einfach einen Namen haben. Ötzikrad wäre in der Tat nicht Umsatz fördernd. Dann schon besser ein alpines ‘uvre suggerieren.

Honda XL 700 V Transalp FrontSicher bin ich bloß ein Banause, denn warum sonst habe ich meine Pan abgestoßen und dafür dieses Vehikel angeschafft. Ein Schritt, den ich nicht rechtfertigen kann/will. Muss man sich für dieses Moped entschuldigen? Klares Nein! Sieht ja auch mittlerweile gefälliger aus. Hat ja nun auch ein paar PS mehr, ein bisschen Verkleidung, ein bisschen Koffer, ein bisschen hier und da. Eben von allem die Hälfte. Gottlob auch weniger Gewicht, und das war der Knackpunkt. Endlich mal wieder wendig sein, sorglos Bordsteine ab- und Schlaglöcher durchpoltern, etwas Fahrtwind spüren, auch dort einparken können, wo es vorwärts nicht raus geht; weniger Langstrecken-Dampferkapitän, mehr Kurztrip-Citydurchmogler. Im Alter wird man halt komisch.

Schreiten wir zur Tat. Wie immer bei Honda: Einmal mit dem Zündschlüssel winken und sie springt an. Leider auch wie immer bei Honda: Dieser Zündschlüssel ist ein scharfkantiges, Hosentaschen zerfetzendes Unding in waffentauglicher Länge mit Chance auf Selbstkastration beim Hinsetzen. Um es komplett zu machen: für die Koffer ein Extraschlüssel, natürlich genau so ein Ungetüm und durch nichts vom Zündstichel zu unterscheiden. Das Licht ist sofort eingeschaltet, das schreit nach einem separaten Schalter. Gesagt – getan und gleich ein Paar Heizgriffe montiert; ich lebe in Norddeutschland, nicht in Kalifornien.

Sind wir also vollständig und machen uns auf die Piste. Wie gesagt in Niedersachsen. Das heißt, die Straßen werden seit Jahrzehnten nur notdürftig gepatchworked, sind also reichlich holperig. Dafür haben wir ja nun einen tüchtigen Federweg und stollenähnliche Reifen.

Honda XL 700 V Transalp linksDas Fahrwerk vermittelt sofort Vertrauen, hält guten Straßenkontakt. Wer denkt, das Ding federt wie eine Ente, ist auf dem Holzweg. Im Gegenteil, von achtern werden gelegentlich Arschtritte im XL-Format ausgeteilt. Kurze, harte Asphaltwellen lassen einen geänderten Atemrhythmus und den Wunsch nach einem Sport-BH aufkommen. Uff! Nun ist der hintere Dämpfer verstellbar, irgendwann finde ich noch ein softeres Setup. Klappern tut dabei nix, alles schön solide. Auch kein böser Lärm. Die Akustik, ja die… Was kann man nicht alles hören: Das Schlurfen der Kette, das Rödeln der Reifen, und der Motor hält ein ganzes Mechanik-Orchester bereit. Je nach Drehzahl. Fängt an mit Bollern, was beim Anfahren in Hämmern übergeht. Wird ab 75°C Motortemperatur sanfter. Dann, ab 4500 U/min mehr Schnurren mit Vibrato und irgendwo muss ein Schnüffelstück stecken, ich höre es ganz klar schnüffeln.

Die Begeisterung für Drehzahl- und Drehmoment habe ich mit der Pan beim Händler abgegeben. Da habe ich meine Ansprüche abwärts korrigieren müssen. Doch es ist nicht solch ein Rückschritt, wie anfangs befürchtet. Jederzeit wird willig Gas angenommen und auch merkbar umgesetzt. Vibrationen, wie damals bei meiner Guzzi, die mir die Zeiger der Armbanduhr vom Zifferblatt geschüttelt haben, sind nicht zu spüren. Währenddessen entzieht die Einspritzung dem Tank durchschnittlich 5 Ltr/100 km.

Honda-XL700V-Transalp-CockpitWer schon mal geflogen ist, weiß, was ruckfreie Beschleunigung ist. Ein Airbus erreicht locker 950 km/h ohne ein einziges Mal zu schalten. Da müssen wir hier mal realistisch bleiben, denn vorausschauende Schaltarbeit ist gefragt. Nur dann wird stets genug Schub angeboten, um sich als Motorradfahrer nicht genieren zu müssen. Untertouriges Umherbummeln im großen Gang mögen die zwei Puncher im Maschinenraum nicht. Enge Kehren müssen im Ersten gefahren werden.

Dafür darf anständig gedreht werden. Für einen Zweizylinder erfreulich willig und ruhig. Die bescheinigten 44 kW sollen bei 7750 U/min anliegen. Das liest sich recht zweitakttypisch und wird sicher auch funktionieren. In diese Regionen habe ich das Triebwerk jedoch nie getrieben. Erstens ist das im Alltag nicht nötig und zweitens befürchte ich für derart gehetzte Bauteile, zumindest auf Dauer, ein Schleudertrauma, sprich Angst vor spanabhebenden Vorgängen. Versprochen sind 170 km/h und die sind auch machbar. Ohne üppige Verkleidung empfinde ich 130 km/h schon als echte Geschwindigkeit, so ist der Gedanke an ausdauernde Autobahnfahrten schnell abgelegt.

An den wichtigen Bauteilen wie Getriebe, Kupplung, Bremsen brauche ich gar nicht lange herum zu mäkeln, denn da gibt es nichts zu kritisieren. Alles so, wie man es von Honda erwarten darf: problemlos und zuverlässig, einfach gut.

Dem Scheinwerfer entfleucht weniger Licht, als die Größe vermuten lässt. Eher ausreichend als ausleuchtend. Darin gibt eine H11-Leuchte ihr Bestes. Ob ich im Falle des Ausfalles unterwegs an einer Dorftankstelle nun gerade ein so exotisches Stück bekomme, scheint mir unsicher.

Die Instrumente zeigen die Drehzahl mittels Zeiger, die Geschwindigkeit als Zahl. Treibstoffanzeige in Form von Balkensymbolen. Dazu ein Thermometer für das Kühlmittel. Ab 103°C startet rechts unter dem Tank ein etwas größerer PC-Lüfter, der aber die nötige Temperaturabsenkung durchaus bewältigt. Allerhand Kilometerzählmethoden, mehr als nötig. Alles gut erkennbar. Die Sitzposition ist entspannt, der Platz auch für zwei, nicht allzu feiste Mitteleuropäer ausreichend.

Honda XL 700 V TransalpFahrer(innen), die gern schon mal eine dicke Kralle aufgrund schwerer Kupplung bekommen, haben hier mit dem erfreulich leichtgängigen Seilzug kein Problem. Dafür wird etwas Beinlänge gefordert, das Gefährt ist recht hochbeinig, dadurch wiederum kniefreundlich.

Als Transalpinist sollte man besser unbeschwert reisen. Das Koffervolumen ist durch den hochgezogenen Auspuff rechts stark begrenzt. Leider hat auch der linke Koffer eine platzraubende Aussparung. Wofür, ist mir noch nicht aufgegangen, bestenfalls thermische Gründe, oder als optisches Gleichgewicht. Einen Helm bekommt man nicht unter. Fächer oder Ablagen in der Kunststoffpelle gibt es nicht.

Wie schon bei der Pan, trifft mein Zorn wieder den Konstrukteur des Gepäckträgers. Schöne Handgriffe für die Sozia, aber als Verzurrhilfe eher stylisch als praktisch. Kratzempfindlich obendrein. Die erste Pan hatte unter der Sitzbank vorklappbare Haken. Da konnte man auf der unbesetzten Soziuspritsche seine Kutte prima mit Gummistrapsen festbändseln. Das war mal ‘ne Idee, wurde leider nicht fortgesetzt. Unterhalb der Sitzbank geht es zwangsläufig ebenfalls eng zu – muss man halt sein Vorzelt zu Hause lassen.

Wie gesagt, von allem die Hälfte. Auch vom Kaufpreis und in der Unterhaltung.  Außer Benzin und einem Hinterreifen bei 6000 km habe ich in drei Jahren nichts ver- oder gebraucht. Kein Öl, kein gar nix.

Wer im Motorrad eine bezahlbare Ergänzung zum Auto sucht, darf hier sorglos zugreifen. Wer weniger Alltag und mehr Exklusivität auf zwei Rädern wünscht, muss sich an die dicken Dinger halten.

Man kann mit einer Harley genauso wie mit einer Solex Spaß haben. Vor lauter kW- und km/h-Gewucher ist in den letzten Jahren das Wichtigste fast in Vergessenheit geraten: Fahrspaß hängt eher an der eigenen Einstellung als an Messwerten.